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  • Europäische Rechtspolitik

    Unternehmen - schaut mehr nach Brüssel!

  • Foto: Reinhard Neises
    Recht und Steuern

    Reinhard Neises

    Tel.: 0651 9777-450
    Fax: 0651 9777-405
    neises@trier.ihk.de

In Berlin spielt die Musik – so heißt es immer – stimmt das? Oder spielt dort nur noch die begleitende und akzentuierende Hintergrundmusik? Europa wächst – dies nicht nur geografisch sondern auch im Hinblick auf die Anzahl der europäischen Rechtsvorschriften. Ein Großteil unserer deutschen Rechtsvorschriften hat inzwischen ihren Ursprung in Brüssel.

Die Europäische Kommission hat das Initiativmonopol: Sie kann Vorschläge für europäische Richtlinien, die später in nationales Recht umgesetzt werden müssen, und Verordnungen, die unmittelbar gelten, vorlegen. Ob und wie diese Initiativen dann als europäische Rechtsvorschriften erlassen werden, entscheiden in den meisten Fällen das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union gemeinsam. Initiativen der Europäischen Kommission sind aber meistens nicht mehr aufzuhalten – damit kommt ihr eine wichtige Rolle im europäischen Rechtsetzungsverfahren zu. Der Einfluss Berlins, der Bürger und Unternehmer ist gleichwohl gegeben: Über den Rat der Europäischen Union kann die Bundesregierung ihre Position zu den Rechtsetzungsvorhaben in Europa einfließen lassen. Der Bundestag und gegebenenfalls der Bundesrat sind an der Willensbildung der Bundesregierung beteiligt.

In diesem Zusammenhang wird derzeit u. a. eine größere Einflussnahme des Bundestages auf die Entscheidungen der Bundesregierung im Rat und stärkere Informationspflichten der Bundesregierung gegenüber dem Bundestag diskutiert. Der Bürger und Unternehmer ist ferner über den von ihm gewählten Abgeordneten im Europäischen Parlament repräsentiert; die Deutschen stellen 99 von insgesamt 732 europäischen Abgeordneten.

Alle drei europäischen Institutionen, also Kommission, Rat und Parlament, sind Gesprächs- und Diskussionspartner der IHK-Organisation, um die Bedürfnisse und Forderungen der Unternehmen in den europäischen Meinungsbildungs- und Rechtsetzungsprozess einzubringen. Besonders wichtig ist dabei, schon vor der Präsentation einer Kommissionsinitiative die Position und Forderungen der deutschen Wirtschaft gegenüber der Kommission darzustellen.

Von dem europäischen Entwurf bis zum deutschen Gesetz
Von der Vorlage eines Vorschlages der Kommission bis zur Verabschiedung durch Rat und Parlament vergehen durchschnittlich zwei bis drei Jahre. In den letzten Jahren wurden allerdings einige der Verfahren in wesentlich kürzerer Zeit beendet. Handelt es sich um eine europäische Richtlinie, so muss der deutsche Gesetzgeber, der Bundestag und in Fällen, in denen die Bundesländer berührt werden, auch der Bundesrat, noch ein Gesetz oder eine Verordnung erlassen, um die europäischen Vorschriften auf nationaler Ebene umzusetzen. Er hat in der Regel zwei Jahre Zeit, um seine nationalen Regelungen zu beschließen. Bei europäischen Verordnungen ist dieser Umsetzungsakt nicht erforderlich. Diese gelten unmittelbar in allen Mitgliedstaaten.

Auf was sollten sich die Unternehmen einstellen?

  • Verbesserung der Rechtsetzung
    Vorrangiges Ziel der Kommission ist die Verbesserung der europäischen Rechtsetzung. Sie hat sich vorgenommen, alle ihre Vorschläge auf deren Auswirkungen auf wirtschaftliche, soziale und umweltbezogene Aspekte zu überprüfen. Diese so genannte "integrierte Folgenabschätzung" soll auch für bereits vorgelegte Kommissionsvorschläge, über die der Rat und das Europäische Parlament noch nicht entschieden haben, nachträglich durchgeführt werden. In Einzelfällen sollen diese Vorschläge geändert, ersetzt oder zurückgenommen werden. Einige der bereits geltenden EU-Richtlinien sollen zudem überarbeitet werden. Eine entsprechende Auflistung der zu überarbeitenden europäischen Vorschriften wurde bereits beschlossen.

