01.01.2012
Das ESUG – eine insolvenzrechtliche Modernisierung
Dieser Text ist vom 01.01.2012 und könnte inhaltlich veraltet sein.
Neue „Sanierungskultur“ geplant - Anordnung einer Eigenverwaltung möglich
Nach eigener Einschätzung der Bundesregierung stellt die Reform des Insolvenzrechts eines ihrer wichtigsten Vorhaben im gesamten Bereich des Wirtschaftsrechts dar. Dabei soll in drei Stufen vorgegangen werden. Zunächst steht die Reform des Insolvenzrechts in Bezug auf Unternehmen im Fokus gesetzgeberischer Novellierung. In einer zweiten Stufe soll dann das Verbraucherinsolvenzrecht reformiert werden, bevor schließlich Regelungen für Konzerninsolvenzen und Insolvenzverwalter in Erwägung gezogen werden sollen.
Am 27. Oktober 2011 hat der Deutsche Bundestag das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) beschlossen. Nachdem der Bundesrat einen Monat später beschlossen hat, von einer Anrufung des Vermittlungsausschusses abzusehen, wurde das ESUG vom 07. Dezember 2011 am 13. Dezember 2011 im Bundesgesetzblatt verkündet.
Zukünftig soll das Insolvenzrecht weniger auf die Abwicklung als vielmehr auf die Sanierung von Unternehmen ausgerichtet sein. Das Gesetz will einen Mentalitätswechsel bei den Beteiligten herbeiführen und eine neue „Sanierungskultur“ etablieren. Die wichtigsten Schwerpunkte: Stärkung der Gläubigerstellung bei der Auswahl des Insolvenzverwalters, der Ausbau und die Straffung des Insolvenzplanverfahrens und die Vereinfachung des Zugangs zur Eigenverwaltung. Der vorliegende Beitrag will einen ersten Überblick über die Neuerungen bieten.
AKZENTUIERUNG DER GLÄUBIGERSTELLUNG
Bereits bisher hatten die Gläubiger die Möglichkeit, in der ersten Gläubigerversammlung einen anderen Insolvenzverwalter als den vom Gericht bestellten zu wählen. In der Praxis half dies wenig, die berechtigen Interessen der Gläubiger angemessen zu wahren, da die wesentlichen Weichenstellungen bereits im Eröffnungsverfahren erfolgen. Um diesen Missstand zu beseitigen, kann künftig schon im Eröffnungsverfahren ein vorläufiger Gläubigerausschuss zur Mitbestimmung bei der Auswahl des Insolvenzverwalters und der Anordnung der Eigenverwaltung eingesetzt werden. Vorgaben des Ausschusses hinsichtlich der Person des Verwalters sollen für den Richter unter bestimmten Voraussetzungen Bindungswirkung entfalten. In Insolvenzverfahren über Unternehmen, deren Betrieb noch nicht eingestellt ist und die eine bestimmte Größe mit einer damit verbundenen wirtschaftlichen Bedeutung aufweisen, ist das Insolvenzgericht zukünftig verpflichtet, einen vorläufigen Gläubigerausschuss einzuberufen. So hat das Insolvenzgericht nach § 22a Absatz 1 ESUG einen vorläufigen Gläubigerausschuss einzusetzen, wenn der Schuldner im vorangegangenen Geschäftsjahr mindestens zwei der drei nachstehenden Merkmale erfüllt hat:
1. mindestens 4 840 000 Euro Bilanzsumme nach Abzug eines auf der Aktivseite ausgewiesenen Fehlbetrags im Sinne des § 268 Absatz 3 HGB;
2. mindestens 9 680 000 Euro Umsatzerlöse in den zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag;
3. im Jahresdurchschnitt mindestens fünfzig Arbeitnehmer.
FÖRDERUNG DER EIGENVERWALTUNG
Ausgehend von der Grundannahme, der Schuldner werde umso eher zu einer frühzeitigeren Stellung eines Insolvenzantrages motiviert, wenn er nicht befürchten muss, schon im Eröffnungsverfahren seine Rolle als Unternehmenslenker zu verlieren, kann nunmehr eine Eigenverwaltung bereits dann angeordnet werden, wenn keine Umstände bekannt sind, die Nachteile für die Gläubiger erwarten lassen. Befürwortet der Gläubigerausschuss die Eigenverwaltung einhellig, soll das Gericht hieran gebunden sein.
DAS SCHUTZSCHIRMVERFAHREN
Künftig ist einem Schuldner bereits bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder bei Überschuldung die Möglichkeit eröffnet, innerhalb eines Zeitraumes von drei Monaten in einem „Schutzschirmverfahren“ unter Aufsicht eines vorläufigen Sachwalters und ohne Vollstreckungsmaßnahmen in Eigenverwaltung einen Sanierungsplan zu erarbeiten. Dieser kann im Anschluss als Insolvenzplan umgesetzt werden. Auf Antrag des Schuldners sind Maßnahmen der Zwangsvollstreckung zu untersagen oder einstweilen einzustellen. Das Gericht darf während des „Schutzschirmverfahrens“ keinen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen und dem Schuldner auch die Verfügungsbefugnis über sein Vermögen nicht entziehen.
