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01.07.2019

Touristen in den Urwald locken


Dieser Text ist vom 01.07.2019 und könnte inhaltlich veraltet sein.

10 193 Hektar Wälder und Wiesen sind 2015 mit der Gründung des Nationalparks Hunsrück-Hochwald für die Natur reserviert worden. Durch ein Konzept für aktiven und nachhaltigen Tourismus soll das Schutzgebiet auch wirtschaftlich einen Wert für die Region erbringen. Unter Koordinierung durch das Nationalparkamt hat sich ein rasch wachsendes Partnernetzwerk von Betrieben gebildet, die bereits in dieses Ziel investieren.

Sanft rauscht es im dicht-grünen Blätterdach, Vogelrufe und ein gluckerndes Bächlein am Wegesrand sind die einzig vernehmbaren Begleiter – solche Wald-Momente gehören im Nationalpark Hunsrück-Hochwald quasi zum Basisprogramm. Denn, möglichst unberührte Natur ist das Konzept dieser strengen Schutzzone. Das sich selbst überlassene Areal soll sich zu einem Urwald entwickeln, ähnlich jenem, der vor der Besiedlung durch den Menschen Jahrzehntausende lang den Hunsrück bedeckte. Bis dieser Zustand erreicht ist, – so rechnen die Experten – werden aber noch rund 2000 Jahre vergehen.
Im Hier und Heute hat die Gründung des Nationalparks allerdings schon konkrete Auswirkungen. Die eine Seite ist die in der Region traditionell stark vertretene Holzwirtschaft. Im Vorfeld der Schutzzonen-Errichtung waren Bedenken wegen finanzieller Einbußen durch den Wegfall beforsteter Flächen und die Gefahr einer Ausbreitung von Schädlingen, wie dem Borkenkäfer, vorgetragen worden. Wie sich das Verhältnis zwischen Park und Forstwirtschaft letztlich einspielt, wird die Zukunft weisen. Im Gegenzug nutzt der Tourismus-Sektor den neuen Nationalpark – einer von insgesamt nur 16 in der Bundesrepublik Deutschland – als Werbeargument für Gäste.

Nachhaltigkeit als Trumpfkarte

Für diese touristische Vermarktung engagiert sich auch das Nationalparkamt. „Wir wollen Besucher im Nationalpark. Denn zu unseren Aufgaben gehört auch, den Menschen Natur nahe zu bringen und zu erklären“, begründet Sören Sturm, Leiter der Abteilung Umweltbildung, Naturerleben, Kommunikation. Mit einem solchen Ansatz vertrage sich aber nur ein nachhaltiger Tourismus. Der einst in der Forstwirtschaft entwickelte Begriff der Nachhaltigkeit heißt auf diesen Bereich übertragen: Die Besucher sollen sowohl bei ihrem Aufenthalt im Wald, als auch bei der Übernachtung und Verpflegung in der Region möglichst gut im Einklang mit der Natur stehen.
Der Anspruch des Nationalparkamts geht dabei weit über selbstverständliche Basisregeln – „keinen Müll in die Landschaft werfen“ oder „nicht querfeldein durch die Büsche stapfen und Wildtiere aufscheuchen“ – hinaus. Vielmehr wolle man mithelfen, dass umweltverträglicher Tourismus allerorten gelebt und zu einem Markenzeichen der Region Hunsrück-Hochwald wird. Auf diesen Überlegungen gründet sich die Partnerinitiative des Nationalparks mit Betrieben der Gastronomie, Hotellerie sowie Ferienwohnungen, Campingplätzen und Lebensmittelhandel. Die Unternehmen verpflichten sich, schrittweise Maßnahmen aus den Bereichen nachhaltiges Wirtschaften, regionale Produkte und Lieferketten, Servicequalität, Barrierefreiheit und Identifikation mit dem Nationalpark umzusetzen. Nicht alles muss auf einmal passieren, aber konkrete Schritte sollen erkennbar sein, beispielsweise entsprechende Baumaßnahmen oder der Erwerb von Öko- oder Service-Zertifikaten wie GreenKey, Tourcert oder ServiceQ. „Die Auszeichnung als Partner und das dazugehörigen Logo mit der Keltenkatze erhalten nur Betriebe, die zeigen, dass sie an dem Ziel mitarbeiten möchten“, stellt Sturm klar. Es gehe nicht um eine staatliche Werbekampagne mit größtmöglicher Breitenwirkung, sondern um das Hinwirken auf bestimmte Qualitätsstandards.

