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15.03.2003

Immer über den Tellerrand schauen


Dieser Text ist vom 15.03.2003 und könnte inhaltlich veraltet sein.

Eva Sönnichsen führt den Dauner Burgbrunnen

Ein Familienbetrieb mit Tradition ist der Dauner Burgbrunnen. Anders als der Name vermuten lässt produziert der mittelständische Betrieb der 57-jährigen Kauffrau Eva Sönnichsen kein Mineralwasser, sondern Kohlensäure und technische Gase. Seit der Gründung 1928 hat das Unternehmen – vor allem durch eine Enteignung während des zweiten Weltkriegs – eine wechselvolle Geschichte durchlebt. Mit Eva Sönnichsen steht eine Frau an der Spitze, die Weltoffenheit mit Eifeler Pragmatismus verbindet. Sie ist verheiratet und hat einen erwachsenen Sohn.

Die Wurzeln des Dauner Burgbrunnens liegen eigentlich im Pützbachtal südwestlich von Daun und nicht unterhalb des Ortsteils Boverath, wo der Betrieb seit Jahrzehnten angesiedelt ist. Die natürliche Ressource, Kohlensäure beziehungsweise Kohlendioxid, gibt es gar nicht am heutigen Standort. Das Quellgebiet für die Kohlensäure erstreckt sich im Tal von Pützborn bis Steinborn. „Nach Daun ging es nur des Eisenbahnanschlusses wegen“, erzählt die resolute Firmenchefin. Längst sind die Tage der wirtschaftlichen Bahnanbindung passé. Geblieben ist ein Leitungsnetz ausgehend von den Bohrungsorten Pützborn, Neunkirchen und Steinborn, mit dem das zunächst noch mit Wasser vermischte Kohlendioxid gasförmig zur Verarbeitung transportiert wird. Der Name „Burgbrunnen“ erinnert noch immer an den einstigen Plan, zusätzlich einen Sprudelbetrieb aufzubauen, „ doch wegen der Kriegswirren ist nie etwas daraus geworden“. Eng ist Eva Sönnichsen mit der Familien- und der Firmengeschichte verwoben.
Ihr Großvater, Max Grünbaum, gründete den Betrieb. Er war Dauns erster Ehrenbürger. Seine Jagdleidenschaft führte ihn von Köln nach Daun, wo er sich ein Ferienhaus baute. Auf zahlreiche Bitten der Bevölkerung hin – er war vermögend genug – errichtete er das Kohlensäurewerk in Daun-Boverath. Zugleich war er so sozial engagiert wie seine Freunde, die Gebrüder Tietz, in deren Kaufhausimperium – heute Kaufhof, Karstadt und Hertie – er in leitender Position wirkte. Das innovative kaufmännische Moment war vor mehr als hundert Jahren die Idee, eine Preisbindung für die Waren in allen Filialbetrieben festzulegen. Der Kunde musste nicht mehr handeln. Für die Kölner Verkäuferinnen nun gab es zwei Wochen kostenfreien Erholungsurlaub in der Eifel: Grünbaum errichtete hierfür geräumige schwedische Holzhäuser im Stil seines Feriendomizils, in dem Eva Sönnichsen geboren wurde. Die anderen Häuser wurden nach dem Krieg verkauft und werden heute als Hotel genutzt.

