Gute Fachkräfte sind Mangelware und deshalb engagieren sich viele Unternehmen stark für die eigene Berufsausbildung. Diesen Trend hat auch das Corona-Jahr in der Region Trier nicht gestoppt. Einiges ist zwar komplizierter als gewöhnlich, trotzdem lautet meist der Tenor: Man möchte noch stärker in diesen Bereich investieren. Die IHK Trier unterstützt diese Bemühungen – unter anderem mit der neuen Kampagne „Ausbildung kennt keine Auszeit“
Das Thema 2020 schlechthin macht auch vor der Ausbildungssituation nicht halt: Die Covid-19-Pandemie wirkt sich überall aus. Insbesondere für jene Azubis, die im ersten Halbjahr ihre Ausbildung abschlossen. Auch ihre Ausbilder waren vor besondere Herausforderungen gestellt. Die Anpassung von Arbeitsprozessen an die geänderten Bedingungen durch die Lockdowns in vielen Ländern oder der Ausfall von Präsenzunterricht in den Berufsschulen sind hier als prominente Beispiele anzuführen. Gleichermaßen hat die Pandemie die Rekrutierung des neuen Ausbildungsjahrgangs behindert. Übliche Informationsquellen für Schüler in der Berufsorientierung wie Ausbildungsmessen oder Unternehmensbesuche in Schulen sind ausgefallen oder konnten nur unter erschwerten Bedingungen durchgeführt werden.
Trotz solcher Hürden und der wirtschaftlichen Unwägbarkeiten, die Corona mit sich bringt, haben viele Unternehmen ihre Anstrengungen beim Marketing für neue Azubis intensiviert. Denn das Langzeitproblem Fachkräftemangel wiegt in ihren Augen schwerer als die – hoffentlich – vorübergehenden wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie. Ein Stimmungsbild aus der regionalen Wirtschaft zeigt, wie man die Herausforderungen meistern und sich für die Zukunft aufstellen möchte.
Einsatz lohnt sich
Bei der S&D Blechtechnologie GmbH in Zemmer hat man schon vor einigen Jahren realisiert, wie extrem schwierig neue Fachkräfte zu gewinnen sind. Konstruktionsmechaniker und andere in dem metallverarbeitenden Unternehmen benötigte Berufsgruppen seien auf dem freien Stellenmarkt kaum noch zu finden, berichtet Prokurist Henning Schlöder. Also müsse der Weg über die eigene Ausbildung laufen: „Die Azubis von heute sind unsere Fachkräfte in drei bis vier Jahren.“ Doch auch dieses Thema sei kein Selbstläufer mehr. Der Tiefpunkt war 2018, erzählt Schlöder. Da habe man nur einen Azubi gefunden und der sei dann noch abgesprungen. „Das war das endgültige Signal: Wir müssen hier noch stärker aktiv werden“. Gesagt, getan: Die Präsenz auf Ausbildungsmessen wurde verstärkt, die Zusammenarbeit mit Einrichtungen wie IHK und Agentur für Arbeit intensiviert, auf der Homepage beantworten FAQs häufig gestellte Fragen zu Ausbildungsberufen, eine Facebook-Seite zur Ausbildung wurde eingerichtet und vieles mehr. Der Erfolg stellte sich ein. Im Folgejahr begannen schon drei junge Leute ihre Ausbildungen und 2020 konnte S&D Ausbildungsverträge für drei Konstruktionsmechaniker und einen technischen Produktdesigner abschließen.
Bei der Suche nach geeigneten Bewerbern probiert man bei S&D gerne auch ungewöhnlichere Wege aus. So waren zwei neue Azubis eingeplant, die im Zuge eines Projekts mit der Bundesagentur für Arbeit und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) direkt aus Marokko kommen sollten. Neben S&D beteiligten sich noch weitere Unternehmen in Rheinland-Pfalz an der Initiative. Leider verzögere sich das Projekt aus Corona-Gründen, bedauert Schlöder. Man habe die Information erhalten, dass es der Deutschen Botschaft in Marokko derzeit nicht möglich sei, Visa zu erstellen. Dabei sei von allen anderen Beteiligten bereits alles in die Wege geleitet worden. „Für uns nur schwer nachvollziehbar, da sehr viel Aufwand von Bundesagentur für Arbeit, GIZ, den Unternehmen und natürlich allen voran den Teilnehmern, die sich auf ein neues Leben in Deutschland eingestellt haben, in dieses Projekt geflossen ist. Und jetzt scheitert es am Stempel für das Visum?“, drängt man bei S&D auf eine möglichst baldige Umsetzung.