Regionale Küche und Fahrradbegeisterung

Für das Konzept haben sich die Verantwortlichen bereits in den Jahren vor der Parkgründung unter anderem mit bestehenden Regionalinitiativen, Kommunen und Tourist-Informationen abgestimmt. Wesentliche Informationen lieferte eine Umfrage unter Hotellerie- und Gastro-Betrieben. Deswegen finden sich in der Praxis zahlreiche Anknüpfungspunkte für Betriebe, die sich in das Netzwerk einbringen möchten. Für Michael Krämer gehörte beispielsweise in seinem „Hotel Restaurant zur Post“ in Kell am See die Bindung an regionale Produkte ohnehin zur Philosophie. „Wir sind Mitglied der Regionalinitiative ,Ebbes von hei‘ und arbeiten, wo immer möglich, mit Produzenten aus der Region zusammen“, erzählt Krämer. Diese Verbundenheit mit dem Saar-Hunsrück-Raum reicht auf der Speisekarte in seinem Restaurant vom Fleisch aus Höfen im Umland bis in den Getränke-Teil: „Bei uns gibt’s nur Mineralwasser aus dem Hunsrück und statt Ramazzotti bieten wir einen Kräuterbrand vom Brenner in Paschel an.“ In einem Automaten mit Kühlung hinterm Hotel, direkt entlang der Radstrecke auf dem alten Bahndamm der Ruwertalbahn, können auch Durchreisende jederzeit viele dieser regionalen Produkte kaufen.
Apropos Radstrecke: Krämer ist begeisterter Fahrradenthusiast und betreibt seit 2011 im alten Postgebäude die Hochwälder Radstation. Nicht nur seine Hotelgäste finden dort im Verleih das passende Mountainbike für ihre Ausflüge. Die Radstation in Kell am See ist außerdem offizieller Stützpunkt des deutschen Fahrradherstellers Canyon Bicycles GmbH, der solche Partnerstandorte sonst eher in den besuchsstarken Tourismus-Gegenden am Mittelmeer und auf den Kanaren angesiedelt hat. Sogar im Winter stehen in Kell die Räder nicht still: Dann wird der Raum für Indoorcycling als Fitnessangebot genutzt. „Die neuste Ergänzung ist unser Picknick-Bike. Das können Gäste bei uns ausleihen und auf Wunsch packen wir ihnen die Verpflegung schon in den Laderaum mit ein“, berichtet der Küchenmeister.
Derart aufgestellt erfüllte Krämers „Hotel Restaurant zur Post“ bereits vor Beitritt zur Nationalpark-Partnerinitiative mehrere der angestrebten Ziele. Ein weiterer Anknüpfungspunkt bot sich dann bei einem Bauvorhaben im Winter 2017. „Die Bäder in unseren Zimmern brauchten eine Runderneuerung – da herrschte noch 80er-Jahre-Optik“, erinnert sich Krämer. Die Idee entstand, bei der Renovierung das Nationalpark-Thema mit einzubinden. In den neuen Badezimmern prangen seitdem Motive wie der Keltenwall oder eine Hochmoor-Landschaft auf den Fliesen der Duschkabinen. Gäste, die dadurch neugierig geworden sind, können einen im Zimmer angebrachten QR-Code scannen und erfahren so, wo die entsprechende Landschaft zu finden ist – inklusive Routenplanung für Wanderung oder Radtour. Wie gut dies angenommen werde, habe ihn selbst ein wenig überrascht, meint Krämer: „Mittlerweile sagen mir Geschäftsreisende, die unter der Woche bei uns übernachten: Das interessiert mich, dafür komme ich nochmal privat am Wochenende her.“

