IchZeit, Vino Sanitas oder Gesundheitslandschaft Vulkaneifel heißen die im Aufbau befindlichen Dachmarken, die einen Anschub zur Erschließung neuer Gästepotenziale geben sollen. Nicht nur innerhalb dieser geförderten Modelle gibt es bereits konkrete Ansätze, den Gesundheitstourismus mit Mehrwert für die Gastgeberregion zu professionalisieren.
Bereits seit Jahren zeichnet sich ein neuer Wachstumsmarkt ab: die zunehmende Bereitschaft der Menschen, in ihre eigene körperliche, mentale und seelische Gesundheit zu investieren. Experten sprechen vom so genannten sechsten Kondratieff, also dem neuen Konjunkturzyklus; diese Zyklen sind nach dem russischen Wissenschaftler Nikolai D. Kondratieff benannt, der sie erstmals erforschte. Mit dem sechsten Kondratieff gemeint ist ein gravierender und die ganze Gesellschaft verändernder Innovationsschub wie einst die Erfindung der Dampflokomotiven, mit der das industrielle Zeitalter eingeläutet wurde, oder später des Computers und des Internets als Auftakt der digitalen und weltweit medial vernetzten Ära. Nun soll es also das „weiche“ Thema Gesundheit sein, das die wesentlichen ökonomischen Impulse der nahen Zukunft setzt.
Vor allem zwei öffentlich geförderte Projekte sollen in der Region Trier den Gesundheitstourismus forcieren: Vino Sanitas in Bernkastel-Kues und Gesundheitslandschaft Vulkaneifel in Daun, Bad Bertrich und Manderscheid. Während es an der Mosel um die Verbindung von Weintourismus und Gesundheit geht, setzt die Initiative in der Vulkaneifel auf eine Vernetzung von Kliniken und anderen Anbietern therapeutischer Dienstleistungen mit dem Gastgewerbe, teils auch mit geotouristischen Elementen.
Werner Klöckner, Verbandsgemeinde-Bürgermeister in Daun (Kreis Vulkaneifel) und gemeinsam mit seinen Kollegen Wolfgang Schmitz in Manderscheid (Kreis Bernkastel-Wittlich) und Alfred Steimers in Ulmen (Kreis Cochem-Zell) Initiator der Gesundheitslandschaft Vulkaneifel, hat sich intensiv mit der Theorie der Kondratieffs beschäftigt. Sie liefert für ihn die realistische Begründung für die nun anstehenden Bemühungen, über das Thema Gesundheit mehr Gäste in die Region zu locken und mehr Wertschöpfung zu generieren.
DAS POTENZIAL FÜR GESUNDHEITSTOURISMUS IST GROSS
Damit kündige sich ein Leitsektor Gesundheit im ganzheitlichen Sinn an, nämlich die Vernetzung von Dienstleistungen, Methoden und Technologien für Gesundheit im körperlichen, seelischen, geistigen, ökologischen und sozialen Sinne. „Unsere gut ausgebaute Infrastruktur etwa mit Kurbetrieben sowie Kliniken in Bad Bertrich, Manderscheid und Daun bietet hervorragende Voraussetzungen für den sechsten Kondratieff an, die sollten wir nutzen“, betont Klöckner. Hinzu komme das einzigartige Potenzial der vulkanisch geprägten Naturlandschaft, die ihrerseits erwiesenermaßen gesundheitsfördernd wirke.
Der VG-Bürgermeister sieht unmittelbare, wenn auch nicht in Zahlen messbare Umsatzeffekte für Hoteliers und Ferienwohnungsinhaber, auf gesunde Ernährung spezialisierte Erzeuger und Gastronomie und mittelbar auch für Handel und Handwerk. „Ganze Wertschöpfungsketten lassen sich durch den Gesundheitstourismus neu aufbauen. Neue Berufsbilder wie etwa des Landschaftstherapeuten bieten zusätzliche Arbeitsplatzeffekte“, skizziert er das ökonomische Zukunftsszenario.
Allerdings ist nach Klöckners Auffassung die Realisierung eines erfolgreichen Gesundheitstourismus kein Selbstläufer: „Entscheidend ist, dass die Bündelung und Vernetzung der gesundheitstouristischen Ressourcen und Kompetenzen gelingt. Dies setzt voraus, dass die gesundheitstouristischen Akteure die Chancen der Neuausrichtung erkennen und wahrnehmen.“ Hohe Professionalität und starkes Engagement seien unbedingt gefordert.
