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01.06.2013

Camper suchen den Komfort (in) der Natur


Dieser Text ist vom 01.06.2013 und könnte inhaltlich veraltet sein.

Die Ansprüche steigen, und Aktivurlauber kommen immer mehr auf den Geschmack

Edwin van Dongen hisst die Flagge. Erst die deutsche, dann die niederländische, die belgische und am Ende die dänische. Die Zeichen auf dem Campingplatz im Traben-Trarbacher Stadtteil Rissbach stehen auf Frühling. Die Saison kann beginnen. Endlich. Schließlich hat das Jahr für die Campingplatzbetreiber wegen des langen Winters keinen guten Start hingelegt.

Wie der Sommer 2013 verlaufen wird, ist nicht nur für sie selbst entscheidend, denn die Branche hat sich zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor entwickelt. 2010 entfiel auf das gesamte Campingsegment ein Bruttoumsatz von 304,9 Millionen Euro, wie Studien des Bundeswirtschaftsministeriums und das Sparkassen-Tourismusbarometer für Rheinland-Pfalz aufzeigen. Für das Land hat die ift Freizeit- und Tourismusberatung GmbH daraus ein Gesamteinkommen von 138,4 Millionen Euro errechnet. 4 600 Jobs hängen somit von diesem Sektor ab – ganz oder teilweise, direkt oder indirekt.

Mehr als 40 Prozent der landesweiten Netto-Umsätze aus dem Campingtourismus entfallen auf die Region Trier. „Der Campingsektor ist ein wichtiger Baustein unserer Tourismuswirtschaft und wird oft in seiner Bedeutung unterschätzt", wirbt Andrea Frede, Tourismusexpertin der IHK Trier, für mehr Wertschätzung auch bei Politik und Kommunen.

Wollen die Campingplatzbetreiber die Zahlen halten, müssen sie den steigenden Ansprüchen gerecht werden. Das ist eines der Kernergebnisse einer aktuellen Studie der ift zum Campingtourismus in Rheinland-Pfalz. Demnach schlagen Camper inzwischen längst nicht mehr überall ihr Zelt auf. Schlafen unter dem Sternenhimmel? Ja. Aber mehr Komfort und Abwechslung sind erwünscht, das ist auch die Erfahrung in der Region Trier.

DIE STUDIE:
Im Auftrag des rheinland-pfälzischen Ministeriums für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung hat die ift in der „Untersuchung zum Campingtourismus in Rheinland-Pfalz“ Angebot und Nachfrage sowie die wirtschaftliche Bedeutung der Branche untersucht. Zudem galt es, die Frage zu beantworten, wie die Campingwirtschaft im Land zukunftsfähig bleiben kann.

DIE ZAHLEN IM LAND:
Von 2006 bis 2011 ist die Menge der Campingübernachtungen in Rheinland-Pfalz um sechs Prozent auf 3,9 Millionen zurückgegangen. Sie machen damit nur noch 14,7 Prozent aller Übernachtungen aus. Ursache dieser Entwicklung ist aber nicht etwa das Touristikcamping – dem ein kontinuierliches Wachstum bestätigt wird –, sondern das gesunkene Interesse am Dauercamping. Seit den 90er-Jahren sei hier die Nachfrage rückläufig. Die Übernachtungen sanken von 2006 bis 2011 um 28 Prozent auf 1,65 Millionen. Hauptgrund: Jüngere empfanden es lange als „spießig oder uncool“, wie es in der Studie heißt, und seien deshalb kaum noch bereit gewesen, frei werdende Stellplätze zu übernehmen. Inzwischen habe sich die Gruppe der Dauercamper aber dank der Bemühungen der Betriebe wieder verjüngt.

Beim touristischen Camping dagegen vermeldete das Land für diesen Zeitraum ein Plus von 21 Prozent. Mit 2,2 Millionen Übernachtungen liegt Rheinland-Pfalz hier deutschlandweit an sechster Stelle. Die Ankünfte stiegen um fünf Prozent an.