AUSBAU DES INSOLVENZPLANVERFAHRENS
Das ESUG sieht vor, die Eingriffsmöglichkeiten des Insolvenzplanverfahrens auszuweiten und Verfahrenshindernisse auf dem Weg zu einer erfolgreichen Umsetzung eines Insolvenzplans zu beseitigen. Künftig wir das Insolvenzplanverfahren von einem Rechtspfleger auf einen Richter verlagert und damit die stärkere Bedeutung dieses Verfahrens deutlich gemacht. Durch eine angemessene Beschränkung der Rechtsmittel gegen die Planbestätigung soll erreicht werden, dass das Wirksamwerden des Plans nicht mehr durch missbräuchliches Verhalten einzelner Gläubiger verhindert werden kann. Künftig soll im Plan jede gesellschaftsrechtlich zulässige Maßnahme beschlossen werden können. Dies führt zu einer Abkehr von der bisherigen strikten Trennung zwischen Insolvenz- und Gesellschaftsrecht. Als Sanierungsinstrument ist künftig auch die Umwandlung von Gläubigerforderungen in Gesellschaftsanteile möglich („debt-equity-swap“). Da hierdurch die Widerstände von Altgesellschaftern überwunden werden können, verbessern sich die Chancen auf eine erfolgreiche Unternehmenssanierung.
SCHUTZ BEI VOLLSTRECKUNGSVERSUCHEN
Bisher bestand oft die Gefahr, dass im Insolvenzverfahren nicht angemeldete, erst nach Abschluss des Planverfahrens geltend gemachte Forderungen die Finanzplanung nachträglich störten. Dies soll in Zukunft dadurch verhindert werden, dass dem Schuldner die Möglichkeit eröffnet wird, bei Vollstreckungsmaßnahmen nach der Verfahrensaufhebung Vollstreckungsschutz durch das Insolvenzgericht zu erlangen, wenn die geltend gemachte Forderung die Durchführung des Insolvenzplans gefährden sollte. In diesem Zusammenhang ebenfalls bedeutsam ist die Verkürzung der Verjährungsfristen für verspätete Forderungen: Nicht zum Abstimmungstermin angemeldete Ansprüche, mit denen aus diesem Grunde nicht gerechnet werden konnte, unterliegen zukünftig einer Verjährungsfrist von einem Jahr.
ÄNDERUNG DER GRUNDLAGEN FÜR DIE INSOLVENZSTATISTIK
Die bisher recht rudimentär geregelte Insolvenzstatistik soll detaillierter ausgestaltet sein. Auf diese Weise sollen zukünftig belastbare Angaben über den Ausgang und die finanziellen Ergebnisse von Insolvenzverfahren zur Verfügung gestellt werden. Das hierfür vorgesehene Insolvenzstatistikgesetz soll am 01. Januar.2013 in Kraft treten.
Am 27. Oktober 2011 hat der Deutsche Bundestag das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) beschlossen. Nachdem der Bundesrat einen Monat später beschlossen hat, von einer Anrufung des Vermittlungsausschusses abzusehen, wurde das ESUG vom 07. Dezember 2011 am 13. Dezember 2011 im Bundesgesetzblatt verkündet.
Zukünftig soll das Insolvenzrecht weniger auf die Abwicklung als vielmehr auf die Sanierung von Unternehmen ausgerichtet sein. Das Gesetz will einen Mentalitätswechsel bei den Beteiligten herbeiführen und eine neue „Sanierungskultur“ etablieren. Die wichtigsten Schwerpunkte: Stärkung der Gläubigerstellung bei der Auswahl des Insolvenzverwalters, der Ausbau und die Straffung des Insolvenzplanverfahrens und die Vereinfachung des Zugangs zur Eigenverwaltung. Der vorliegende Beitrag will einen ersten Überblick über die Neuerungen bieten.
AKZENTUIERUNG DER GLÄUBIGERSTELLUNG
Bereits bisher hatten die Gläubiger die Möglichkeit, in der ersten Gläubigerversammlung einen anderen Insolvenzverwalter als den vom Gericht bestellten zu wählen. In der Praxis half dies wenig, die berechtigen Interessen der Gläubiger angemessen zu wahren, da die wesentlichen Weichenstellungen bereits im Eröffnungsverfahren erfolgen. Um diesen Missstand zu beseitigen, kann künftig schon im Eröffnungsverfahren ein vorläufiger Gläubigerausschuss zur Mitbestimmung bei der Auswahl des Insolvenzverwalters und der Anordnung der Eigenverwaltung eingesetzt werden. Vorgaben des Ausschusses hinsichtlich der Person des Verwalters sollen für den Richter unter bestimmten Voraussetzungen Bindungswirkung entfalten. In Insolvenzverfahren über Unternehmen, deren Betrieb noch nicht eingestellt ist und die eine bestimmte Größe mit einer damit verbundenen wirtschaftlichen Bedeutung aufweisen, ist das Insolvenzgericht zukünftig verpflichtet, einen vorläufigen Gläubigerausschuss einzuberufen. So hat das Insolvenzgericht nach § 22a Absatz 1 ESUG einen vorläufigen Gläubigerausschuss einzusetzen, wenn der Schuldner im vorangegangenen Geschäftsjahr mindestens zwei der drei nachstehenden Merkmale erfüllt hat:
1. mindestens 4 840 000 Euro Bilanzsumme nach Abzug eines auf der Aktivseite ausgewiesenen Fehlbetrags im Sinne des § 268 Absatz 3 HGB;
2. mindestens 9 680 000 Euro Umsatzerlöse in den zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag;
3. im Jahresdurchschnitt mindestens fünfzig Arbeitnehmer.
