01.07.2005
Fliegen, Freizeit und Freiraum für Firmen
Dieser Text ist vom 01.07.2005 und könnte inhaltlich veraltet sein.
Das „Bitburger Modell“ gilt als Paradebeispiel für erfolgreiche Konversion: Frühere Air Base ist heute ein pulsierender Wirtschaftsstandort
Fliegen, Freizeit und Freiraum für Firmen
Das „Bitburger Modell“ gilt als Paradebeispiel für erfolgreiche Konversion: Frühere Air Base ist heute ein pulsierender Wirtschaftsstandort
Montagmorgen auf dem Tower des Flugplatzes Bitburg: Es geht ruhig zu. Plötzlich aber durchdringt lautes, dröhnendes Motorengeheul die Stille. Der Asphalt neben der Landebahn ist trocken, doch ein Autofahrer fliegt der einzigen nassen Stelle förmlich entgegen. Er rast auf die riesige Pfütze zu, kaum hat er das Wasser erreicht, bremst er abrupt ab. Eine künstlich erzeugte Windböe verstärkt den Effekt. Reifen quietschen, das Auto dreht sich um die eigene Achse, bricht aus, landet auf dem Dach. In Sekunden hat sich der Pkw in einen Blechhaufen verwandelt. Doch der Pilot klettert offenbar ohne Blessuren heraus. Daumen nach oben – Manöver geglückt. „Hier dreht ein Unternehmen die Stunts für verschiedene Action-Filme bei RTL“, erklärt Helmut Berscheid. Er ist Verwaltungsleiter des Zweckverbandes Flugplatz Bitburg und Geschäftsführer der 2002 gegründeten Flugplatz Bitburg GmbH.
Helmut Berscheid ist natürlich froh, wenn das Areal belebt ist und genutzt wird, schließlich hatten die Amerikaner 1994 die Air Base geschlossen und leere Hallen hinterlassen. Noch größer aber ist seine Freude darüber, dass es mittlerweile schwieriger geworden ist, Termine zum Vermieten des Flugplatz-Geländes zu finden.
DIE ADLER FLOGEN AUS, DIE UNTERNEHMEN LANDETEN
Doch der Reihe nach: „Wissen, woher der Wind weht“ steht in großen Lettern auf der Titelseite des Image-Prospektes, mit dem die Flugplatz Bitburg GmbH für den Flugplatz sowie das Gewerbe-, Industrie-, Dienstleistungs- und Freizeitzentrum wirbt. Eine treffende und viel sagende Überschrift. Sie erinnert zunächst an Gegenwind, an den beschwerlichen Klageweg und die lange Genehmigungsphase für den Flugbetrieb auf der ehemaligen Air Base. „Wissen, woher der Wind weht“ steht aber genauso für stetigen Aufwind und für kluge Entscheidungen, die die Konversion in Bitburg nicht nur landesweit zum Vorzeige-Projekt gemacht haben.
Wer 1994 sicher war, dass nach dem Abzug der Amerikaner und der Schließung der Base auf dem 484 Hektar großen Areal die Lichter ausgehen, der wird sich heute wundern. Tower, Flugbetrieb, Landebahn und Shelter erinnern noch an die Zeit der fliegenden „Adler“ und der US-Soldaten. Ansonsten trägt das Gelände heute eine andere Handschrift. Egal, ob während der Woche oder an Sonn- und Feiertagen, auf dem Flugplatz Bitburg ist etwas los, herrscht geschäftiges Treiben. 1362 Menschen finden in 160 Betrieben Arbeit. Industrie, Handel, Dienstleistung – es gibt einen bunten Mix aus wenigen großen Unternehmen und vielen kleinen mittelständischen Betrieben. Man findet Hotels, eine Sportschule und beliebte Treffpunkte für Nachtschwärmer. Das „ Bitburger Modell“ gilt als beispielhaft, verbindet es doch Fliegen, Freizeit und Industrie.
ES IST EIN PULSIERENDER STANDORT
Der Flugplatz-Geschäftsführer: „Fast alle Gebäude sind in ziviler Nutzung, die Vermarktung ist gelaufen. Hier wird aber weiter heftig gearbeitet. Die städtebauliche Umgestaltung ist in vollem Gange. Kurzum: Es ist ein pulsierender Standort.“
Und das war nicht unbedingt zu erwarten. Denn in Bitburg waren nicht nur Kampfjets über die Köpfe der Menschen gedonnert und hatten Lärm verursacht. 10 000 US-Bürger hatten für pulsierendes Leben gesorgt. Die Base war der Wirtschaftsfaktor schlechthin. Nach dem Abzug der Amerikaner drohte 600 deutschen Zivilbeschäftigten die Arbeitslosigkeit. Weitere 2000 Arbeitsplätze galten durch mittelbare Effekte wie geplatzte Dienstleistungsverträge als gefährdet. Schätzungen zufolge musste ein Gesamtkaufkraftverlust von damals etwa 200 Millionen Mark im Jahr verkraftet werden. Doch in Bitburg wurde schnell gehandelt und bereits 1994 der Zweckverband Flugplatz Bitburg aus der Taufe gehoben. Der große Coup gelang, als man den Bund finanziell und administrativ mit ins Boot nehmen konnte – ein Novum damals. Der Bund verpflichtete sich, 50 Prozent der Erschließungskosten von damals 36,7 Millionen Mark zu tragen.
