01.05.2005
Das „Silver Age“ klopft an
Dieser Text ist vom 01.05.2005 und könnte inhaltlich veraltet sein.
Die Kundengruppe ab 50 Jahren und älter rückt in den Mittelpunkt der Märkte
Die demografische Entwicklung bedingt den Abschied vom „
Jugendwahn“: Bis zum Jahr 2030 wächst der Anteil der über
60-Jährigen um ein Drittel auf 24 Millionen bei gleichzeitig
rückläufiger Geburtenrate. Werbung und Marketing in etlichen
Branchen stellen sich unter dem Motto 50 plus allmählich auf
dieses „silver age“ ein. Auch in der Region Trier wird die
künftig stärkste Kundengruppe zunehmend beachtet.
Bislang galten die Jungen als attraktivste und zahlungsfreudigste Konsumentengruppe, die Werbung etwa im Fernsehen orientiert sich überwiegend an den Bedürfnissen der Menschen unter 49 Jahren. Faltenfreies Feeling ist ein Muss für Spots, die Reklame machen für neue Klingeltöne aufs Handy oder die coolsten Computer-Games. Alles Dinge, die erwachsenere Gemüter eher wenig hinter ihrem Ofen hervorlocken können. Für Ältere, die Zahnspangen und bauchfreie T-Shirts nicht mehr unmittelbar bevorzugen, halten vor allem die öffentlich-rechtlichen Sender adrette filmische Informationen parat über Einlagen gegen Inkontinenz oder über Mittel gegen Gelenkrheumatismus. Das gängige Bild vermittelt, dass Menschen entweder hoffnungslos dem Siechtum preisgegeben sind oder aber permanent von Rap-Rhythmen geschüttelt durchs Leben skaten.
Doch die meisten der Menschen von 50 Jahren und älter, die in ihrer Gesamtheit eine halbe Billion € Geldvermögen besitzen und schon jetzt durchschnittlich mehr als die Hälfte der Kaufkraft in Deutschland stellen, haben über alle Branchen verteilt genauer umrissene Vorlieben. Die Botschaft des „silver age“ kommt in der Wirtschaft mittlerweile an und bedeutet in Zeiten, in denen Pop-Ikonen wie Tina Turner oder Rod Stewart munteren Schrittes auf die siebzig zutänzeln und noch immer fröhlich „Do ya think I’m sexy!“ ins Mikrofon krähen
BRAUNE HAUT UND STARKE KNOCHEN
In der Region Trier ist der Hang zu Wellness und Gesundheit unübersehbar. In Trier, Schweich, Föhren, Kelberg oder Speicher sind in den letzten Jahren entsprechende Zentren entstanden. Allein schon deren Existenz belegt den Trend, dass Konsum- und Servicebereiche, die der Kontinuität eines jugendlichen körperlichen Wohlbefindens dienen, Hochkonjunktur haben. Dabei wird die Frage des Alters nicht mehr verschämt verschwiegen: „Für das neue Sonnenstudio werben wir nicht mehr nur mit der Attraktivität gebräunter Haut, sondern mit dem medizinischen Nutzen, dass die UV-Strahlen dem Körper die Verarbeitung des Vitamins D gestatten und somit der im Alter häufigen Osteoporose vorbeugen“, schildert Wolfgang Elsen, Inhaber des Gesundheitszentrums in Speicher, den veränderten Blickwinkel. Ein Fitness-Studio entsteht dort als Teil des Angebotes. Längst ziehen die einst als „Muckibuden“ geschmähten Fitness-Center nicht nur junge Leute mit dem mühseligen Begehren von Waschbrettbauch und Bikinifigur an, sondern auch ältere Semester mit dem Wunsch nach Bewahrung der Beweglichkeit. So erklärt sich etwa das Werbe-Engagement von Kieser Training aus Trier. Das Institut annonciert zum Beispiel in der Broschüre „Generationen im Gespräch – Der Trierer Wegweiser für Senioren, ihre Angehörigen und Nachbarn“ und nahm im August 2004 im IHK-Gebäude teil an der „Fachmesse der Goldenen Jahre – Informationsmarkt für die Generation 50-Plus“. Nicht nur die klassischen Branchen wie Bestattungsunternehmen, Notare und Vermögensberater, Reformhäuser, Treppenlifthersteller, Pflegeheime, Apotheken oder ambulante Dienste, die sich an hilfsbedürftige Senioren wenden, haben also ältere Menschen für sich entdeckt. „Wir haben bemerkt, dass unsere Kunden sowieso in der Regel über 40 Jahre und älter sind“, erklärt Stefan Klimasch von Kieser Training die Beweggründe. „Training ist eigentlich nichts anderes als Hygiene für den Körper, und der übliche Muskulaturschwund im Alter ist die Ursache für viele gesundheitliche Probleme. Dem kann man bei uns unter Anleitung von physiologisch geschulten Fachkräften vorbeugen, ohne großartige Ablenkung durch Musikberieselung und ohne den Druck von Schönheitsidealen.“ Eine solche Konzentration auf das Wesentliche, so die Erfahrung des Trainers, komme den Wünschen der Gruppe „50 plus“ entgegen.