    Zudem fordert die Kommission die Mitgliedstaaten auf, auf nationaler Ebene Folgenabschätzungen in ihr Rechtsetzungsverfahren zu integrieren und dabei auch die Auswirkungen auf den Binnenmarkt und andere Mitgliedstaaten einzubeziehen. Daneben sollen die Mitgliedstaaten ihre geltenden nationalen Vorschriften auf Vereinfachung überprüfen und auch bei der Umsetzung von Gemeinschaftsrecht das Ziel einer schlanken Rechtsetzung berücksichtigen.

  • Vollendung des Binnenmarktes
    Schon 1957 bei der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft standen folgende Ziele im Vordergrund: Niederlassungs-, Dienstleistungs-, Warenverkehrs- und Kapitalverkehrsfreiheit. Jeder europäische Bürger kann sich in allen anderen Mitgliedstaaten niederlassen, als Arbeitnehmer oder Selbständiger. In Deutschland ist die Arbeitnehmerflexibilität für eine Übergangsfrist von voraussichtlich sieben Jahren für die Bürger der neuen Mitgliedstaaten, unter Ausnahme von Malta und Zypern, durch eine Arbeitsgenehmigungspflicht eingeschränkt. Selbständige können sich in anderen europäischen Mitgliedsstaaten ungehindert niederlassen. Dies gilt auch für die neuen Mitgliedsstaaten seit dem 1. Mai 2004.

    Die Warenverkehrsfreiheit, also die Möglichkeit, dass Waren, die in einem Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellt oder in den Verkehr gebracht werden, in ganz Europa vertrieben werden können, ist grundsätzlich gegeben. Im Gegensatz dazu bestehen bei der Dienstleistungsfreiheit noch größere Schranken und Besonderheiten bei Dienstleistern aus den neuen Mitgliedstaaten. Ein in Deutschland rechtmäßig tätiger Dienstleister soll zukünftig die Möglichkeit haben, seine Dienstleistungen zum Beispiel auch in Frankreich oder Belgien vorübergehend anbieten zu können, ohne dass er die gewerberechtlichen Zulassungsvorschriften in Frankreich oder Belgien erfüllen muss. Der Vorschlag der Kommission zur weiteren Vollendung der Dienstleistungsfreiheit, die so genannte Dienstleistungsrichtlinie, wird derzeit sowohl auf europäischer wie auch deutscher Ebene heftig diskutiert. Sowohl bei der Dienstleistungs- als auch bei der Kapitalverkehrsfreiheit sind die Binnenmarktziele bislang noch nicht vollständig erreicht.
  • Mehr Flexibilität für die Unternehmen
    Deutsche Unternehmen sollen in zwei bis drei Jahren mit Kapitalgesellschaften aus anderen Mitgliedstaaten fusionieren und auch ihren Sitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegen können, ohne dass das Unternehmen vorher liquidiert werden muss. Europäische Rechtsformen, wie die Europäische Aktiengesellschaft, stehen bereits zur Verfügung; über die Entwicklung einer europäischen Privatgesellschaft für mittelständische Unternehmen wird nachgedacht. Allerdings haben diese neuen Möglichkeiten auch eine Kehrseite. Deutsche mitbestimmte Unternehmen werden in vielen Fällen Wettbewerbsnachteile bei der Suche nach einem Fusionspartner oder Partner für die Europäische Aktiengesellschaft haben, da sie in vielen Fällen die deutsche Mitbestimmung, die es in den anderen Mitgliedstaaten in dieser Form nicht gibt, in das neue Unternehmen hineintragen. Darüber hinaus wurden in den letzten Jahren in einigen Branchen Harmonisierungen vorgenommen. So werden zum Beispiel in Deutschland niedergelassene Versicherungsvermittler nach Erlass der nationalen Umsetzungsvorschriften auch in anderen Mitgliedstaaten ihre Dienstleistungen anbieten können.
  • Neue Regelungen in zahlreichen Bereichen
    Durch detaillierte Regelungen, die oftmals zu neuen Verpflichtungen der Unternehmen führen, wird andererseits der Unternehmer aber auch massiv belastet. Die Planungen für die europäische Chemikalienverordnung "REACH", neue Kennzeichnungspflichten, zum Beispiel für nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben auf Lebensmitteln oder eine Erweiterung der Anhangsangaben in den Bilanzen, sind für die Unternehmen von großer Bedeutung. Es bleibt zu hoffen, dass die Ankündigung des Binnenmarkt-Kommissars Charlie McCreevy ernst gemeint ist, wenn er sagt, dass "schlechte Regulierungen" in den nächsten Jahren vermieden werden sollen. Unter "schlechten Regulierungen" versteht er zum Beispiel Arbeitszeitbeschränkungen, die die Unternehmen in ihrer Wettbewerbsfähigkeit einschränken oder Bürokratielasten durch Berichtspflichten.

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