GESUNDHEITSORIENTIERUNG ALS STANDORTVORTEIL
Die Kliniken selbst, etwa die AHG Kliniken Daun oder die Eifelklinik in Manderscheid, sind in die Entwicklung des Gesundheitstourismus eingebunden. „Allerdings sind die entsprechenden therapeutischen Angebote mit Blick auf die Selbstzahler noch in der Entwicklungsphase. Erste Zusatzprogramme zur kassenfinanzierten Reha, die unser Kerngeschäft ist, werden voraussichtlich im Sommer stehen“, erläutert Thomas Kaut, Verwaltungsdirektor der auf Psychosomatik spezialisierten Eifelklinik. Angedacht sind Offerten, bei denen solvente Selbstzahler in der gehobenen Hotellerie der Region untergebracht sind.
Derartige gesundheitstouristische Angebote, beispielsweise zur qualifizierten Vorbeugung gegen Burnout, sind allerdings nicht einfach zu realisieren. „Es gibt natürlich bereits einen Gesundheitstourismus jenseits von Dachmarken oder jenseits des von den Kassen anerkannten Methodenkanons“, schildert Privatdozent Dr. Dr. Niels Bergemann, Chefarzt der AHG Kliniken Daun, den Ist-Zustand. „Wenn wir jedoch als Mediziner präventivmedizinische Angebote erstellen wollen, müssen die personellen Ressourcen dafür erst geschaffen werden – eine Herausforderung bei dem Ärzte- beziehungsweise Fachkräftemangel. Derzeit fehlt schlicht das Personal, das über den Klinikalltag mit in unserem Fall etwa 2 500 Patienten jährlich hinaus jene Gäste und Patienten fachlich adäquat betreuen könnte, die durch neue Präventivprogramme in die Region kommen sollen.“
Mit anderen Worten: Gesundheitstourismus kann Fachkräftemangel lindern helfen, zugleich jedoch ist er auf medizinisch anspruchsvollem Niveau durch den Fachkräftemangel auch erschwert. Ein erfolgreich umgesetzter Gesundheitstourismus bedarf nach Bergemanns Auffassung des Ausbaus weiterer flankierender Angebote – vor allem im Hinblick auf Kultur oder Verkehrsinfrastruktur – um die Region für Patienten und Gäste wie für das medizinische Personal attraktiv zu machen.
Dabei betont der Chefarzt die Synergieeffekte, die bereits jetzt Realität sind: Die Klinikpatienten und deren Angehörige entdecken häufig während der Therapie die Landschaft der Vulkaneifel als gutes Urlaubsziel und hinterlassen so ein nachhaltiges Umsatzplus bei Hotellerie, Gastronomie und Handel. Die AHG Kliniken setzen die seelisch ausgleichende Wirkung der Natur bewusst als Baustein ihres therapeutischen Konzeptes ein, beispielsweise in Form von Aktionstagen zum Landschaftserleben. „Je unberührter und archetypischer die Natur erhalten wird, desto heilsamer ist sie für das psychische Befinden“, plädiert Bergemann für einen Gesundheitstourismus, der möglichst schonend mit der natürlichen Ressource Landschaft umgeht und sie nicht mit zu viel „Inwertsetzung“ konterkariert.
WIN-WIN IN DER PRAXIS
Hotels wie das Biohotel Maarblick in Meerfeld, das SeeResort in Kell am See oder das Familienhotel Hochwald in Horath positionieren sich bewusst im Gesundheitstourismus. Dass eine Verbindung zwischen Naturerleben, hochwertiger Hotellerie und qualitativ niveauvoller Therapie bereits funktioniert und dass sie zudem weitere Wertschöpfung beispielsweise für Handwerk und Dienstleister birgt, zeigt der zur Landidyll-Hotelkooperation gehörende Landgasthof Michels in Schalkenmehren (Kreis Vulkaneifel). Für einen einstelligen Millionenbetrag entsteht hier auf Initiative des Hoteleigners Hubert Drayer ein komplett neues Spa, das als „Michels VitalQuell“ sowohl Einheimische wie Touristen mit hochwertigen Angeboten aus den Bereichen Wellness und Medical Wellness versorgen wird. Vier neue Arbeitsplätze entstehen hierdurch. Auch die Küche wird sich verstärkt auf das Thema gesunde Ernährung einstellen und entsprechende Menüs bereitstellen. Drayer rechnet damit, dank dieser gesundheitstouristischen Erweiterung seines Hotels auch die Wintersaison weiterhin sehr gut auslasten zu können. „Eine Konzentration auf Beauty allein als Zusatzangebot in den Hotels wird auf Dauer nicht ausreichend sein.“
Schon jetzt hat das Vier-Sterne-Wohlfühlhotel im Eifeler Maardorf Gäste, die sich gesundheitstouristische Kompletturlaube in Eigenregie zusammenstellen: „Da erfolgen Übernachtung und Verpflegung bei uns, das Naturerleben geschieht mit Wanderungen oder Radtouren und es werden zusätzlich weitere qualifizierte Dienstleistungen aus der Umgebung in Anspruch genommen, etwa in punkto Physiotherapie oder Yoga“, schildert Drayer die Nachfrage einer steigenden Anzahl von Gästen. Darauf will er sich mit seiner Investition einstellen.