ANDERE SERVICEQUALITÄTEN SIND GEFRAGT
Die Kundenorientierung in Richtung der Älteren ist nicht nur eine Frage besonders auf deren Bedürfnisse eingestellter Produkte, sondern wirkt sich bei unverändertem Angebot der Erzeugnisse jedoch in veränderten Anforderungen an die Servicekompetenz der Unternehmen aus. Das ist auch die Erfahrung von Autohändler Matthias Tix aus Bitburg: Wir machen allerdings die Erfahrung, dass die Verkaufsgespräche auf einem anderen Niveau stattfinden als die mit jüngeren Kunden. Sehr junge und dynamische Verkäufer würden bei dieser Generation zumeist nicht so gut ankommen, also stellen wir uns mit unserem Personal auf ihre Gesprächskultur ein.“ Die sei persönlicher und zeitintensiver.
Die eher auf Behaglichkeit ausgerichteten Bedürfnisse der „ silver ager“ sind besonders von Belang für die rheinland-pfälzische Wachstumsbranche Fremdenverkehr. „Eine Marktforschungsstudie hat ergeben, dass unsere Gäste überwiegend 45 Jahre und älter sind“, bestätigt Achim Schloemer, Geschäftsführer der Rheinland-Pfalz Tourismus GmbH. Die Klassiker des Landes wie Wein, historische Städte und Burgen, Wandern und Radfahren sind beliebte Freizeitattraktionen für die Generation, die aufwändige Fernreisen mit Flirten beim Beach-Volleyball und nächtlicher Non-stop-Party oder sportliche Extrem-Abenteuer an alpinen Felswänden zu anstrengend empfindet. „Besondere Offerten sind aber nur notwendig, wenn es um Senioren etwa ab 70 Jahren geht, die einer Betreuung bedürfen.“ Für die gibt es den so genannten barrierefreien Tourismus, wie Leo Hammes von der Sport&Tourismus GmbH mit Sitz in Prüm eine Sparte erläutert, die durchaus eine respektable Wertschöpfung in der Region lasse.
Barrierefrei heißt nicht nur die Anpassung an die eingeschränkte Mobilität von jüngeren Behinderten, sondern ebenso an die gehbehinderter älterer Menschen. „Für die ist die leichte Zugänglichkeit zu den touristischen Zielen Ausschlag gebend, zudem suchen sie – da sie oft allein stehend sind – Kontakt zu Gleichgesinnten und auch zu Jüngeren“, schildert Hammes die Zielrichtung. Tagestourismus in Form von Gruppenreisen per Bus sei hier gefragt, ausdrücklich jedoch keine „Kaffeefahrten“. Mit einem Modellprojekt Reisen und mit der Ausweitung der grenzüberschreitenden EureCard, welche in Ostbelgien, Luxemburg und den Kreisen Daun und Bitburg-Prüm schon konkrete Erleichterungen für Menschen mit Behindertenausweis bietet, auf die Stadt Trier und den Kreis Trier-Saarburg wollen die Touristiker bei Hoteliers, Gastronomen und Gewerbetreibenden im Jahr 2005 gezielt die Sensibilität für die zumeist ältere und beeinträchtigte Kundengruppe erhöhen.