Von 2011 auf 2012 sind die Übernachtungen um 213 364 gesunken – auf 3,68 Millionen. Zudem wurden 946 506 Gästeankünfte gezählt: 39 823 weniger als im Vorjahr. Unter anderem als einen Grund benennt Anja Wendling, stellvertretende Geschäftsführerin der Rheinland-Pfalz Tourismus GmbH, die Bundesgartenschau in Koblenz. Sie hatte 2011 die Urlauberzahlen im Land in die Höhe getrieben. Und gerade Campingurlauber seien naturverbunden und mobil, so dass das Deutsche Eck mit der Buga 2011 auch ein beliebtes Ziel für die Urlauber aus den umliegenden Regionen dargestellt habe. Wie die Zahlen zeigen, haben sich die Gästeankünfte wieder auf dem Level von 2010 eingependelt.

Zudem hat sich die Erhebungsmethode geändert: Seit Januar 2012 werden bundeseinheitlich nur noch Beherbergungsbetriebe mit zehn und mehr Fremdenbetten sowie alle Campingplätze mit zehn und mehr Stellplätzen erfasst. Somit fallen Betriebe mit neun Fremdenbetten und Campingplätze mit drei bis neun Stellplätzen aus dieser Statistik heraus.

DIE ZAHLEN IN DER REGION:
804 065 Übernachtungen von Campinggästen wurden 2012 in den Landkreisen Trier-Saarburg, Vulkaneifel und dem Eifelkreis Bitburg-Prüm gezählt. Damit waren es 21 507 Übernachtungen weniger als im Vorjahr. Für die Stadt Trier und den Landkreis Bernkastel-Wittlich gibt das Statistische Landesamt keine Daten bekannt.

Zwar verbuchte der Landkreis Vulkaneifel ein kleines Plus von 324 auf 81 815 Übernachtungen, und der Eifelkreis Bitburg-Prüm legte um 21 212 auf 429 185 Übernachtungen zu – satte 5,2 Prozent. Doch Trier-Saarburg hatte ein Minus von 43 043 zu verkraften. 2011 verbrachten Urlauber noch 336 108 Nächte auf dortigen Campingplätzen, 2012 nur noch 293 065.

Bei den Gästeankünften gab es in allen drei Landkreisen ein Minus. Auch hier war die Entwicklung in Trier-Saarburg mit 70 196 (2012) im Vergleich zu 79 611 (2011) am deutlichsten. Insgesamt reisten im vorigen Jahr 163 469 Urlauber auf den Campingplätzen in den drei Kreisen an. Im Land ist die Region Mosel-Saar übrigens bei den Campern am stärksten nachgefragt, gefolgt von dem Gebiet Westerwald-Lahn und der Eifel.

DIE GÄSTE:
Vor allem Deutsche erkunden mit Zelt im Gepäck oder Wohnwagen ihre Heimat. Sie stellen 73 Prozent der Besucher auf den Campingplätzen im Land. An zweiter Stelle stehen die Niederländer (176 064), an dritter die Belgier (28 273), gefolgt von den Briten und Nordiren (13 173). Gerade bei der letzteren Gruppe sieht van Dongen großes Potenzial.

Dauercamper sind für Mosel, Eifel und Hunsrück durchaus weiterhin ein Thema. Daniel Köhler, Geschäftsführer von Prümtalcamping in Oberweis (Verbandsgemeinde Bitburg-Land), muss sogar eine Warteliste führen. „Bei uns haben selbst einige der Tourismuscamper inzwischen einen Jahresplatz gemietet.“ Wichtig sei aber, dass die Plätze keinen Zweitwohnsitzcharakter haben.

TREND 1 – DIE SAISON VERLÄNGERT SICH:
„Konzentrierte sich früher die Nachfrage auf den Zeitraum Pfingsten bis Ende August, beginnt die Campingsaison in vielen Regionen – insbesondere in Rad-, Wander- und Weinregionen – heute im März und endet häufig erst Mitte November“, heißt es in der Studie. Wer Qualität biete, könne auch in der Nebensaison punkten, sagt Köhler.