Immerhin bot im Vorfeld bereits eine Video-Konferenz Gelegenheit zum Kennenlernen der Bewerber. „Die beiden jungen Männer sind 25 Jahre alt und haben bereits Berufserfahrung mit Metall. Und man hat auch gespürt, dass die Einstellung passt“, wertet der S&D-Prokurist die Begegnung positiv. Ein weiteres Plus seien die Sprachkenntnisse, denn alle Teilnehmer bei diesem Projekt haben zuvor einen vom Goethe-Institut zertifizierten Nachweis für Deutschkenntnisse erbracht. Vor einigen Jahren hätten sich fehlende Sprachkenntnisse bei einem Mitarbeiter mit Fluchthintergrund als großes Hindernis erwiesen, erinnert sich Schlöder. Dann gestalte sich nicht nur die Zusammenarbeit in den Teams bei der Arbeit schwierig. Es sei auch wesentlich schwieriger, dass jemand sozial Anschluss in der Region findet. Was sich langfristig negativ auf die Motivation auswirken kann.
Anknüpfungspunkt Praktika
Ein wichtiger Kontaktpunkt mit potenziellen Azubis ist 2020 aber weggefallen: Wegen der Pandemie mussten Ausbildungsmessen und Unternehmensbesuche in Schulen abgesagt werden. Und auch die Schulpraktika waren betroffen. Dies bedauert Schlöder sehr, denn gerade hiermit hat sein Unternehmen sehr gute Erfahrungen gemacht. „Praktika sind ein idealer Weg für beide Seiten, um zu sehen, ob es passt. Schon viele haben so ihre Begeisterung für den Beruf entdeckt und später bei uns angefangen“, meint er. Die Kooperation mit den Schulen biete Gelegenheit, Berufe wie den Konstruktionsmechaniker vorzustellen, von denen viele Jugendliche heute gar keine oder veraltete Vorstellungen haben. Und auch als Firma S&D bringe man sich so ins Bewusstsein. „Wir arbeiten im Bereich Business to Business. Da erhält man in der allgemeinen Öffentlichkeit wenig Aufmerksamkeit. Tatsächlich tauchen unsere Produkte überall auf, es ist eben nur kein Schild dran“, erklärt Schlöder. Wer einmal durchs Werk in Zemmer gewandert ist, versteht, was er damit meint. Mit Lasern, Wasserstrahlschneidern, Schweißgeräten, Pulverbeschichtung und zahlreichen weiteren Maschinen werden hier Metallbleche und -rohre in alle möglichen gewünschten Formen und Oberflächenbeschaffenheiten gebracht. Vom Zubehörteil für die Automobilindustrie bis zur Schwimmbecken-Leiter findet sich praktisch alles in den Hallen in Zemmer.
Aufmerksamkeit schaffen und informieren
Aktiv um Azubis werben und das eigene Unternehmen bekannt machen – mit dieser Herangehensweise hat auch die WITTE Bitburg GmbH gute Erfahrungen gemacht. Auf Messen konnte das Unternehmen, das Teil der Gruppe WITTE Automotive ist und auf die Produktion von Kunststoffteilen für die Automobilindustrie spezialisiert ist, erfolgreich Kontakte knüpfen. „Das Speed-Dating auf der ‚IHK-Ausbildungsmesse‘ war gut. Eine unserer aktuellen Auszubildenden haben wir darüber kennengelernt“, gibt HR-Managerin Melanie Otto ein Beispiel. Eine Werksführung, bei der Azubis Schülern die Produktion in Bitburg zeigen, ist ebenfalls ein bewährtes Instrument.