Bereits Konzeption und Erstellung der „Michels VitalQuell“ erzielen für die Region Trier nennenswerte wirtschaftliche Umsätze, denn die Arbeiten werden weit überwiegend von regionalen Betrieben bestritten. Eine vollständige Wertschöpfungskette für die Eifel entsteht. So ist das auf die Entwicklung, den kompletten Bau und auch den Betrieb von hoteleigenen Wellnesslandschaften spezialisierte mittelständische Unternehmen Vitadom R. Ludgen GmbH mit Sitz in Spangdahlem (Eifelkreis Bitburg-Prüm) mit dem Ausbau des neuen Spa in Schalkenmehren beauftragt. Das zwölfköpfige Team rund um Rudolf Ludgen und seinen Sohn Christian ist seit rund 25 Jahren im In- und Ausland erfolgreich mit maßgeschneiderten Anlagen für Wellness und Medical Wellness. Die von Vitadom entworfenen und umgesetzten Projekte zeichnen sich unter anderem durch enge und unverwechselbare Bezüge zwischen der Landschaft und dem jeweiligen Haus aus, etwa durch die Auswahl der Materialien und Farben. „Wir werden den Tourismus in seiner Gänze unter einem anderen Fokus sehen. Das wird keine unerhebliche Ausstrahlung auf das infrastrukturelle touristische Angebot in Stadt und Region für die Zukunft haben.“ Die hohen Kompetenzen in Bernkastel-Kues, sowohl den Weinbau wie die Gesundheit betreffend, bieten, so der Bürgermeister, eine perfekte Symbioseform für ein Alleinstellungsmerkmal im Gesundheitstourismus. „Wir wollen diese Stadt zum Zentrum für Vino-Therapie, Vino-Wellness und Vino-Beauty machen.“
IN VINO SANITAS – IM WEIN LIEGT GESUNDHEIT
Das gesundheitstouristische Projekt Vino Sanitas in Bernkastel-Kues will den Feriengästen insbesondere eine erhöhte Genussfähigkeit und gesunde Ernährung als Initialzündung für eine nachhaltige Veränderung des Alltags nahe bringen. Das müsse praktisch und sinnlich geschehen, betont die Ärztin Dr. Renate Willkomm vom Forum Wein & Gesundheit e. V.: „Ein Gesundheitsurlaub muss Genusserlebnisse vermitteln, den Gast fordern, aber nicht überfordern – und vor allem Freude machen, sonst wird die Umstellung des Lebensstils keinen Erfolg haben.“ Der Gast solle so zufriedengestellt werden, dass er wiederkommt, lautet Willkomms Forderung an die Akteure von Vino Sanitas.
In seiner Rede zur Impulsveranstaltung, die den Startschuss auf dem Weg zu einem Masterplan Gesundheitstourismus gab, erläuterte Stadtbürgermeister Wolfgang Port das Vorgehen: „Dafür wollen wir alle Informationen, alle Produkte und alle Dienstleistungen rund um die Thematik sammeln, bewerten und in einem offenen Abstimmungsprozess auf Machbarkeit, Umsetzung und Vertriebsmöglichkeiten prüfen, die dazu erforderlichen infrastrukturellen Maßnahmen und Umorganisation sowie notwendige Investitionen festlegen und als klare Zielvorgabe eindeutig bindend vorgeben.“ Für die Beteiligten also eine komplexe und anspruchsvolle Aufgabe.
GESUNDHEITSTOURISTEN SIND EINE BESONDERS ANSPRUCHSVOLLE KLIENTEL
Nicht alle geeigneten Hotels suchen allerdings die Einbindung in eine mit öffentlichen Geldern geförderte, aber mit entsprechend vorgegebenen Richtlinien versehene Dachmarke. Andere gehen gesundheitstouristische Wege mit spezifischen eigenen Konzepten und haben damit bereits Erfolg und Erfahrung. So auch das Vital- und Wellnesshotel Zum Kurfüsten in Bernkastel-Kues unter dem Motto „We love to welltain© you“. Das Vier-Sterne-Superior-Haus ist spezialisiert auf die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM), Hotelier Heiner Buckermann spricht eher von Patienten als von Gästen. „Wir haben in Bezug auf unser strikt medizinisch ausgerichtetes Angebot eine lange Aufbauarbeit geleistet. Als Ergebnis haben wir eine sehr gut vorinformierte Klientel, die genau weiß, was sie will, und genau weiß, dass sie das bei uns bekommt.“ Für das Haus Zum Kurfürsten gelte zwar auch der Anspruch, dass sich die Gäste wohlfühlen. Aber es handele sich dabei weniger um eines der gängigen Wellnesskonzepte als um kontrollierte und fest definierte Anwendungen für Menschen, die auf Geheiß von Ärzten oder Heilpraktikern kommen.