DER WUNSCH NACH WOHLBEFINDEN WIRD WICHTIGER
Nicht um Beeinträchtigungen, sondern im Gegenteil um die Verbindung von Genuss und Gesundheit vor allem für Frauen zwischen 45 und 60 Jahren geht es bei Wellness-Angeboten, wie sie das Landhaus Schiffmann offeriert. Jens Schiffmann hat sein Hotel in Mülheim/Mosel zu einem der größten und bekanntesten Komfort-Fastenhäuser in Deutschland gemacht. „Mit Fasten als Krankheitsprävention, Sauerstofftherapie, Darmsanierung und ayurvedischer Massage wenden wir uns gezielt an Gäste, die in ihrem Zweit- oder Dritturlaub echte und nachhaltige Erholung suchen“, beschreibt er die Ausrichtung. Auch das Thema Schönheit ist für die meist reiferen Damen, die das Hotel frequentieren, in ihrem Aufenthalt an der Mosel präsent, aber nicht als herkömmliche „Beauty“ mit auffälligen künstlichen Fingernägeln oder „permanent Make-up“. „Das würde nicht zu unserem Stil passen“ , meint Schiffmann. Die Werbung für sein Landhaus findet sich daher auch nicht in den üblichen Frauenzeitschriften, sondern der Zielgruppe entsprechend in Publikationen, die mit Gesundheitsorientierung etwa in Reformhäusern vertrieben werden.
Zum Wohlbefinden gehört nicht nur die eigene körperliche Gesundheit, sondern auch das Thema Kommunikation und aktives Eingebundensein in die Gesellschaft. Mehr als die Hälfte aller Nutzer von Internet und E-Mails sind über 50 Jahre alt. „Das spiegelt sich auch stark in unserer Kundenstruktur wider“, berichtet Karl Biegel vom PC-Spezialist in Trier, „diese Klientel nimmt eindeutig zu.“ Viele fänden im Rentenalter endlich die Zeit und Ruhe, ihren PC für ihre Hobbys zu nutzen und nicht nur als reines Arbeitsgerät – von der digitalen Fotografie über die Erstellung von Videoclips am PC bis hin zum Flugsimulator. „Wer jetzt pensioniert wird, hat zumeist im Beruf schon jahrelange Computererfahrung. Die Menschen sind lernbereit und trainiert, lebenslang zu lernen.“ Internetauktionen und andere Plattformen böten gerade Senioren mehr Freiheiten, ihre Bedürfnisse bei Konsum und Kommunikation zu erfüllen. „Man muss unterscheiden zwischen ‚jungen Alten’ und ‚alten Alten’“, betont Biegel. Die Kunden ab 50 aufwärts wüssten zumeist sehr genau, was in Sachen Computer sie wollen und brauchen, und sie forderten individuelle Beratung an. „Ältere Herrschaften, die einfach nur irgendwas haben wollen, damit ihre Enkel bei ihnen am PC spielen können, gibt es kaum.“
FLIESSENDE ÜBERGÄNGE INS ALTER
Die Beobachtung, dass die Übergänge vom aktiven Berufsleben hinein in eine ruhigere Altersphase sehr fließend sind und die Bezeichnung „50 plus“ für eine eigenständige Kundenzielgruppe in der Realität nicht so scharf gezogen werden kann, machen auch viele andere Branchen. Das Nachdenken darüber, was im Alter vermutlich gebraucht wird, setzt bei Verbrauchern frühzeitig ein und bestimmt schon bei Jüngeren langfristige Kaufentscheidungen. Vor allem in Bezug auf Vermögenswerte wie Immobilien wirkt sich diese Perspektive auf das Verhalten von Kunden aus, die deutlich unter 50 Jahren sind. „Wir verzeichnen eine langsam steigende Nachfrage an altersgerechten Lösungen und erwarten, dass sich dieser Trend noch verstärkt“, berichtet Marco Schilz von der fabri GmbH aus Trier, der sich als so genanntes Facility Management auf Renovierungen und Sanierungen von Wohneigentum spezialisiert hat. „Ältere Menschen haben meist eigene Erfahrungen mit der Notwendigkeit, wie flexibel eine Wohnung oder ein Haus gebaut sein muss, um den Veränderungen im Leben gerecht zu werden.“ Die Experten von fabri empfehlen schon bei der Planung von Neubauten, dass in punkto Wohnraumeinteilung, Treppen, Türbreiten oder Bad- und Sanitäreinrichtungen mögliche Behinderungen der Bewohner berücksichtigt werden. Auch vorhandene Bausubstanz werde zunehmend seniorengerecht umgestaltet.
