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01.07.2021

Werkstätten lehren fürs Leben


Dieser Text ist vom 01.07.2021 und könnte inhaltlich veraltet sein.

Wie Unternehmen von der überbetrieblichen Ausbildung profitieren können

„Die Leute gehen hier raus und haben in 99 Prozent der Fälle einen Job“, sagt Gerd Lenz stolz. Seit 23 Jahren arbeitet er als Ausbilder in der Industrie-Lehrwerkstatt (ILW) Trier und pendelt inzwischen als Geschäftsführer zwischen Werkstätten und Büro. Nicht selten stehen ehemalige Schüler mit Kaffee und Kuchen vor seiner Tür – um sich dafür zu bedanken, dass in der ILW  die Grundlage für ihr berufliches Leben gelegt wurde. „Wir haben hier viel gelernt, und es war eine tolle Zeit“, höre er dann oft. Ein schönes Lob für Lenz und sein vierköpfiges Team.
Die ILW gehört neben dem Überbetrieblichen Ausbildungszentrum (ÜAZ-Wittlich) und dem Berufsbildungszentrum (bebiz) in Bitburg zu den drei Einrichtungen in der Region Trier, die in erster Linie junge Menschen auf die Arbeit in gewerblich-technischen Berufen vorbereiten. Und das auf verschiedenen Wegen:

Grundausbildung: Industrie-, Werkzeug- und Zerspanungsmechaniker, Mechatroniker, Maschinen- und Anlagenführer können in überbetrieblichen Werkstätten in die Ausbildung starten. Hier verbringen sie die ersten Monate, zum Teil auch das gesamte erste Ausbildungsjahr, um die grundlegenden Fertigkeiten zu erlernen. Und so geht es in den Werkstätten umtriebig zu: Es wird geschweißt, gebohrt, gedreht, gefräst, gefeilt.
Hinzu kommen stellenweise, zusätzlich zum Berufsschul-Unterricht, theoretische Schulungen. In Wittlich, wo die Metall-, Kunststoff- und Elektrotechnik im Fokus sind, gehört dazu das Wissen über Materialien, rechtliche Grundlagen, Elektrizität, Brandschutz et cetera.
„Einer der Vorteil für die Betriebe ist, dass sie für die Auszubildenden im ersten Ausbildungsjahr  keinen Meister freistellen müssen“, sagt Hartmut Weber, Geschäftsführer des ÜAZ-Wittlich, das in diesem Jahr sein 50-jähriges Bestehen feiert. Schließlich herrscht in der Branche ohnehin Fachkräftemangel, und die Ressourcen müssen so effektiv wie möglich eingesetzt werden. Außerdem seien die Berufe deutlich komplexer geworden, das könne nicht jeder Betrieb in vollem Umfang abbilden. Weber: „Wir sind hier in Wittlich technisch sehr gut ausgestattet, da wir immer wieder in moderne Technologie und Digitalisierung investiert haben. So können wir die Auszubildenden auf die vielfältigen Herausforderungen im Beruf vorbereiten.“
Selbst ein duales Studium ist im ÜAZ-Wittlich möglich: Azubis können in Kooperation mit den Betrieben, dem Umweltcampus Birkenfeld der FH Trier, der BBS Wittlich und der IHK Trier die Ausbildung zum Industriemechaniker plus den Bachelor of Engineering absolvieren.
„Wir können unsere Teilnehmer sehr individuell betreuen“, sagt ILW-Geschäftsführer Gerd Lenz zu den weiteren Vorteilen. In Hochzeiten arbeiten bis zu 50 Leute in den vier Werkstätten in der Engelstraße – und jeder mache etwas anderes. „Wir gehen auf die Stärken und Schwächen des Einzelnen ein und bringen die Auszubildenden bis zur Prüfung. Und das fast ausnahmslos erfolgreich.“
Lenz beobachtet, dass die Unternehmen heute häufig mehr in ihre Azubis investieren und auch deshalb auf die Unterstützung der überbetrieblichen Lehrwerkstätten zurückgriffen. Die drei- bis zwölfmonatigen Grundlehrgänge sind in Trier flexibel organisiert. Je nachdem, wie es in die betrieblichen Abläufe passt.
Johannes Reuschen, der neue Geschäftsführer des bebiz, erklärt: „Wir bieten Geräte und Methoden, die in den Betrieben nicht immer vorhanden sind, da sie nicht so generalistisch aufgestellt sind wie wir.“ Gerade das erste Ausbildungsjahr sei sehr arbeitsintensiv, und dank des bebiz könnten sich die Betriebe auf die Spezialisierung im zweiten Ausbildungsjahr fokussieren. Auch deshalb sei die Nachfrage hier aktuell sehr hoch.

Außerbetriebliche Ausbildung: Hier absolvieren junge Menschen ihre komplette Berufsausbildung in den Einrichtungen – mit praktischen Phasen in Betrieben. Das bebiz zum Beispiel bildet in seinen acht Werkstätten Maler und Lackierer, Tischler, Verkäufer und Metallbauer aus. In der ILW ist eine Ausbildung zur Fachkraft für Metalltechnik möglich.