FÖRDERUNG DER EIGENVERWALTUNG
Ausgehend von der Grundannahme, der Schuldner werde umso eher zu einer frühzeitigeren Stellung eines Insolvenzantrages motiviert, wenn er nicht befürchten muss, schon im Eröffnungsverfahren seine Rolle als Unternehmenslenker zu verlieren, kann nunmehr eine Eigenverwaltung bereits dann angeordnet werden, wenn keine Umstände bekannt sind, die Nachteile für die Gläubiger erwarten lassen. Befürwortet der Gläubigerausschuss die Eigenverwaltung einhellig, soll das Gericht hieran gebunden sein.
DAS SCHUTZSCHIRMVERFAHREN
Künftig ist einem Schuldner bereits bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder bei Überschuldung die Möglichkeit eröffnet, innerhalb eines Zeitraumes von drei Monaten in einem „Schutzschirmverfahren“ unter Aufsicht eines vorläufigen Sachwalters und ohne Vollstreckungsmaßnahmen in Eigenverwaltung einen Sanierungsplan zu erarbeiten. Dieser kann im Anschluss als Insolvenzplan umgesetzt werden. Auf Antrag des Schuldners sind Maßnahmen der Zwangsvollstreckung zu untersagen oder einstweilen einzustellen. Das Gericht darf während des „Schutzschirmverfahrens“ keinen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen und dem Schuldner auch die Verfügungsbefugnis über sein Vermögen nicht entziehen.
AUSBAU DES INSOLVENZPLANVERFAHRENS
Das ESUG sieht vor, die Eingriffsmöglichkeiten des Insolvenzplanverfahrens auszuweiten und Verfahrenshindernisse auf dem Weg zu einer erfolgreichen Umsetzung eines Insolvenzplans zu beseitigen. Künftig wir das Insolvenzplanverfahren von einem Rechtspfleger auf einen Richter verlagert und damit die stärkere Bedeutung dieses Verfahrens deutlich gemacht. Durch eine angemessene Beschränkung der Rechtsmittel gegen die Planbestätigung soll erreicht werden, dass das Wirksamwerden des Plans nicht mehr durch missbräuchliches Verhalten einzelner Gläubiger verhindert werden kann. Künftig soll im Plan jede gesellschaftsrechtlich zulässige Maßnahme beschlossen werden können. Dies führt zu einer Abkehr von der bisherigen strikten Trennung zwischen Insolvenz- und Gesellschaftsrecht. Als Sanierungsinstrument ist künftig auch die Umwandlung von Gläubigerforderungen in Gesellschaftsanteile möglich („debt-equity-swap“). Da hierdurch die Widerstände von Altgesellschaftern überwunden werden können, verbessern sich die Chancen auf eine erfolgreiche Unternehmenssanierung.
SCHUTZ BEI VOLLSTRECKUNGSVERSUCHEN
Bisher bestand oft die Gefahr, dass im Insolvenzverfahren nicht angemeldete, erst nach Abschluss des Planverfahrens geltend gemachte Forderungen die Finanzplanung nachträglich störten. Dies soll in Zukunft dadurch verhindert werden, dass dem Schuldner die Möglichkeit eröffnet wird, bei Vollstreckungsmaßnahmen nach der Verfahrensaufhebung Vollstreckungsschutz durch das Insolvenzgericht zu erlangen, wenn die geltend gemachte Forderung die Durchführung des Insolvenzplans gefährden sollte. In diesem Zusammenhang ebenfalls bedeutsam ist die Verkürzung der Verjährungsfristen für verspätete Forderungen: Nicht zum Abstimmungstermin angemeldete Ansprüche, mit denen aus diesem Grunde nicht gerechnet werden konnte, unterliegen zukünftig einer Verjährungsfrist von einem Jahr.
ÄNDERUNG DER GRUNDLAGEN FÜR DIE INSOLVENZSTATISTIK
Die bisher recht rudimentär geregelte Insolvenzstatistik soll detaillierter ausgestaltet sein. Auf diese Weise sollen zukünftig belastbare Angaben über den Ausgang und die finanziellen Ergebnisse von Insolvenzverfahren zur Verfügung gestellt werden. Das hierfür vorgesehene Insolvenzstatistikgesetz soll am 01. Januar.2013 in Kraft treten.