Familien- und Firmengeschichte mit dramatischen Wendungen

Ab 1933 hatten all diese Wohltaten ein Ende: Grünbaum wurde enteignet, denn er war Jude. Als seine Familie nach dem Ende des Weltkrieges den Betrieb wieder übernehmen konnte, „war er komplett runtergewirtschaftet, er wurde mit einem Minus übergeben“ , wie Sönnichsen erzählt. Einziger Standortvorteil: Die Kohlensäureförderung ist aus geologischen Gründen auf wenige Gebiete in Deutschland beschränkt. Mit dem zusätzlichen Betriebszweig der technischen Gase wurde ein zweites Standbein geschaffen. Sönnichsen ist froh, mittelständisch geblieben zu sein, um einseitige Abhängigkeiten zu vermeiden. Heute existiert ein Filialwerk in München und ein Vertriebsbüro in den Niederlanden.
Sie führt mit „Freigeist als Maxime“: „Die Mitarbeiter sind nicht nur Mittel zum Zweck, sondern Menschen, sie müssen zueinander passen, da hat jeder seine eigenen Fähigkeiten, Vorzüge und Eigenarten“. Eva Sönnichsen ist damit aufgewachsen, „ immer über den Eifeler Tellerrand zu schauen, das war selbstverständlich“. Vielleicht, sagt sie, trug zu dieser überzeugten Liberalität die künstlerische Ader in einem Teil der Familie bei. Die Großmutter war Pianistin und Sängerin, der Großvater Kunstmaler: „Wir hatten immer ein sehr freies und offenes Haus, es gab keine Beschränkungen im Denken.“ Sie selbst hatte stets eine Neigung zu Sprachen, und nach der Höheren Handelsschule ging sie zunächst für ein Jahr nach England. Bei der Rückkehr 1966 stand sie vor der Wahl, entweder zu studieren oder im elterlichen Betrieb Industriekauffrau zu lernen. Sie entschied sich sehr pragmatisch: „Studieren kannst du immer noch, dachte ich, und so bin ich nach der Lehre zunächst in den Außendienst gegangen, mit einem weitläufigen Kundennetz.“ Nach dem Tod ihres Vaters hat sie 1980 die Leitung des Unternehmens übernommen.

Ehrenamt und Engagement für Frauen

Der Dauner Burgbrunnen ist jedoch nicht das einzige Tätigkeitsfeld, auf dem sie sich stark engagiert. Nicht von ungefähr ist sie Trägerin der Silbernen Ehrennadel des Landes Rheinland-Pfalz für das Ehrenamt. Ganz praktisch und vor Ort unterstützt sie die Tischtennisabteilung des TUS Daun, doch da ist natürlich noch viel mehr. Von ihrem Vater, der sie in Sachen Selbstbewusstsein immer förderte, hat sie den Einsatz für die AOK quasi „geerbt“: Er war viele Jahre Vorstandsvorsitzender. Sie ist im Verwaltungsrat der rheinland-pfälzischen AOK mit Sitz in Eisenberg. Über den Arbeitgeberverband Chemie kam sie zu ihrem Einsatz als ehrenamtliche Richterin beim Arbeitsgericht Trier und jetzt beim Landesarbeitsgericht Trier. Seit 1969 schon ist sie Mitglied bei den Wirtschaftsjunioren (Kreis Junger Unternehmer) in Trier. Sie war in den 70er Jahren die erste Frau im Bundesvorstand der Wirtschaftsjunioren. Ferner war sie als Unternehmerin in einer Kommission der Landesregierung von Rheinland-Pfalz, die sich mit wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Problemen beschäftigte.

Überhaupt ist die Rolle von Frauen in der Wirtschaft für sie ein wichtiges Thema: „In verantwortlichen Positionen gibt es Frauen sehr selten, und ich bin in allen Bereichen als Frau auf eine Männergesellschaft gestoßen.“ Von den Grundsätzen der Gesellschaft her steht für sie fest, dass „lediglich eine soziale Marktwirtschaft akzeptabel ist“. Politisch engagiert sie sich jedoch nicht: „Die Politik hat sich zu sehr von den Menschen entfernt. Außerdem möchte ich niemals einem Fraktionszwang unterliegen.“ Es sei wichtiger, die eigene Meinung im Umfeld weiterzugeben als politische Ämter zu bekleiden. Viel eher liegt es ihr, mit jungen Leuten zusammen zu kommen, was sich auch in ihrer Führungsstrategie widerspiegelt: „Die Verbindung von Erfahrungen der Älteren mit dem Innovationspotenzial der Jüngeren ist ideal.“

Das Gefühl der Zusammengehörigkeit von Jung und Alt ist auch das, was sie an ihrem größten Hobby fasziniert: das Segeln auf Yachten und Großseglern. „Windjammersegeln ist ein wunderbares Erlebnis, keiner lässt den anderen im Stich, man ist aufeinander angewiesen.“ Mannschaftssportarten fördern die Gemeinschaft, weiß sie aus Erfahrung. Ein eher stilles Hobby hat Spuren im Bürotrakt des Dauner Burgbrunnens hinterlassen: Hier hängen Landschaftsfotografien mit herben, ausdrucksstarken Motiven. „Ich liebe den Norden, Island, Schottland“, erzählt Eva Sönnichsen. Da sieht sie Parallelen zur Vulkaneifel, die einen besonderen Reiz für sie hat, auch wenn sie gesteht, das Städtische ebenso zu brauchen. Vielleicht, weil sie „schon immer ein neugieriges Kind“ war.
Angelika Koch

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