Prüfungsvorbereitung: Spezielle Kurse bereiten Auszubildende auf ihre Abschlussprüfung Teil 1 oder 2 vor. Hier wird unter anderem geschaut, welche Kompetenzlücken noch zu füllen sind, wie sie unter Zeitdruck arbeiten und ein gutes Fachgespräch führen können.  
Auch die Prüfungen selbst finden zum größten Teil in den Lehrwerkstätten statt. „Das ist eine große Unterstützung, ohne sie wären die Prüfungen kaum umsetzbar. Sonst müssten wir ja einen ganzen Betrieb in Beschlag nehmen, um genügend Arbeitsplätze vorhalten zu können“, sagt Christian Reuter, Leiter des IHK-Prüfungsteams. Und die Einrichtungen stellen zahlreiche Prüfer – ein wertvolles Engagement, das wiederum die Betriebe entlastet.

Berufsorientierung und -vorbereitung: Verschiedenste Projekte richten sich an Schüler und Jugendliche, die noch keinen Ausbildungsplatz gefunden haben. Ziel ist es, ihnen berufliche Möglichkeiten aufzuzeigen und erste Fertigkeiten mit auf den Weg zu geben. Auch den Hauptschulabschluss können sie hier nachträglich erwerben. Profitieren können davon unter anderem junge Menschen mit Lernbeeinträchtigungen oder Migrationshintergrund, die noch nicht berufsreif, körperlich oder sozial benachteiligt sind und jene, die eine Ausbildung abgebrochen haben. Häufig stellen die Werkstätten auch den Kontakt zu Ausbildungsbetrieben her. „Wir wollen junge Menschen fit machen für den Arbeitsmarkt, damit die Unternehmen davon profitieren können“, sagt Reuschen.

Umschulung: Wer zuvor einen anderen Beruf erlernt oder in einem Berufsfeld bereits einige Jahre Erfahrungen gesammelt hat, in diesem Bereich aber nicht mehr arbeiten kann, kommt für eine Umschulung in Frage. Alle drei Häuser bieten die Umschulung zum Industriemechaniker an. Die Fachkraft für Metalltechnik ist in Trier möglich, der Maschinen- und Anlagenführer in Bitburg und Wittlich. Das ÜAZ-Wittlich hat zudem den Mechatroniker und Elektroniker im Portfolio.  

Qualifizierung / Weiterbildung: Auch hier ist die Liste der Angebote lang. In Wittlich beinhaltet sie unter anderem den Qualitätsmanager (IHK), die Ausbildung der Ausbilder in IHK-Kooperation, berufsbegleitende Meisterkurse mit Vorkurs im Bereich Metall- und Elektrotechnik sowie Firmenschulungen, die auf die betrieblichen Bedürfnisse abgestimmt sind. Bei der ILW können Arbeitslose oder von Arbeitslosigkeit bedrohte Menschen, die für eine Qualifizierung im Metallbereich geeignet sind, eine sogenannte Berufsanschlussfähige Teilqualifikation im Berufsfeld des Industriemechanikers erwerben. Und das bebiz bietet Weiterbildungen in den Bereichen SPS-, CAD- und CNC-Technik, Pneumatik, Elektropneumatik, Hydraulik und Schweißtechnik an.

Unterschiede: Das Besondere am ILW ist die Organisation als Genossenschaft. Sie wurde 1964 vom Verband der Metall- und Elektroindustrie Rheinland-Rheinhessen e.V., der IHK Trier, dem Trierer Unternehmen AGROB und zwölf weiteren Industrieunternehmen der Region gegründet, um Jugendliche in industriellen Metallberufen auszubilden. Da sie sich in privater Trägerschaft befindet, finanziere sie sich komplett selbst, erklärt Lenz.
Sowohl das bebiz als auch das ÜAZ-Wittlich sind Zweckverbände der jeweiligen Landkreise. Ersteres betreibt an zwei Standorten, in Prüm und Bitburg, die Fachbereiche Elektrotechnik, Farb- und Raumgestaltung, Hauswirtschaft, Holztechnik, Metalltechnik sowie Wirtschaft und Verwaltung. Das ÜAZ-Wittlich ist seit 1971 einer der führenden Anbieter überbetrieblicher Aus- und Weiterbildung im gewerblich-technischen und handwerklichen Bereich. Alle drei Einrichtungen arbeiten nicht nur innerhalb ihrer Stadt- oder Kreisgrenzen, sondern auch für Unternehmen darüber hinaus.

Blick in die Zukunft: „Wir tragen einen wichtigen Teil zur Fachkräftesicherung in unserer Region bei“, fasst Weber das oberste Ziel zusammen. Dabei sieht Lenz mit etwas Sorge, dass sich die Betriebe schwertun, neue Auszubildende zu gewinnen: ein Problem, mit dem zahlreiche Branchen kämpfen. Dabei seien sowohl die Zukunftsaussichten als auch die vielfaltigen Tätigkeiten und die Gehälter in den gewerblich-technischen Berufen verlockend.  
Reuschen, der sein Amt erst vor drei Monaten angetreten ist, hat sich vor allem zwei Ziele gesetzt: „Ich möchte in die Betriebe hineinhorchen, wo sie Bedarf sehen und wo wir sie noch stärker unterstützen können. Wir wollen am Puls der Zeit sein, mit der Technik in den Betrieben mithalten, wenn nicht sogar Vorreiter sein.“
Außerdem sehe er gerade infolge der Coronapandemie das Problem, dass junge Menschen weniger gut vorbereitet auf den Ausbildungsmarkt kommen. „Hier wollen wir die Betriebe unterstützen, die schwächere Azubis einstellen, damit diese besser qualifiziert werden können.“

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