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02.06.2020

„Protektionismus ist nie die richtige Antwort“


Dieser Text ist vom 02.06.2020 und könnte inhaltlich veraltet sein.

In schwierigen Zeiten tritt Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft an

Deutschland übernimmt zum 1. Juli turnusgemäß die EU-Ratspräsidentschaft und damit die Aufgabe, die Sitzungen des Rates der Europäischen Union und seiner vorbereitenden Ausschüsse und Arbeitsgruppen zu leiten. Die Ratspräsidentschaft wird rotierend für ein halbes Jahr durch ein Mitgliedsland der EU eingenommen. Zuletzt hatte Deutschland in der ersten Jahreshälfte 2007 die Ratspräsidentschaft inne. Damals wurde unter anderem in der „Berliner Erklärung“ der Weg für eine „erneuerte gemeinsame Grundlage“ geebnet, den späteren Vertrag von Lissabon. Auch in diesem Jahr sind die Erwartungen an Deutschland hoch.  
Doch dieses Mal wird es eine Ratspräsidentschaft unter schwierigen Umständen. Die Corona-Pandemie hat das Leben und Wirtschaften in der EU stark verändert. Die Bundesregierung muss daher das Programm für die Ratspräsidentschaft neu ausrichten – und sollte vor allem die Erholung der Wirtschaft in den Mittelpunkt ihrer Aufgaben rücken. Aus Sicht der Wirtschaft müssen alle Aktivitäten neben der Eindämmung der Pandemie konsequent auf ein Ziel ausgerichtet werden:  die Unterstützung von Wachstum und Investitionen. Der Dreiklang dazu lautet: mehr Wettbewerbsfähigkeit, weniger Bürokratie und keine neuen Belastungen – denn diese würden den wirtschaftlichen Neustart erschweren. 

Gemeinsame Lösungen werden entscheidend sein
„Eine große Herausforderung wird es sein, die EU in diesen schwierigen Zeiten zusammenzuhalten“, sagt Freya Lemcke, Leiterin des DIHK in Brüssel. Denn die Corona-Krise habe Europa in vielen Bereichen gespalten. „Bei den Grenzschließungen sind viele Länder ihren eigenen Weg gegangen, die Corona-Eindämmungsmaßnahmen haben Teile des Binnenmarkts de facto zumindest zeitweise ausgehebelt.“ Das Anliegen einiger Mitgliedstaaten, gemeinsame Euro-Anleihen zu begeben, hat die Einigung auf Hilfsmaßnahmen erschwert.  
„Um die Versorgungssicherheit für Waren und Dienstleistungen und somit auch die Existenz von Unternehmen zu sichern, kommt es entscheidend darauf an, dass die EU an gemeinsamen Lösungen und Wegen aus der Krise arbeitet“, erklärt Freya Lemcke. Die deutsche Ratspräsidentschaft sollte sich daher unter allen Umständen dafür einsetzen, dass der freie Verkehr aller Waren, Dienstleistungen und Arbeitskräfte reibungslos funktioniert.
Dafür macht sich auch der DIHK, der in Brüssel mit 16 Mitarbeitern vertreten ist, seit Monaten stark. Gemeinsam mit dem europäischen Kammerdachverband EUROCHAMBRES haben die Rechtskollegen Positionspapiere zur Aufrechterhaltung des Binnenmarkts erarbeitet. Der DIHK hat außerdem eine Kontaktstelle für coronabedingte Störungen in den Lieferketten im Binnenmarkt und in Drittstaaten eingesetzt. Dadurch sammelt er über das Netzwerk von IHKs, AHKs und Unternehmen konkrete Lieferketten-Hemmnisse und meldet diese zwecks Lösungsfindung an die Politik. „Für die Wirtschaft ist es enorm wichtig, dass die Grenzkontrollen verhältnismäßig, transparent und möglichst einheitlich sind, vor allem aber auch, dass sie aufgehoben werden, sobald kein gesundheitliches Risiko mehr besteht“, sagt Lemcke. „Denn den deutschen Unternehmen, die knapp 60 Prozent ihrer Warenexporte und -importe mit anderen Ländern der EU abwickeln, kann die wirtschaftliche Belebung nach der Krise nur gelingen, wenn der Binnenmarkt für Waren, Pendler und Dienstleister reibungslos funktioniert und auch die EU-Nachbarn wieder auf die Beine kommen.“  