Buckermann sieht für dieses besondere Segment optimistisch in die Zukunft. „Zunehmend mehr Menschen spüren die Dynamik der TCM, die ganzheitlich heilend wirkt und die wir auf die Bedürfnisse und Voraussetzungen der Europäer hin adaptiert haben.“ Doch zugleich betont er, dass mit diesem Grad an Professionalität ein beständiger hoher Investitionsbedarf verbunden sei – etwa für eigene Forschungen, Qualifizierung des ärztlichen und betreuenden Personals oder auch für die spezielle Ernährung im Rahmen der TCM. Den Gesundheitstourismus sieht er demzufolge nicht als Selbstläufer: „Tolle Franchise-Ideen bringen keine automatischen Mitnahmeeffekte. Gesundheitstourismus ist nur dann ein dauerhafter Erfolg für die Region und die Anbieter, wenn sich die Angebote quasi als Paradedisziplin per Empfehlungsmanagement herumsprechen und wenn sie einen echten Mehrwert für die Gäste und Patienten bieten.“ Im Falle seines Hauses seien dies unter anderem fachliche Schulungen oder Kochkurse für die Gäste, die dadurch nachhaltig ihren eigenen Lebensstil verändern können.
NEUE ANBIETER MIT INS BOOT HOLEN
Wie das Beispiel der steigenden Nachfrage nach TCM zeigt, sind seitens der Gäste gerade im Gesundheitstourismus auch Methoden erwünscht, die für westliches Denken ungewöhnlich sind. So werden vermehrt Anbieter spirituell orientierter oder anderweitig alternativer Wege zur seelischen Balance mit in die Offerten von Hotels einbezogen. Yoga, Qi Gong oder Tai Chi, Klangmeditationen oder tiergestützte Selbsterfahrungstechniken sind so bereits auf dem gesundheitstouristischen Markt. Barbara Nau, Heilpraktikerin Psychotherapie, beispielsweise praktiziert im Seminarhaus Vulkaneifel GmbH in Immerath (Landkreis Vulkaneifel) und ist in den Entwicklungsprozess der entsprechenden Gesundheitslandschaft als Netzwerkerin im Teilsegment Erholung involviert. In die kommende Dachmarke will sie gemäß des Heilwissens indigener Völker Tagesworkshops mit intensivem Naturerleben und ayurvedischer Ernährung einbringen.
Einen anderen Produktansatz bieten Ingrid Wesseler und Klaus Behütuns-Steffens mit ihrer Initiative „Arte Vitalis“, ebenfalls mit der Absicht der künftigen Integration in die gesundheitstouristische Marke. Hier ist die eigene Kreativität des Gastes Schlüssel zur Erholung mit Mal- oder Musikferien, die in Kooperation mit ausgewählten Hotels wie dem Hotel Heidsmühle oder dem Landhotel Sonneck (beide im Landkreis Bernkastel-Wittlich) veranstaltet werden. „Urlaub für mein ganzes Ich“ lautet das Motto.
Im Schloss Weilerbach bei Bollendorf ist ein neues Gesundheitszentrum entstanden, das als „Haus der Inspiration“ die neuen gesundheitstouristischen Wachstumspotenziale nutzen will. Neben verschiedenen Wellness- und Therapieangeboten wie Reiki, Fußreflexzonentherapie oder psychologischer Innenweltarbeit und hauseigenen Messen wie die „Gesundheitswelten“ im Juni dieses Jahres beherbergt es ein „Institut für Holistik“. „Hierbei geht es darum, den Theorie-Praxis-Austausch zwischen ganzheitlicher Forschung und therapeutischer Praxis zu fördern sowie theoretische und anwenderbezogene Beiträge der Gesundheitsregion Südeifel zur internationalen Salutogeneseforschung zu leisten“, beschreibt Marc Bonny, Tourismusentwickler der Ferienregion Felsenland Südeifel in Irrel, die Ambitionen. Gesundheitstourismus in der Region Trier hat also bereits eine Fülle teils sehr verschiedener Ansätze hervorgebracht. Welche davon am Markt bestehen werden, wird sich allerdings erst mittelfristig herausstellen. Allein die staatlich geförderten Projekte peilen einen Zeitraum bis einschließlich 2013 an, um die definierten Ziele zu erreichen.
Angelika Koch