Nach der Erfahrung von Günter Becker, Betreiber des Campingplatzes Waldsee in Riol und Vorsitzender des Verbands der Campingplatzunternehmer Rheinland-Pfalz und Saarland, bleiben die meisten Urlauber fünf bis 15 Tage – „nicht mehr vier Wochen, wie früher“.

Van Dongen berichtet, „viele wollen nur einen kurzen Stopp einlegen, bleiben dann aber doch länger.“ Viele verbrächten im Herbst ihren Zweiturlaub an der Mosel. Dass viele Durchgangsreisende jetzt unterwegs im Internet nach Plätzen suchen, kommt dem gebürtigen Niederländer zupass. Er hat es geschafft, dass sein Betrieb in den Ergebnissen der Google-Suche nach den Stichworten „Mosel Camping“ an erster Stelle steht. Online sei dann einsehbar, welche Plätze noch frei sind, und sie können direkt reserviert werden.

TREND 2 – MEHR ALS „NUR“ CAMPING:
Allein das Naturerlebnis macht viele nicht mehr glücklich. Spezielle Angebotspakete, Veranstaltungen und Animation sind gefragt. So steht auf dem Prümtal Campingplatz jede Woche unter einem anderen Motto. Sogar der Weihnachtsmann hat den Urlaubern schon mitten im Sommer mit der Pferdekutsche einen Besuch abgestattet. „So bleibt man den Gästen in Erinnerung“, sagt Köhler. Und: „Wir bieten den Gästen jedes Jahr ein kleines neues Highlight.“

Ebenso zählt die Infrastruktur in der Umgebung – zum einen mit Blick auf die Freizeitaktivitäten, also Rad- und Wanderwege, Spielplätze und Badegelegenheiten. Becker beispielsweise setzt mit Wasserski, Drachenfliegen, Rodelbahn, Badestrand, Tretbootverleih und Spielgolf am Triolago vor allem auch auf Aktivurlauber.

Ebenso wichtig sind Gastronomie und Geschäfte. Die Gäste urlauben lieber dort, wo sie frische Brötchen und Wurst einkaufen und gemütlich einkehren können. Zudem kommen die Bäcker, Lebensmittelhändler und Wirte gerade auf dem Land dank den zusätzlichen Kunden besser über die Runden.

Becker würde sich deshalb wieder mehr Weinstuben an der Mosel wünschen. Denn zum einen kommen viele Gäste wegen des Weins, und zum anderen wollen und sollen sie die regionale Kultur erleben. Van Dongen bietet deshalb regelmäßig Wanderungen durch die Weinberge und die Jugendstilstadt an, um den Urlaubern die Geschichte und Identität Traben-Trarbachs näherzubringen. Auch er ist der Meinung, dass das Zusammenspiel von Campingplätzen, Winzern und Geschäften lebendiger werden müsse.

TREND 3 – MIETEN STATT KAUFEN:
Schlafen im beheizbaren Weinfass? Am Triolago ist’s möglich. Vom Zelt bis zur Luxuswohnung reichen auf dem Gelände mit Hotel, Camping, Feriendorf und -wohnungen die Übernachtungsmöglichkeiten. Und so gehören eben auch Hütten in Form von Holzfässern zum Angebot, ebenso Nomadenzelte im Jurtendorf und ein Hausboot.
Vielerorts sind verstärkt Mietzelte, Hütten und Kleinferienhäuser nachgefragt. „Die Urlauber wollen die Atmosphäre des Campingplatzes genießen, haben aber selbst keinen Wohnwagen“, erklärt Köhler – auch wegen der hohen Anschaffungskosten. Deshalb hat er Dauerplätze geopfert, um Raum zu schaffen für elf Mietmobilheime, die in ihrer Ausstattung einer Ferienwohnung ähneln.