Fördermöglichkeiten vermitteln

Die Bildmotive für die Bäderwände hat das Nationalparkamt zur Verfügung gestellt. Hochwertige Naturaufnahmen gibt man dort ohnehin regelmäßig in Auftrag, schließlich werden sie für Broschüren und Ausstellung im Hunsrückhaus am Erbeskopf benötigt. Dieses Haus bildet als sogenanntes Nationalpark-Tor einen der zentralen Ausgangspunkte für Ausflüge im Park. Die kürzlich neugestaltete, digital-interaktive Ausstellung gibt Besuchern erste Einblicke in die Natur. Zum Live-erleben bieten sich dann unter anderem die kostenlosen Touren mit einem der Nationalpark-Ranger an. Neben dem Hunsrückhaus fungieren die Wildenburg und der Keltenpark bei Nonnweiler als Nationalpark-Tore – weitere sind in Planung.
Die Unterstützung des Nationalparkamts für die Betriebe der Partnerinitiative erschöpfe sich aber nicht darin, dass Design-Vorlagen oder Tassen und Sonnenschirme mit dem Keltenkatzen-Logo angeboten werden, erläutert Sturm. „Wir sehen uns auch als Kontakte-Knüpfer. Unter anderem durch unsere enge Anbindung ans Landesministerium können wir sehr direkt Fördermöglichkeiten für die Unternehmen vermitteln.“ Und von solchen Förderungen wird derzeit im Hunsrück rege Gebrauch gemacht: Die Lokale Aktionsgruppe (LAG) Erbeskopf ist, mit weitem Abstand zu den übrigen in Rheinland-Pfalz, führend bei der Antragstellung und Bewilligung von Förderbescheiden, die an das Leader-Programm der EU gekoppelt sind. Rund zehn Millionen Euro Nettoinvestitionen waren es seit 2015, drei Viertel dieser Förderprojekte hatte einen Bezug zum Nationalpark.
Nicht zuletzt auf diesem Weg können die Unternehmen des Partnerprogramms direkte finanzielle Vorteile genießen. Michael Krämer hat derlei Zuschüsse genutzt, um eine Elektro-Ladestation aufzustellen – ein E-Firmenauto findet Einsatz bei Einkäufen und dem Abholen von Gästen. „Sehr wichtig finde ich aber auch den Austausch mit Kollegen bei unseren Netzwerktreffen. Darüber habe ich schon viele neue Kontakte und Ideen bekommen“, ergänzt er. Regelmäßige Fortbildungsangebote gehören ebenfalls fest zum Konzept. Trotz eines Mitgliedsbeitrags und der gegebenenfalls für Zertifikate und Umbauten erforderlichen Investitionen, verzeichnet die Partnerinitiative wachsende Nachfrage. Waren es Anfang 2018 noch 27 Mitgliedsbetriebe, so ist deren Zahl bis Mai 2019 bereits auf 47 angestiegen – 30 weitere haben sich beworben. Über die Aufnahme entscheidet anhand der vorgegebenen Kriterien ein Beirat, dem auch die Industrie- und Handelskammer Trier mit einem Vertreter angehört.

Mit Natur bei Gästen punkten
Bei den Übernachtungszahlen ist ein allgemeiner touristischer Aufschwung der Region noch nicht ohne weiteres nachzuweisen. Zwar ist die Gesamtzahl der Übernachtungen seit 2013 deutlich gestiegen. Aber das geht nicht zuletzt auf Sonderfälle wie die Eröffnung neuer, stark ausgelasteter Ferienunterkünfte am saarländischen Bostalsee zurück. In den meisten Gemeinden sind die Zahlen jüngst eher stabil bis leicht steigend. Nichtdestotrotz spielen für die Auslastung bestehender Unterkünfte die Themen Natur und Umwelt eine zunehmend wichtige Rolle, da sie für viele Gäste entscheidende Argumente für eine Reise in den Hunsrück sind.
Diese Einschätzung teilt man im Feriendorf „Landal Hochwald“. „Manche wollen vor ihrem Haus am See die Ruhe genießen. Andere sind auf Action aus und möchten spannende Radtouren machen. Und geführte Natur-Touren, wie die Fledermauswanderung, sind nicht nur bei Familien mit Kindern beliebt“, nennt Lieselotte Wegner, General Manager des Landal-Parks in Kell am See, gleich drei Gästegruppen, bei denen Natur Punkte bringt. Landal, der Parkbetreiber mit Unternehmenssitz in den Niederlanden, messe dem Thema Nachhaltigkeit daher seit Jahren einen hohen Stellenwert zu. Als Beispiele für Maßnahmen, die in der Anlage in Kell in diese Richtung umgesetzt wurden, führt Wegner an: Unkrautbekämpfung ohne Spritzmittel, nur mit heißem Wasser; Umstellung von Flüssiggas auf Erdgas mit besserer Ökobilanz; Imkerei Bienenstöcken vor Ort. Auch die Mülltrennung habe man inzwischen, gemeinsam mit einem Entsorgungspartner umgesetzt, fügt die Managerin hinzu. Was bei 214 betreuten Ferienhäusern einen nicht unerheblichen logistischen Aufwand bedeute.
Eine GreenKey-Zertifizierung hat Landal Hochwald ebenfalls. „Bei der Nationalpark-Partnerinitiative mitzumachen, erschien mir da ein nächster logischer Schritt“, meint Wegner. Als konkretes Projekt nahm man sich ein ehemaliges Personalgebäude vor. Es wurde zum „Rangerhaus“ umgebaut und lockt nun Gäste mit einem ganz auf den Nationalpark ausgerichteten Innendekor: viel Holz, Farben von Grün-Weiß bis Baumstamm-Braun und Herbstlaub-Orange sowie allerorten großformatige Fotos der Tier- und Pflanzenwelt des Nationalparks. Solcherlei Anreger für Ausflüge in den „Urwald der Zukunft“ finden Besucher aber auch schon beim Ankommen im Landal Hochwald. Gleich neben der Rezeption im Haupthaus liegt ein Fotoband zum Blättern bereit. „Der Nationalpark ist ein zunehmend beliebtes Ziel für unsere Gäste. Auch die von uns regelmäßig angebotenen, geführten Touren für Radler und Wanderer sind gefragt“, sieht Wegner einen merklich positiven Standortfaktor für ihren Betrieb.