Solche direkte Ansprache ist 2020 zwar nur eingeschränkt möglich, aber dafür wirken die digitalen Kanäle trotz Corona. Die Präsentation über Social-Media wie Facebook oder die Blogger-Aktivitäten einer WITTE-Auszubildenden beim IHK-Projekt „Durchstarter“ wirken in die Öffentlichkeit. Christiane Harings, die bei WITTE im Controlling und als Ausbilderin tätig ist, findet es sehr wichtig, Aufmerksamkeit zu schaffen: „Viele junge Menschen haben während ihrer Schulzeit keine direkten Berührungspunkte mit unserem Unternehmen oder den Ausbildungen, die wir anbieten. Also müssen wir aktiv informieren.“ Da wäre zum Beispiel die Ausbildung zum Verfahrensmechaniker für Kunststoff- und Kautschuktechnik, die bei Umfragen zu bekannten Berufen unter Schülern nicht unbedingt auf den vorderen Plätzen genannt wird. Wer sich aber mal in ein Auto setzt und durchzählt, wie viele verschiedenartige Bauteile aus Kunststoff hier verbaut sind, der wird schnell merken, welche Bedeutung die Bearbeitung dieses Werkstoffs hat. Und man bekommt vielleicht einen Eindruck, dass sich dahinter spannende Produktionsprozesse verbergen.
Weitere Berufe, die WITTE am Standort Bitburg regelmäßig ausbildet, sind: Fachkraft für Lagerlogistik, Fachlagerist, Industriemechaniker und Werkzeugmechaniker. Aber auch drei angehende Industriekauffrauen sind aktuell dabei, zwei von ihnen sind in einem Dualen Studium. Da die Hauptverwaltung von WITTE Automotive im nordrhein-westfälischen Velbert sitzt, verbringen die Azubis in den Büro-orientierten Berufen einen Teil ihrer Ausbildung dort. Um das Gemeinschaftsgefühl zu stärken, finden regelmäßig gemeinsame Veranstaltungen der Azubis aller WITTE-Standorte statt – auch wenn dies durch Corona aktuell ausgebremst wird. „Uns ist auch wichtig, dass jeder die anderen Abteilungen kennenlernt. Azubis aus dem Büro arbeiten auch mal testweise einen Tag lang in der Produktion mit“, sagt Otto.
Digitales hilft, ersetzt aber nicht alles
Doch im ersten Schritt muss ein Unternehmen Menschen erst einmal dazu bringen, dass sie sich Gedanken machen, ob eine Ausbildung in eben jenem Betrieb etwas für sie sein könnte. Dazu dient Azubi-Marketing und das genießt auch bei der Leyendecker HolzLand GmbH & Co. KG in Trier einen hohen Stellenwert. Um dieses Thema kümmert sich bei Leyendecker Anke Kießling: „Azubi-Marketing läuft bei uns das ganze Jahr über. Einmal eine Anzeige in der Tageszeitung schalten – das reicht heutzutage nicht mehr.“ Präsenz in sozialen Medien ist ein Aspekt: Bei Facebook wird insbesondere die Eltern-Generation angesprochen und bei Instagram die Jugendlichen selbst. In beiden Netzwerken gibt es eine eigene Seite, die durchgehend mit Inhalten zu Ausbildung bespielt wird. Mit eingebunden sind dabei die aktuellen Azubis des Unternehmens, die eigene Foto- und Video-Beiträge liefern.
Bloggen bei den IHK-„Durchstartern“ gehört ebenfalls zu den digitalen Kanälen. Zurzeit vermittelt dort Azubi Ben seine Erfahrungen von der Ausbildung zum Kaufmann im E-Commerce. Er ist der erste bei Leyendecker, der in dem 2018 neu geschaffenen Ausbildungsberuf an den Start gegangen ist. „Gerade durch Corona hat sich der Trend zum Online-Handel weiter verstärkt. Nicht zuletzt unsere B2B-Kunden nutzen zunehmend die Direktbestellung im Netz“, berichtet Kießling. Aber auch bei den Privatkunden sei während des Lockdowns die Nachfrage sprunghaft gestiegen. Insofern habe sich die Entscheidung für den neuen Ausbildungsgang „Kaufmann im E-Commerce“ schon jetzt als richtiger Schritt erwiesen. Nach derzeitigen Planungen werde man diesen Bereich personell weiter ausbauen. Zumal auch die Zusammenarbeit mit der Berufsschule sehr gut funktioniere. Da der Ausbildungsgang noch neu ist, sind die Klassen klein und die Lehrkräfte stark motiviert, gibt Kießling ihren Eindruck wieder.
