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IHK Trier


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  • 01.09.2021

    Wieviel Heimat steckt im Wein?

    Experten diskutieren beim Branchentreff der Weinwirtschaft über Pandemiefolgen und Weingesetz

  • Foto: Albrecht Ehses
    Wein & Tourismus

    Albrecht Ehses

    Tel.: 0651 9777-201
    Fax: 0651 9777-965
    ehses@trier.ihk.de


Dieser Text ist vom 01.09.2021 und könnte inhaltlich veraltet sein.
Die Coronapandemie hat tiefe Spuren im Weingeschäft hinterlassen. Darin waren sich die Teilnehmer des Branchentreffs der Weinwirtschaft einig, den der Bundesverband der Deutschen Weinkellereien e.V. zusammen mit der IHK Trier ausgerichtet hat. Vertreter aus Winzerschaft, Kellereien, Verbänden, Handel, Politik und Wissenschaft haben sich mit der „neuen Lust auf Herkunft und Region“ befasst – und mit der Frage, ob die Änderung des Weinrechts den Absatz beflügeln kann. Die Veranstaltung wurde live aus dem IHK-Tagungszentrum gestreamt.

Folgen der Pandemie
Mehr Online- und Einzelhandel, weniger Gastronomie: Die coronabedingten Einschränkungen haben den Markt durcheinandergewirbelt. „Die Absatzwege haben sich neu sortiert, und für die deutschen Weine sind dabei mehr Licht- als Schattenseiten sichtbar geworden“, stellte Dr. Dirk Richter, Vorsitzender des IHK-Weinausschusses, fest.
Wer vor allem Restaurants und Hotels beliefere, dem sei dieser Teil des Geschäfts zwar zeitweise weggebrochen. Insgesamt sei aber mehr Geld in den Weinkonsum zuhause geflossen, das sonst für Urlaub, Veranstaltungen und mehr ausgegeben worden wäre. 2020 sei der Konsum des deutschen Weins im Inland um mehr als zehn Prozent gestiegen, man habe größere Reichweiten erzielt und die Kunden hätten 15 Prozent mehr für Wein ausgegeben, sagte Richter.

Online boomt
Immer mehr Menschen erkundeten online die Weinwelt und entdeckten dabei auch neue Produkte und Winzer, erklärte Prof. Dr. Simone Loose von der Hochschule Geisenheim. Viele Kunden – vor allem auch jüngere – hätten Wein zu ihrem Hobby gemacht, sich intensiver mit dem Produkt auseinandergesetzt. „Mit Online-Angeboten können wir die Menschen schnell und weltweit erreichen“, sagte Caro Maurer, Master of Wine aus Bonn.
Allerdings verlange das den Produzenten neue Fähigkeiten ab, wandte Loose ein: bei der Online-Präsentation, -unterhaltung und -vermarktung, der digitalen Kontaktaufnahme und so weiter. „Es ist unglaublich wichtig für die Zukunft, in dieser Welt mitspielen zu können.“

Konkurrenz im Einzelhandel
Zudem wurde während der Pandemie deutlich mehr über den Lebensmitteleinzelhandel verkauft. Größere Einkäufe seien vor allem im März und April 2020 spürbar gewesen. Loose: „Wir wissen aber nicht, ob es sich dabei um neue Käufer handelt oder um jene, die sonst in der Gastronomie den Wein getrunken haben.“
Im Einzelhandel nimmt die Konkurrenz um Regalplätze daher stark zu. „Früher mussten wir nach Winzern suchen, die bei uns verkaufen, heute rennen sie uns die Türen ein“, sagte Theresia Sanktjohanser, Geschäftsführerin der Quint GmbH & Co. KG aus Kenn, zu der auch einige Edeka-Filialen in Trier gehören.
„Der Konsument hat erkannt, dass sich die Qualitäten der Weine auch im Discounter erheblich verbessert haben und das Preis-Leistungs-Verhältnis super ist“, sagte Johannes Hübinger, Präsident des Bundesverbandes der Weinkellereien. Er rechne aber damit, dass die Deutschen mit dem Restart der Urlaubsreisen wieder verstärkt ausländischen Wein trinken.
Die rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt lobte die Betriebe, die sich schnell auf neue Herausforderungen eingestellt hätten. Damit sei ein Transformationsprozess in Gang gesetzt worden.