Hunsrück als starke Marke etablieren
Die Identifikation mit einem Symbol wie dem nahegelegenen Nationalpark verleihe dem Konzept „Tourismus in unberührter Natur“ Glaubwürdigkeit, findet die Landal-Managerin. Sie hält dies für einen wichtigen Beitrag, um eine starke Hunsrück-Marke zu entwickeln. „Im Vergleich zu Regionen wie Mosel oder Eifel haben wir da noch Nachholbedarf bei der Außendarstellung.“ Initiativen der Tourismusförderung, die frei von Kirchturmdenken einzelner Gemeinden agieren, begrüßt sie daher ausdrücklich. Auch Sören Sturm setzt darauf, dass sich diese Einstellung durchsetzt: „Was auf der anderen Seite des Waldes passiert, ist auch für die touristische Entwicklung meiner Gemeinde wichtig.“
Grundsätzlich scheint er damit bei den Hunsrück-Kommunen offene Türen einzurennen. Der Nationalpark und die damit verbundenen touristischen Potentiale werden vielerorts begrüßt. „Wir haben bereits vor der Einrichtung des Nationalparks und auch seitdem intensiv in der Gemeinde diskutiert und alle Seiten beleuchtet“, sagt Andreas Hackethal, Bürgermeister von Morbach. Da die Holzwirtschaft ein wichtiger Gewerbezweig in der Gemeinde ist, seien gerade im Vorfeld auch zahlreiche Konfliktlinien aufgetaucht. Nach wie vor seien nicht alle Probleme zur Zufriedenheit aller gelöst. „Aber wir sehen auch die Chancen, die der Nationalpark uns als Gemeinde bietet, und begleiten deshalb den Prozess positiv.“ Auch in Morbach haben sind Betriebe zu Nationalpark-Partnern geworden, beispielsweise das „2THeimat Hotel & Restaurant“, das nach Umbau aus dem früheren „Hotel zum Kirchbaum“ entstanden ist.
Als besonders wertvoll bewertet Hackethal das im Zusammenhang mit den Nationalpark finanzielle Mittel des Landes in die Region fließen. „Eine touristische Investition wie die neue Ausstellung im Hunsrückhaus wäre für die Gemeinden über den Zweckverband Erbeskopf derzeit nicht zu finanzieren gewesen“, zeigt der Bürgermeister konkrete Profit-Effekte auf. Passend dazu würden er und viele seiner Bürgermeister-Kollegen sich aber auch die passende Infrastruktur für die Anreise von Gästen wünschen – insbesondere den weiteren B 50-Ausbau sehen sie noch auf der To-Do-Liste. Ebenso wird sowohl aus den Reihen der Gemeinden als auch der Nationalparkpartner Nachholbedarf beim Öffentlichen Nahverkehr angemeldet. Zwar ist eine Anreise mit Bus und Bahn zum Nationalpark theoretisch aus allen Richtungen der Hauptbesucherströme möglich: Nordrhein-Westfalen, Saarland, Nahe- und Moselregion. Konkret führen die Bahnverbindungen aber nur über Trier oder die Nahestrecke. Der Weg zur einzelnen Gäste-Unterkunft oder Ausflüge zu Zielen abseits der vergleichsweise gut angebundenen Nationalpark-Tore werden somit gerade an Wochenenden schnell zur logistischen Herausforderung der Extraklasse.

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