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15.02.2004

Eine kernige Sache


Dieser Text ist vom 15.02.2004 und könnte inhaltlich veraltet sein.

Vitis AG aus Trittenheim expandiert mit innovativen Produkten im Gesundheitssektor

Der weltweit einzige Traubenkernsenf und andere Erzeugnisse aus Traubenkernen: Der Weinfachjournalist Winfrid Heinen hat eine profitable Marktnische entdeckt, die vor allem gesundheitsbewusste Feinschmecker als Klientel anspricht. Mit der 2002 in eine AG umgewandelten Firma Vitis zeigt der gebürtige Westfale an der Mosel, dass Kreativität Wachstumspotenziale befreit.
Die alte Schule in Trittenheim ist noch immer ein verwinkeltes Gemäuer mit schmalen Treppenhäusern samt knarrenden Stiegen. Doch das, was sich dort tut, ist ohne modernste Forschungen nicht denkbar und gehört zu den Aktivitäten in einem der wenigen derzeit florierenden Wachstumsmärkte. Vinotherapie nennt die Vitis AG eine neue Branche in Sachen Wellness, und für diese eigentlich simple Neu-Erfindung urwüchsigen Heilwissens musste wohl ein handfester Mann aus dem „Kohlenpott“ mit seiner Liebe zum Wein an die Mosel kommen, um den Moselanern – und mittlerweile immer mehr anderen Menschen – den Respekt beizubringen vor dem, was bei Winzern im 20. Jahrhundert als Müll entsorgt wurde: Traubenkerne. „Dabei kannten schon die Römer die heilsame Wirkung des kalt gepressten Traubenkernöls, es war Jahrhunderte lang das Heilöl der Apotheken und das Schönheitsmittel der Adligen“, erläutert Heinen die Geschichte des vernachlässigten natürlichen Schatzes, den er wieder gehoben hat. Um 1850 kostete der Liter Traubenkernöl 20 Stundensätze eines Müllers, weiß der Vitis-Gründer aus der Historie, „das entspräche heute etwa 800 Euro“. Auch mit modernen Verfahren benötigt man für einen Liter Öl fünfzig Kilo Traubenkerne, was zur Folge hat, dass die Traubenkernerzeugnisse der Vitis AG niemals eine Kundenmentalität bedienen werden, die sich lediglich am Billigpreisniveau orientiert. Der hohe Wert der Ware wird anerkannt – und setzt sich durch.

IM WEIN LIEGT WAHRHEIT, IN TRAUBENKERNEN PROCYANIDIN
Der Weg, den Heinen bis zur Wiederentdeckung des kostbaren Gutes zurücklegte, war auf den ersten Blick bar jeder Logik. Denn dass ein Maschinenschlosser beim Zelten und Radfahren durch Frankreich den Wein entdeckt, später als Journalist und Verleger mit einem zwölfbändigen „Gesamtwerk Deutscher Wein“ eine der umfassendsten und schönsten Fachliteraturen produziert und durch eine Urlaubsbekanntschaft in Istrien an die Mosel gelangt, ist entweder eine Kette von seltsamen Zufällen oder Schicksal. Dabei war der Kern der Geschichte buchstäblich früh angelegt: „Als Kriegskind haben mir meine Eltern beigebracht, alles zu nutzen, also sollte ich auch die Traubenkerne kauen“, erzählt der 63-Jährige, der von jeglichen Gedanken an Ruhestand weit entfernt ist, mindestens bis ins 75. Lebensjahr weitermachen will und so sportliche Hobbys wie Segelfliegen, Tauchen oder Tennis betreibt.
Jahrzehnte später, längst im stressigen Journalistenalltag bei der NRZ eingebunden, wurde das Thema Gesundheit angesichts der ungesunden Arbeitsumstände wichtig für ihn: „Früher musste ich oft zum Arzt, doch seitdem ich mich auch mit Traubenkernprodukten ernähre, habe ich keine Praxis mehr von innen sehen müssen.“ Das liegt, so ist er auf Grund neuer wissenschaftlicher Forschungen überzeugt, vor allem am Procyanidin, das in den Traubenkernen enthalten ist und als bester Schutz gegen die so genannten freien Radikalen gilt. Diese Sauerstoffverbindungen sind dafür verantwortlich, dass Butter ranzig wird, Eisen rostet und im menschlichen Körper eine Reihe von Krankheiten – vor allem Karzinome und Tumoren, Allergien, Alzheimer und das Chronical Fatigue Syndrom – entstehen. Procyanidin ist als „Radikalen-Killer“ fünfzig Mal stärker als Vitamin E. „Wer bei der Vitis AG arbeiten will, muss als Eintrittskriterium den Zungenbrecher flott und fehlerfrei über die Lippen bringen“, sagt Heinen halb im Scherz. Die Expansionsphase in Sachen Personal sei derzeit abgeschlossen, 25 Mitarbeiter sind eingespannt in Kundenservice, Buchhaltung, Versand, Forschung/Entwicklung und Marketing.