Die ganze Diskussion um die Zielgruppe der über 50-Jährigen müsse differenzierter gesehen werden als es derzeit meist der Fall ist – dies betont Bernd Neisen, geschäftsführender Gesellschafter und Marketingexperte bei Dietz & Partner. Bei einzelnen Branchen wie etwa im Möbelsektor kann man bestimmte Trends ausmachen, die Ältere setzen, so zum Beispiel deren Vorliebe für langlebiges Interieur jenseits schneller Moden. Aber generell gilt, dass die Bedürfnisse einer Zielgruppe längst nicht nur von deren Alter definiert werden.“ Ebenso Ausschlag gebend für den Erfolg eines Produktes oder einer Dienstleistung bei einer bestimmten Bevölkerungsgruppe seien das Einkommen, die Bildung, der Wohnort und die Sozialisation, die sich etwa in konservativen oder liberalen Lebenseinstellungen ausdrückt. „ Reden wir über einen 50-jährigen Architekten oder über einen 50-jährigen Fließbandarbeiter? 50 plus ist eine fiktive Grenze“, resümiert Neisen. Es gehe darum, immer wieder neue Kundengruppen anzusprechen, um ein Produkt oder eine Dienstleistung dauerhaft am Markt lebendig zu halten. „Zum Beispiel Reformhäuser oder Hersteller von Mundhygiene, deren Kunden traditionell älter sind, bemühen sich im Gegenzug verstärkt darum, jüngere Menschen für sich zu gewinnen. Denn woher sollen in späteren Jahren die Kunden kommen, wenn die jetzigen nicht mehr aktiv sein können?“ Die künftigen Märkte müssen immer, so sein Appell an die Unternehmen, vorausschauend und im Hinblick auf diejenigen erschlossen werden, die dann überhaupt Kunden sein können. Eine Marke sei unter anderem deshalb bei den Älteren besonders erfolgreich, weil die angegrauten Konsumenten sie schon aus ihrer eigenen Jugend oder Kindheit als positives Signal kennen, „das ist oftmals eine Wellenbewegung“.
Angelika Koch
Worauf Senioren beim Einkauf Wert legen
Die BBE Unternehmensberatung in Köln entwickelte einen Praxisleitfaden, wie Unternehmer vom Seniorenmarkt profitieren. Folgende Kriterien sollten Unternehmer berücksichtigen, um Senioren als Zielgruppe zu erreichen:
• Persönliche Kontakte
Senioren schätzen Nähe und ein persönliches Ambiente – als Garanten für Service, Aufmerksamkeit und Orientierung. Da für Senioren beim Einkauf die soziale Komponente sehr wichtig ist, bevorzugen sie bekannte Läden, vertraute Gesichter und zeigen eine hohe Geschäftsstättentreue.
• Qualität
Besonders bei langlebigen Gebrauchsgütern ist das Qualitätsbewusstsein bei Senioren stark ausgeprägt. Sie achten auf Solidität, Funktionalität, Glaubwürdigkeit und Langlebigkeit der Produkte.
• Preis spielt geringere Rolle
Senioren haben gelernt, dass Qualität ihren Preis hat. Auf Grund ihrer langjährigen Kauferfahrung fühlen sie sich kompetent in Sachen Einkauf und greifen für qualitativ hochwertige Ware auch gern tiefer in die Tasche.
• Traditionsmarken
Senioren verbinden mit klassischen Marken Werte wie gute Qualität und großes Vertrauen und werden deshalb hoch geschätzt. Das Image einer Marke zählt für sie wenig, dafür die hervorragenden Produkteigenschaften umso mehr.
• Nutzenvorteile
Sind Senioren mit bekannten Produkten und Marken nicht mehr zufrieden, werden bessere Produkte und neue Marken gesucht. Werden innovative Produkte für besser als die herkömmlichen empfunden, werden sie bereitwillig gekauft.
• Kleine Packungsgrößen
Ältere Menschen leben häufig allein und können daher mit großen Packungen, wie beispielsweise mit der Zehn-Kilo-Trommel Waschpulver, wenig anfangen.