Unsicherheiten im Export
Mit vielen Hürden hatte die Branche dagegen im Auslandsgeschäft zu kämpfen: eingeschränkte Reisemöglichkeiten, Handelsbarrieren wie die inzwischen aufgehobenen US-Zölle, die Folgen des Brexits… „Das durchschnittliche, im Export tätige Weingut hat an Absatz verloren“, sagte Loose. Gleichzeitig weiteten Nachbarländer ihre Kapazitäten aus.  Importeure berichteten allerdings von einer verstärkten Einfuhr von Premium-Weinen aus Deutschland.

Was ändert das Herkunftsprinzip?
Der zweite große Debatten-Block drehte sich um die aktuelle Änderung des deutschen Weingesetzes und der Weinverordnung. Die Bezeichnungen orientieren sich künftig stärker an der Herkunft der Weine. Ab dem Erntejahrgang 2026 gelten die neuen Vorgaben für die Angabe von Bereich, Großlage, Gemeinde und Einzellage. Die Herkunftspyramide orientiert sich dann am romanischen Vorbild: Nicht mehr der Oechsle-Grad entscheidet über die Qualitätsstufe, sondern die Lage. Je enger sie gefasst werden kann, desto höher die Anforderungen.
Das soll klarere, regionale Profile ermöglichen, die sich besser vermarkten lassen. „Wir müssen das Bild der Regionen in den Köpfen der Verbraucher schärfen“, sagte Schmitt: Identität und Unverwechselbarkeit.
Aber kann das gelingen? Viele Diskutanten sahen das kritisch. Nur sehr wenige Menschen wüssten, für welche Qualität eine Lage stehe. „Deutschland tickt anders als andere Länder, die über lange Zeit gelernt haben, Herkunft mit Geschmack zu verbinden“, sagte Loose. Das Weinwissen gehe seit Jahren zurück. Vor allem jungen Meschen seien Rebsorte und Region weniger wichtig, ergänzte Maurer. Schmitt bestätigte: „Wir müssen auch die breite Schar der Konsumenten mitnehmen, die unkomplizierte Weine suchen.“

„Elite-Weingesetz“
Richter bemängelte die fehlende Flexibilität, mit regionalen Bezeichnungen zu arbeiten. „Wir werden der Vielfalt der Betriebe damit nicht gerecht. Die Bezeichnung „Region“ sei nicht für jeden Erzeuger attraktiv.
Gerhard Brauer von der Ruppertsberger Weinkeller Hoheburg eG rechnet mit schwierigen Diskussionen. Die Großlage werde deutlich an Bedeutung verlieren. Auch das Segment in der Einzellage nehme ab.
Hübinger bezeichnete das neue Weingesetz gar als „Elite-Weingesetz“ – der Verband der Prädikatsweingüter habe sich durchgesetzt. „Wir brauchen den Blick zum Konsumenten und dem, was er will. Das gelingt hier nicht.“

Und was will der Kunde?
Laut einer Studie von 2018 ist das Wichtigste für den weinunkundigen Konsumenten laut Loose der Geschmack, also die sensorische Information; gefolgt von Preis. Mit zunehmendem Wein-Interesse steige die Bedeutung von Rebsorte und Herkunft.
Die beste Werbung für den Wein in einer Region sei der dortige Tourismus; hier kämen die Menschen mit der Wein-Heimat in Kontakt. Insgesamt funktionierten klare, eindeutige Profile am besten.

Zukunft mit Unwägbarkeiten
Bei alldem bleibt der Klimawandel aus Sicht der Diskutanten die größte Herausforderung für den Weinbau. Er erschwere eine Festlegung auf regionaltypische Rebsorten. „Deshalb dürfen wir uns hier keine Fesseln anlegen“, sagte Richter. Aus Sicht Brauers wird die Bedeutung pilzresistenter Rebsorten zunehmen.
Winzer Jürgen Hofmann (Weingüter Hofmann und Willems, Appenheim) schreibt Bio-Weinen die besten Perspektiven zu. Ohne ökologisch zertifizierte Anbauweise gehe bei Weingutsweinen in Zukunft nichts mehr. Auch Brauer sieht in „Bio“ den künftigen Standard. Regionalität alleine reiche für die Vermarktung nicht, bestätigte Sanktjohanser. Sie ersetze nicht „Bio“ mit Blick auf Nachhaltigkeit und Bio-Diversität. Die Preis-Differenz spiele aber nach wie vor eine große Rolle.

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