Wertschöpfungsketten für deutsche Wirtschaft bedeutend
Für die deutsche Wirtschaft von großer Bedeutung ist darüber hinaus die ambitionierte klima- und umweltpolitische Agenda der EU. Die Brüsseler DIHK-Klima- und Umweltexperten setzen sich daher – in enger Abstimmung mit den IHKs – über ihre Stellungnahmen und Ideenpapiere dafür ein, dass aus dem sogenannten Green Deal tatsächlich die von der Politik versprochene Wachstumsstrategie für die Betriebe wird. „Dazu bedarf es viel Überzeugungsarbeit in Brüssel“, sagt Freya Lemcke. Die deutsche Ratspräsidentschaft müsse nun Maßnahmen in den Fokus rücken, die nach dem wirtschaftlichen Einbruch in Folge der Pandemie die Wirtschaftskraft der Unternehmen wiederbeleben und die Grundlagen für ein ökonomisch und ökologisch nachhaltiges Wachstum legen. „Alle zusätzlichen Belastungen, die sich beispielsweise aus einer weiteren Verschärfung der CO2-Reduktionsziele für die Unternehmen ergeben würden, müssen nun erst einmal vom Tisch“, so Lemcke.
Nicht zuletzt sollte die deutsche EU-Ratspräsidentschaft dazu beitragen, dass es in Folge der Corona-Krise nicht zu Verwerfungen im Welthandel und einer Abschottung der Märkte kommt. Denn die globale Aufrechterhaltung der Wertschöpfungsketten und weitere Öffnung der Märkte ist für die hoch internationalisierten deutschen Unternehmen von großer Bedeutung. Schließlich hängt jeder vierte Arbeitsplatz in Deutschland am Export, in der Industrie sogar jeder zweite. Der DIHK hat sich deshalb mit einem Ideen-Papier in Brüssel dafür eingesetzt, den Protektionismus auch nach der Corona-Krise weiter einzudämmen, das wichtige EU-Mercosur Abkommen voranzutreiben und Rechtssicherheit für die künftigen Beziehungen mit dem UK zu schaffen. Außerdem arbeitet der DIHK seit März an einer weltweiten Koalition zur Ausweitung des WTO-Pharmaabkommens. Damit könnte der Welthandel mit Gesundheitsprodukten ohne Zölle und weitere Hemmnisse gesichert werden.
 „Protektionismus ist nie die richtige Antwort“, sagt Freya Lemcke. „Aber insbesondere in Krisenzeiten müssen wir uns dafür einsetzen, dass der freie Welthandel nicht blockiert wird. Die EU wird im internationalen Wettbewerb nur mithalten können, wenn sie zusammensteht und mit einer Stimme spricht.“ Auf Deutschland und seine Ratspräsidentschaft kommt eine schwierige Aufgabe zu.


Kernforderungen der IHK-Organisation zur deutschen EU-Ratspräsidentschaft
Die Erholung der Wirtschaft in den Mittelpunkt rücken! Neben der Eindämmung der Pandemie müssen die Aktivitäten konsequent auf ein Ziel ausgerichtet werden: die Unterstützung von Wachstum und Investitionen. Das heißt insbesondere: 
•    Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) zukunftsgerichtet gestalten! Die EU braucht jetzt eine möglichst schnelle Einigung auf einen tragfähigen MFR, der ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessert. Das Vorziehen von wirtschaftsfördernden Projekten auf die ersten zwei bis drei Jahre des Siebenjahres-Zeitraums beschleunigt das Herauswachsen aus der Krise.
•    Liquidität für Unternehmen sichern! EU-Finanzierung von Hilfsprogrammen sollte kombiniert werden mit neuen Rahmenbedingungen, die Mitgliedstaaten schnelle und effektive Unterstützungsmaßnahmen erlauben. Die Hilfe – auch neue Maßnahmen für die Recovery - muss schnell und verlässlich bei den Unternehmen ankommen. 
•    EU-Binnenmarkt schützen! Zur Aufrechterhaltung der Wertschöpfungsketten und dem Funktionieren der Wirtschaft muss der freie Verkehr aller Waren, Dienstleistungen und Arbeitskräfte gewährleistet sein. Bestehende Hürden müssen weiter abgebaut werden. 
•    Europäischen Green-Deal zur Wachstumsstrategie machen! Der Green Deal muss so nachjustiert werden, dass er ein ökonomisch und ökologisch nachhaltiges Wachstum ermöglicht. Zusätzliche finanzielle Belastungen für die Betriebe sollten nun vermieden, stattdessen Forschung und Entwicklung zur ökologischen Nachhaltigkeit unterstützt werden.  
•    No-Deal-Szenario mit UK vermeiden! Wichtig ist, die Integrität des europäischen Binnenmarkts zu schützen und Planungssicherheit sowie ein Level Playing Field in den Handelsbeziehungen zu schaffen. Dafür notwendig: die Verlängerung der Ende 2020 ablaufenden Übergangsfrist um zwei Jahre. 
•    Protektionismus entgegenwirken, Liberalisierungsimpulse setzen! Priorität haben sollten hier die Ratifizierung des EU-Mercosur-Abkommens vor Ende 2020 sowie neue Initiativen zur Liberalisierung von Pharma- und Medizinprodukten.

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