• Benutzerfreundliche Verpackungen
Ältere Menschen wünschen sich Verpackungen die leicht zu öffnen sind, dass die Hinweise auf den Verpackungen nicht nur die Menge des Inhalts angeben, sondern auch Sicherheitsvorschriften, Entsorgungshinweise oder Informationen über den Hersteller enthalten. Die Angaben sollten gut lesbar hinsichtlich Schriftgröße und Kontrast sowie in deutscher Sprache gedruckt sein.
info: www.bbeberatung.com
Bislang galten die Jungen als attraktivste und zahlungsfreudigste Konsumentengruppe, die Werbung etwa im Fernsehen orientiert sich überwiegend an den Bedürfnissen der Menschen unter 49 Jahren. Faltenfreies Feeling ist ein Muss für Spots, die Reklame machen für neue Klingeltöne aufs Handy oder die coolsten Computer-Games. Alles Dinge, die erwachsenere Gemüter eher wenig hinter ihrem Ofen hervorlocken können. Für Ältere, die Zahnspangen und bauchfreie T-Shirts nicht mehr unmittelbar bevorzugen, halten vor allem die öffentlich-rechtlichen Sender adrette filmische Informationen parat über Einlagen gegen Inkontinenz oder über Mittel gegen Gelenkrheumatismus. Das gängige Bild vermittelt, dass Menschen entweder hoffnungslos dem Siechtum preisgegeben sind oder aber permanent von Rap-Rhythmen geschüttelt durchs Leben skaten.
Doch die meisten der Menschen von 50 Jahren und älter, die in ihrer Gesamtheit eine halbe Billion € Geldvermögen besitzen und schon jetzt durchschnittlich mehr als die Hälfte der Kaufkraft in Deutschland stellen, haben über alle Branchen verteilt genauer umrissene Vorlieben. Die Botschaft des „silver age“ kommt in der Wirtschaft mittlerweile an und bedeutet in Zeiten, in denen Pop-Ikonen wie Tina Turner oder Rod Stewart munteren Schrittes auf die siebzig zutänzeln und noch immer fröhlich „Do ya think I’m sexy!“ ins Mikrofon krähen
BRAUNE HAUT UND STARKE KNOCHEN
In der Region Trier ist der Hang zu Wellness und Gesundheit unübersehbar. In Trier, Schweich, Föhren, Kelberg oder Speicher sind in den letzten Jahren entsprechende Zentren entstanden. Allein schon deren Existenz belegt den Trend, dass Konsum- und Servicebereiche, die der Kontinuität eines jugendlichen körperlichen Wohlbefindens dienen, Hochkonjunktur haben. Dabei wird die Frage des Alters nicht mehr verschämt verschwiegen: „Für das neue Sonnenstudio werben wir nicht mehr nur mit der Attraktivität gebräunter Haut, sondern mit dem medizinischen Nutzen, dass die UV-Strahlen dem Körper die Verarbeitung des Vitamins D gestatten und somit der im Alter häufigen Osteoporose vorbeugen“, schildert Wolfgang Elsen, Inhaber des Gesundheitszentrums in Speicher, den veränderten Blickwinkel. Ein Fitness-Studio entsteht dort als Teil des Angebotes. Längst ziehen die einst als „Muckibuden“ geschmähten Fitness-Center nicht nur junge Leute mit dem mühseligen Begehren von Waschbrettbauch und Bikinifigur an, sondern auch ältere Semester mit dem Wunsch nach Bewahrung der Beweglichkeit. So erklärt sich etwa das Werbe-Engagement von Kieser Training aus Trier. Das Institut annonciert zum Beispiel in der Broschüre „Generationen im Gespräch – Der Trierer Wegweiser für Senioren, ihre Angehörigen und Nachbarn“ und nahm im August 2004 im IHK-Gebäude teil an der „Fachmesse der Goldenen Jahre – Informationsmarkt für die Generation 50-Plus“. Nicht nur die klassischen Branchen wie Bestattungsunternehmen, Notare und Vermögensberater, Reformhäuser, Treppenlifthersteller, Pflegeheime, Apotheken oder ambulante Dienste, die sich an hilfsbedürftige Senioren wenden, haben also ältere Menschen für sich entdeckt. „Wir haben bemerkt, dass unsere Kunden sowieso in der Regel über 40 Jahre und älter sind“, erklärt Stefan Klimasch von Kieser Training die Beweggründe. „Training ist eigentlich nichts anderes als Hygiene für den Körper, und der übliche Muskulaturschwund im Alter ist die Ursache für viele gesundheitliche Probleme. Dem kann man bei uns unter Anleitung von physiologisch geschulten Fachkräften vorbeugen, ohne großartige Ablenkung durch Musikberieselung und ohne den Druck von Schönheitsidealen.“ Eine solche Konzentration auf das Wesentliche, so die Erfahrung des Trainers, komme den Wünschen der Gruppe „50 plus“ entgegen.