VON TRITTENHEIM NACH CHINA UND AMERIKA
Die Vermarktung startete erfolgreich gleich im Verbund mit den Lieferanten des Rohstoffs Traubenkerne: mit den Winzern, die Heinen noch aus seiner fachjournalistischen und werbewirksamen Arbeit für den Moselwein kannten. Doch längst ist das Vertriebsnetz per Shop-in-Shop weit geknüpft, Öl, Senf, Müsliriegel und Cracker, Mehl, Nudeln und Brotmischung auf Traubenkernbasis gibt es in den Feinkostabteilungen von Kaufhäusern wie Bungert in Wittlich oder bei Karstadt, äußerlich anzuwendende Haut- und Sonnenöle sind darüber hinaus auch in Apotheken erhältlich, die sich wegen des Beratungsbedarfs besonders anbieten. Die eleganten Pariser Galeries Lafayette Gourmet haben die Traubenkernprodukte von der Mosel in ihr Programm aufgenommen, nächste Stationen sind der Nobel-Laden „ Fairway“ in New York, China und Russland. In Mexiko und Singapur braucht man ebenfalls nicht auf schmackhafte Gesundheit aus Trittenheim zu verzichten. Ein soeben von Heinen verfasster Ratgeber über die Einsatzmöglichkeiten der Traubenkerne – auch mit Rezepten für die Küche – unterstützt das Marketing. Dementsprechend groß ist die Medienresonanz: Beinahe alle deutschen Fernsehsender, die FAZ und weitere Tageszeitungen haben ausführlich und begeistert zugleich über den westfälischen Erfindergeist berichtet, der sich des Innersten der Reben angenommen hat. Hilfreich bei der Vermarktung war die Design-Erfahrung von Winfrid Heinen, der zuvor namhafte und junge Moselwinzer als Werbeagentur unterstützte und attraktive Etiketten entwarf. Die Design-Linie der Traubenkernerzeugnisse setzt auf ein edles, naturnahes Äußeres, von der Produktbroschüre bis hin zur Flaschengestaltung für das Öl, das im Übrigen nicht am Firmensitz hergestellt wird, sondern in einer ehemaligen Kellerei in Neumagen-Dhron schonend kalt gepresst wird.

>b>AUS PLEITEN, PECH UND PANNEN WURDE EINE ERFOLGSGESCHICHTE
Bis es so weit war, hatte Heinen in Sachen Ölmühle einiges an „Pleiten, Pech und Pannen“ hinter sich. Denn als er vor neun Jahren im Rahmen von Qualitätstests auf der vergeblichen Suche nach kalt gepressten Traubenkernölen war, „gab es das gar nicht mehr, und ich entschloss mich, das mit meinen maschinenschlosserischen Fähigkeiten selbst zu machen“. Doch das notwendige Know-how zum Bau einer Traubenkernmühle war nirgendwo mehr abrufbar, alte Mühlen waren längst nicht mehr einsetzbar, und so wagte sich Heinen an das technische und finanzielle Abenteuer einer Neukonstruktion. Neuland zu betreten gehört noch immer zum Portfolio der Vitis AG, nun allerdings die Entwicklung innovativer Erzeugnisse und Rezepturen. Mit interdisziplinären Wissenschaftstagungen, gestartet 2002 mit dem „1. Forum Traubenkern“, will Heinen die Produktentwicklung und Forschung vorantreiben. Lohn der Mühen: Sowohl das Öl als auch das Mehl wurden ausgezeichnet mit dem Spezialitätenpreis der CMA. Der Innovationspreis des Landes Rheinland-Pfalz und Siege im internationalen New-Foods-Wettbewerb oder der US-Award „Best of the Best“ gehen auf das Konto der Vitis AG. Die logische Konsequenz der erfolgreichen Marketingstrategie im Wachstumssektor Wellness: Aus 45 000 € Umsatz im ersten Jahr 1995, damals noch als Vitis Ölmühle KG, sind im Jahr 2003 1,1 Millionen € Umsatz geworden, Tendenz weiter steigend.
Bei allem Erfolg und einer sportlichen Lässigkeit im Führungsstil sieht sich Heinen doch als Perfektionist, der seine Mitarbeiter und derzeit drei Trainees mit Begeisterung fordert und anspornt wie ein Coach. „Herrliche Gelegenheiten verkleiden sich als unlösbare Probleme“, lautet seine Variante des beharrlichen westfälischen Lebensmottos „Wat nich geit, dat wird geschoben“, krasses Gegenteil zum rheinischen „Wat kütt, dat kütt“ . Die Entwicklung seiner Firma vergleicht er mit einem Hochseilgarten, „nur nicht angegurtet“, und er ist überzeugt, dass persönliches Wachstum täglich geschieht. So lässt sich bodenständige Ruhrpottmentalität mit Hilfe von Traubenkernen durchaus in Visionen verwandeln, denn „es geht dabei letztlich um den Menschheitstraum, lange jung und schön zu bleiben“.
Angelika Koch
www.vitis-vital.de

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