Ein Allheilmittel ist digitale Technik aber nicht. Das weitgehende Fehlen von direkten Begegnungen macht sich auf vielen Ebenen bemerkbar. Mit Blick auf die Ausbildung betraf dies in den vergangenen Monaten besonders stark den Berufsschulunterricht. Hier haben die drei Unternehmen S&D, WITTE und Leyendecker ähnliche Erfahrungen gemacht. Für jene Azubis mit gutem Notendurchschnitt war es demnach keine größere Schwierigkeit, sich auf das neue Lernformat ohne Präsenzunterricht umzustellen. Die Leistungsschwächeren dagegen hatten schon zu kämpfen. „Unsere Azubis haben selbstständig eine Lerngruppe gebildet und die Noten-Starken haben die anderen unterstützt“, erzählt Schlöder, wie das Problem erfolgreich gelöst wurde. Ebenso gab es in den beiden anderen Unternehmen solche Lerngruppen, die auch von den Ausbildern unterstützt wurden. „So konnten alle erfolgreich die Prüfungen meistern“, freut sich Kießling. Auf den praktischen Ausbildungsteil hatte die Corona-Pandemie in diesen Betrieben hingegen kaum Auswirkungen. Von den teilweise erforderlichen Umstellungen im Schichtbetrieb oder der Kurzarbeit waren die Azubis bei keinem betroffen. Lediglich die Veränderungen im Arbeitsablauf durch die Hygienevorschriften kamen auch bei ihnen zur Geltung.
IHK intensiviert digitale Formate
Die Botschaft aus den drei Unternehmen und vielen weiteren IHK-Mitgliedsbetrieben lautet: Ausbildung genießt weiterhin hohe Priorität. Entsprechend hat auch die Kammer ihre Unterstützungsangebote in diesem Bereich an die Situation angepasst und weiter ausgebaut. Dabei hat es sich bewährt, dass bereits in den Vorjahren vieles auf digitale Angebote umgestellt wurde. So gehören Web-basierte Seminare bereits seit langem zu den erprobten Veranstaltungsformaten.
2019 stellte die Initiative Region Trier e.V. (IRT) den in Zusammenarbeit mit IHK und HWK Trier entwickelten digitalen „Ausbildungsatlas der Region Trier“ vor. Dieses Online-Tool hilft bei der Suche nach dem passenden Ausbildungsberuf und -betrieb. Über 4000 Ausbildungsbetriebe aus der Region sind dort mit ihren Ausbildungsberufen zu finden. Für 2020 ist die Aufnahme der Ausbildungsberufe vorgesehen, die über die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) und die Landwirtschaftskammer laufen.
Zusätzlich sind in den vergangenen Monaten weitere Berufsorientierungsangebote aufs Digitale umgestellt worden. Rege nachgefragt wurde beispielsweise die Veranstaltung „Eltern als Berufswahlbegleiter“, bei der sich interessierte Eltern per Videokonferenz über das Thema Ausbildung informieren konnten. „Corona hat eine gewisse Verunsicherung erzeugt. Viele Eltern machen sich Sorgen, ob überhaupt Ausbildungen angeboten werden und wie die Bedingungen sind“, stellt Alexander Oster vom Bildungsprojekte-Team der IHK Trier fest. Auch wurden zwei Berufsorientierungsworkshops für Schüler mit hohem Zuspruch online durchgeführt. Diese Aktivitäten waren Teil der aufwändigen Sommer-Kampagne „Ausbildung kennt keine Auszeit“, die Oster zusammen mit seiner Kollegin Anne Janezcek und professioneller Marketingunterstützung umsetzt