ANDERE SERVICEQUALITÄTEN SIND GEFRAGT
Die Kundenorientierung in Richtung der Älteren ist nicht nur eine Frage besonders auf deren Bedürfnisse eingestellter Produkte, sondern wirkt sich bei unverändertem Angebot der Erzeugnisse jedoch in veränderten Anforderungen an die Servicekompetenz der Unternehmen aus. Das ist auch die Erfahrung von Autohändler Matthias Tix aus Bitburg: Wir machen allerdings die Erfahrung, dass die Verkaufsgespräche auf einem anderen Niveau stattfinden als die mit jüngeren Kunden. Sehr junge und dynamische Verkäufer würden bei dieser Generation zumeist nicht so gut ankommen, also stellen wir uns mit unserem Personal auf ihre Gesprächskultur ein.“ Die sei persönlicher und zeitintensiver.
Die eher auf Behaglichkeit ausgerichteten Bedürfnisse der „ silver ager“ sind besonders von Belang für die rheinland-pfälzische Wachstumsbranche Fremdenverkehr. „Eine Marktforschungsstudie hat ergeben, dass unsere Gäste überwiegend 45 Jahre und älter sind“, bestätigt Achim Schloemer, Geschäftsführer der Rheinland-Pfalz Tourismus GmbH. Die Klassiker des Landes wie Wein, historische Städte und Burgen, Wandern und Radfahren sind beliebte Freizeitattraktionen für die Generation, die aufwändige Fernreisen mit Flirten beim Beach-Volleyball und nächtlicher Non-stop-Party oder sportliche Extrem-Abenteuer an alpinen Felswänden zu anstrengend empfindet. „Besondere Offerten sind aber nur notwendig, wenn es um Senioren etwa ab 70 Jahren geht, die einer Betreuung bedürfen.“ Für die gibt es den so genannten barrierefreien Tourismus, wie Leo Hammes von der Sport&Tourismus GmbH mit Sitz in Prüm eine Sparte erläutert, die durchaus eine respektable Wertschöpfung in der Region lasse.
Barrierefrei heißt nicht nur die Anpassung an die eingeschränkte Mobilität von jüngeren Behinderten, sondern ebenso an die gehbehinderter älterer Menschen. „Für die ist die leichte Zugänglichkeit zu den touristischen Zielen Ausschlag gebend, zudem suchen sie – da sie oft allein stehend sind – Kontakt zu Gleichgesinnten und auch zu Jüngeren“, schildert Hammes die Zielrichtung. Tagestourismus in Form von Gruppenreisen per Bus sei hier gefragt, ausdrücklich jedoch keine „Kaffeefahrten“. Mit einem Modellprojekt Reisen und mit der Ausweitung der grenzüberschreitenden EureCard, welche in Ostbelgien, Luxemburg und den Kreisen Daun und Bitburg-Prüm schon konkrete Erleichterungen für Menschen mit Behindertenausweis bietet, auf die Stadt Trier und den Kreis Trier-Saarburg wollen die Touristiker bei Hoteliers, Gastronomen und Gewerbetreibenden im Jahr 2005 gezielt die Sensibilität für die zumeist ältere und beeinträchtigte Kundengruppe erhöhen.