TREND 4 – DIE QUALITÄT ZÄHLT:
Freundliches Personal ist Campern ebenso wichtig wie saubere sanitäre Anlagen. Die Qualität des Angebots sei häufig für die Gäste sogar von größerer Bedeutung als der Reiseort, wie die Studie zeigt. Und gerade dort, wo die Lage nicht touristisch exponiert sei, müsse man mit Qualität punkten, erklärt Köhler. Die ift urteilt, das Netz der Plätze im Land sei quantitativ zwar ausreichend, „unter Qualitätsgesichtspunkten sind allerdings deutliche Verbesserungen notwendig“. Von fünf möglichen Sternen erreichten die rheinland-pfälzischen Plätze in einer aktuellen ADAC-Bewertung 3,05 Sterne und lagen damit leicht unter dem Bundesdurchschnitt von 3,10. Damit fällt die Bewertung gegenüber 2010 (1,99 Sterne) deutlich besser aus. Luft nach oben gibt es aber weiterhin. Nach den Kriterien der Initiative ServiceQualität Deutschland wurden bislang in der Region Trier acht Betriebe in der Eifel, einer im Hunsrück und vier an Mosel und Saar zertifiziert. Das Zertifikat Bed+Bike tragen hier drei von 17 Campingplätzen in der Eifel (unter anderem Prümtal Camping) sowie zwei von elf Plätzen an Mosel und Saar.

Der Campingplatz Rissbach ist jüngst von der Dachmarke Mosel als Qualitätsgastgeber ausgezeichnet worden. Warum? „Weil wir flexibler und schneller sind als andere“, sagt van Dongen. „Wir haben immer das Ohr am Kunden und sind offen für Kritik.“ Darauf müsse man ständig reagieren – und investieren.

TREND 5 – ZURÜCK ZUR NATUR?
Weg von Büro und Beton, freier Himmel statt festes Dach über dem Kopf: Campen ist vor allem als Naturerlebnis nachgefragt. Becker heißt in Riol viele Geschäftsleute willkommen, die schlicht die Ruhe im Grünen suchen. Mehr noch, inzwischen heiße es sogar „back to the basics“, also zurück zu den Wurzeln, sagt van Dongen. Er möchte ein angrenzendes Grundstück für das Zelten in der ursprünglichen Natur nutzen – zwischen Bäumen und Sträuchern anstatt auf linear angelegten Plätzen. Die Ersteller der Studie berichten von diesem Trend zwar noch nicht, aber es wäre nicht das erste Mal, dass er den richtigen Riecher hat.

DAS VERBESSERUNGSPOTENZIAL:    
Die Nachfrage bestimmt das Angebot. Mehr Events und Animation, mehr Mieteinheiten und Gesundheits- sowie Wellnessangebote lautet also die Empfehlung der Studie – orientiert an den touristischen Landesthemen und der Identität der jeweiligen Region. Um den Qualitätsgedanken besser zu verankern, müsse auch die Organisation der Campingunternehmer gestärkt und neu ausgerichtet werden. „Wir müssen unsere Kräfte und Energie weiter bündeln und den Dialog weiter ausbauen, zum Beispiel über das Tourismusnetzwerk Rheinland-Pfalz (www.tourismusnetzwerk.info)“, sagt Wendling. Initiativen wie ServiceQualität Deutschland und Ecocamping könnten aus Sicht der ift helfen, die Kundenbindung zu erhöhen und sich von Mitbewerbern abzuheben.

Und: Es müssten mehr nicht camping-affine Gäste gewonnen werden, um eine zusätzliche Nachfrage zu schaffen. Das Auslandsmarketing solle sich auf die Benelux-Staaten konzentrieren, damit die Tourismusströme von dort auch langfristig nicht versiegen. Van Dongen erklärt, die Mosel müsse sich viel stärker im Ausland positionieren. „Viele glauben, die Gäste kommen von selber. Aber das ist nicht so. Wir müssen ein Komplettkonzept Mosel vermarkten. Stattdessen schlafen wir noch ein bisschen.“ Und wenn dann in Zukunft das Interesse der Briten am Moselcamping weiter wächst, hisst der Niederländer vielleicht auch den Union Jack.

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