DER WUNSCH NACH WOHLBEFINDEN WIRD WICHTIGER
Nicht um Beeinträchtigungen, sondern im Gegenteil um die Verbindung von Genuss und Gesundheit vor allem für Frauen zwischen 45 und 60 Jahren geht es bei Wellness-Angeboten, wie sie das Landhaus Schiffmann offeriert. Jens Schiffmann hat sein Hotel in Mülheim/Mosel zu einem der größten und bekanntesten Komfort-Fastenhäuser in Deutschland gemacht. „Mit Fasten als Krankheitsprävention, Sauerstofftherapie, Darmsanierung und ayurvedischer Massage wenden wir uns gezielt an Gäste, die in ihrem Zweit- oder Dritturlaub echte und nachhaltige Erholung suchen“, beschreibt er die Ausrichtung. Auch das Thema Schönheit ist für die meist reiferen Damen, die das Hotel frequentieren, in ihrem Aufenthalt an der Mosel präsent, aber nicht als herkömmliche „Beauty“ mit auffälligen künstlichen Fingernägeln oder „permanent Make-up“. „Das würde nicht zu unserem Stil passen“ , meint Schiffmann. Die Werbung für sein Landhaus findet sich daher auch nicht in den üblichen Frauenzeitschriften, sondern der Zielgruppe entsprechend in Publikationen, die mit Gesundheitsorientierung etwa in Reformhäusern vertrieben werden.
Zum Wohlbefinden gehört nicht nur die eigene körperliche Gesundheit, sondern auch das Thema Kommunikation und aktives Eingebundensein in die Gesellschaft. Mehr als die Hälfte aller Nutzer von Internet und E-Mails sind über 50 Jahre alt. „Das spiegelt sich auch stark in unserer Kundenstruktur wider“, berichtet Karl Biegel vom PC-Spezialist in Trier, „diese Klientel nimmt eindeutig zu.“ Viele fänden im Rentenalter endlich die Zeit und Ruhe, ihren PC für ihre Hobbys zu nutzen und nicht nur als reines Arbeitsgerät – von der digitalen Fotografie über die Erstellung von Videoclips am PC bis hin zum Flugsimulator. „Wer jetzt pensioniert wird, hat zumeist im Beruf schon jahrelange Computererfahrung. Die Menschen sind lernbereit und trainiert, lebenslang zu lernen.“ Internetauktionen und andere Plattformen böten gerade Senioren mehr Freiheiten, ihre Bedürfnisse bei Konsum und Kommunikation zu erfüllen. „Man muss unterscheiden zwischen ‚jungen Alten’ und ‚alten Alten’“, betont Biegel. Die Kunden ab 50 aufwärts wüssten zumeist sehr genau, was in Sachen Computer sie wollen und brauchen, und sie forderten individuelle Beratung an. „Ältere Herrschaften, die einfach nur irgendwas haben wollen, damit ihre Enkel bei ihnen am PC spielen können, gibt es kaum.“
FLIESSENDE ÜBERGÄNGE INS ALTER
Die Beobachtung, dass die Übergänge vom aktiven Berufsleben hinein in eine ruhigere Altersphase sehr fließend sind und die Bezeichnung „50 plus“ für eine eigenständige Kundenzielgruppe in der Realität nicht so scharf gezogen werden kann, machen auch viele andere Branchen. Das Nachdenken darüber, was im Alter vermutlich gebraucht wird, setzt bei Verbrauchern frühzeitig ein und bestimmt schon bei Jüngeren langfristige Kaufentscheidungen. Vor allem in Bezug auf Vermögenswerte wie Immobilien wirkt sich diese Perspektive auf das Verhalten von Kunden aus, die deutlich unter 50 Jahren sind. „Wir verzeichnen eine langsam steigende Nachfrage an altersgerechten Lösungen und erwarten, dass sich dieser Trend noch verstärkt“, berichtet Marco Schilz von der fabri GmbH aus Trier, der sich als so genanntes Facility Management auf Renovierungen und Sanierungen von Wohneigentum spezialisiert hat. „Ältere Menschen haben meist eigene Erfahrungen mit der Notwendigkeit, wie flexibel eine Wohnung oder ein Haus gebaut sein muss, um den Veränderungen im Leben gerecht zu werden.“ Die Experten von fabri empfehlen schon bei der Planung von Neubauten, dass in punkto Wohnraumeinteilung, Treppen, Türbreiten oder Bad- und Sanitäreinrichtungen mögliche Behinderungen der Bewohner berücksichtigt werden. Auch vorhandene Bausubstanz werde zunehmend seniorengerecht umgestaltet.
Die ganze Diskussion um die Zielgruppe der über 50-Jährigen müsse differenzierter gesehen werden als es derzeit meist der Fall ist – dies betont Bernd Neisen, geschäftsführender Gesellschafter und Marketingexperte bei Dietz & Partner. Bei einzelnen Branchen wie etwa im Möbelsektor kann man bestimmte Trends ausmachen, die Ältere setzen, so zum Beispiel deren Vorliebe für langlebiges Interieur jenseits schneller Moden. Aber generell gilt, dass die Bedürfnisse einer Zielgruppe längst nicht nur von deren Alter definiert werden.“ Ebenso Ausschlag gebend für den Erfolg eines Produktes oder einer Dienstleistung bei einer bestimmten Bevölkerungsgruppe seien das Einkommen, die Bildung, der Wohnort und die Sozialisation, die sich etwa in konservativen oder liberalen Lebenseinstellungen ausdrückt. „ Reden wir über einen 50-jährigen Architekten oder über einen 50-jährigen Fließbandarbeiter? 50 plus ist eine fiktive Grenze“, resümiert Neisen. Es gehe darum, immer wieder neue Kundengruppen anzusprechen, um ein Produkt oder eine Dienstleistung dauerhaft am Markt lebendig zu halten. „Zum Beispiel Reformhäuser oder Hersteller von Mundhygiene, deren Kunden traditionell älter sind, bemühen sich im Gegenzug verstärkt darum, jüngere Menschen für sich zu gewinnen. Denn woher sollen in späteren Jahren die Kunden kommen, wenn die jetzigen nicht mehr aktiv sein können?“ Die künftigen Märkte müssen immer, so sein Appell an die Unternehmen, vorausschauend und im Hinblick auf diejenigen erschlossen werden, die dann überhaupt Kunden sein können. Eine Marke sei unter anderem deshalb bei den Älteren besonders erfolgreich, weil die angegrauten Konsumenten sie schon aus ihrer eigenen Jugend oder Kindheit als positives Signal kennen, „das ist oftmals eine Wellenbewegung“.
Angelika Koch
Worauf Senioren beim Einkauf Wert legen
Die BBE Unternehmensberatung in Köln entwickelte einen Praxisleitfaden, wie Unternehmer vom Seniorenmarkt profitieren. Folgende Kriterien sollten Unternehmer berücksichtigen, um Senioren als Zielgruppe zu erreichen:
• Persönliche Kontakte
Senioren schätzen Nähe und ein persönliches Ambiente – als Garanten für Service, Aufmerksamkeit und Orientierung. Da für Senioren beim Einkauf die soziale Komponente sehr wichtig ist, bevorzugen sie bekannte Läden, vertraute Gesichter und zeigen eine hohe Geschäftsstättentreue.
• Qualität
Besonders bei langlebigen Gebrauchsgütern ist das Qualitätsbewusstsein bei Senioren stark ausgeprägt. Sie achten auf Solidität, Funktionalität, Glaubwürdigkeit und Langlebigkeit der Produkte.
• Preis spielt geringere Rolle
Senioren haben gelernt, dass Qualität ihren Preis hat. Auf Grund ihrer langjährigen Kauferfahrung fühlen sie sich kompetent in Sachen Einkauf und greifen für qualitativ hochwertige Ware auch gern tiefer in die Tasche.
• Traditionsmarken
Senioren verbinden mit klassischen Marken Werte wie gute Qualität und großes Vertrauen und werden deshalb hoch geschätzt. Das Image einer Marke zählt für sie wenig, dafür die hervorragenden Produkteigenschaften umso mehr.
• Nutzenvorteile
Sind Senioren mit bekannten Produkten und Marken nicht mehr zufrieden, werden bessere Produkte und neue Marken gesucht. Werden innovative Produkte für besser als die herkömmlichen empfunden, werden sie bereitwillig gekauft.
• Kleine Packungsgrößen
Ältere Menschen leben häufig allein und können daher mit großen Packungen, wie beispielsweise mit der Zehn-Kilo-Trommel Waschpulver, wenig anfangen.
• Benutzerfreundliche Verpackungen
Ältere Menschen wünschen sich Verpackungen die leicht zu öffnen sind, dass die Hinweise auf den Verpackungen nicht nur die Menge des Inhalts angeben, sondern auch Sicherheitsvorschriften, Entsorgungshinweise oder Informationen über den Hersteller enthalten. Die Angaben sollten gut lesbar hinsichtlich Schriftgröße und Kontrast sowie in deutscher Sprache gedruckt sein.
info: www.bbeberatung.com