Parallel dazu wurde die „EBFB“ gegründet mit dem Ziel, einen Verkehrslandeplatz in Bitburg zu errichten. Doch das Genehmigungsverfahren zog sich nicht zuletzt durch zwei Klagen hin. Erst im März 2003 konnte der Verkehrslandeplatz Bitburg unter Sichtflugbedingungen in Betrieb genommen werden. „Jetzt haben wir auch einen Flugleiter und feste Öffnungszeiten. Das ist ganz wichtig für uns“, sagt Helmut Berscheid. Von Bedeutung sei auch, dass so viele hinter dem Projekt stehen, die Entwicklung von einer public-private-partnership getragen wird. Gesellschafter der 2002 gegründeten Flugplatz Bitburg GmbH sind die Stadt Trier, die Landkreise der Region, IHK und Handwerkskammer Trier sowie als stille Gesellschafterin die „EBFB“ , in der sich private Unternehmen und der Flugsportverein Bitburg einbringen.
FREIER FALL UND SICHERE LANDUNG
War Flugbetrieb bis 2002 nur auf Anfrage möglich und zählte man jährlich etwa tausend Starts und Landungen, so waren es 2004 bereits 6512. Berscheid: „In diesem Jahr zählen wir bereits jetzt 6000 Flugbewegungen.“
Mit dafür „verantwortlich“ ist unter anderem das Unternehmen „Air Scout Ltd“. Bernd Pohl, Geschäftsführer und Inhaber, hat nämlich mit einem Fallschirm-Center gleich neben dem Tower die „Reißleine“ gezogen und ist sanft dort gelandet. Mit gecharterten Maschinen geht es hoch in die Lüfte hinaus, um Tandemsprünge zu üben. Denn darauf hat das Unternehmen sich spezialisiert. Mit dem persönlichen Sprunglehrer erleben mutige Menschen 40 Sekunden lang den freien Fall und dann fünfminütiges Schweben am Fallschirm, um dann „sicher wie in Abrahams Schoß“ wieder auf der Erde zu landen. Man kann genauso Schnupperkurse zum Fallschirmspringen belegen. Sie gelten als idealer Einstieg für eine Ausbildung im großen Stil und spätere Weiterbildungen. Denn ohne professionelle, fundierte Anleitung sollte und darf niemand den Sprung aus 4000 Metern wagen und neben dem Vorwärtsflug auch verschiedene Drehungen ausprobieren. Zweites Bitburger Standbein von Bernd Pohl ist das Unternehmen „ Performance Variable“. Dort sieht es aus wie in einer großen Schneiderei. Stoffballen, Nähmaschinen, Garne – gefertigt werden die so genannten Container. Es sind Gurtzeuge, in denen Haupt- und Reserveschirm Platz finden. Produktion, Handel und Service von Fallschirmsprungsystemen, Tandemsprünge, Ausbildung – Bernd Pohl und sieben Mitarbeiter kümmern sich um „alles, was mit dem Fallschirmsport zusammenhängt.“ „Wir sind Ende Dezember von Saarlouis-Düren hierher gezogen und haben die Halle direkt neben dem Tower gekauft. Hier finden wir ideale Bedingungen“, sagt Bernd Pohl. Aus der alten Militärhalle wurde ein moderner, schicker Firmensitz. Zwar hat der Geschäftsführer seine bewährten Mitarbeiter aus dem Saarland mitgebracht, aber es entstanden und entstehen auch neue Arbeitsplätze. „Wir sind in der Eifel natürlich noch am Anfang, aber Tandemsprung, das ist ein Boom-Sport.“ Eine Tatsache, von der auch der Gastronomiebetrieb im Tower profitiert.
FREIER FALL UND SICHERE LANDUNG
Vor allem an den Wochenenden kommen viele Besucher, um die tollen Springer zu bewundern und über Formationen, Salti und Drehungen zu staunen.
Die „Macher“ des Gewerbe-, Dienstleistungs- und Freizeitzentrums haben natürlich großes Interesse, Luftfahrtunternehmen und flugaffines Gewerbe nach Bitburg zu locken. Bisher ist das erst in zwei Fällen gelungen. Neben „ Performance Variable“ ist das die „helion procopter industries GmbH“. Es geht um die Vermarktung und Teilfertigung ziviler russischer Hubschrauber. „Das entwickelt sich mittlerweile. Der Flugplatz erhofft sich dadurch den Einstieg in den Industrie-Flugplatz“, sagt Helmut Berscheid.
Für die Flugplatz Bitburg GmbH stehen alle Zeichen auf „ Take off“. Sukzessive wird die technische Ausstattung eines Verkehrslandeplatzes ausgebaut. Auch die Ansiedlung der Autovermietung Europcar deutet auf die anvisierte Vernetzung der Verkehrsträger „Luft, Straße, Schiene“.
WIR WICKELN SIE EIN
Doch auch ohne Flugbetrieb war Bitburg bereits ein attraktiver Standort, der Entwicklungschancen bot. Beispiel ist die „PSA GmbH“, die Maschinen für die Verpackungsindustrie herstellt. Die beiden Geschäftsführer Dieter Keipen und Ludwig Diederichs stehen für die Erfolgsstory schlechthin. „Im November 1996 hat PSA hier auf der grünen Wiese mit einem Mitarbeiter angefangen“, erzählt Ludwig Diederichs. Heute sind es 45 mit steigender Tendenz. Eine Selbstverständlichkeit ist es, junge Menschen auszubilden. Das Spektrum ist groß von der Industrie-Kauffrau bis zum Mechaniker. PSA produziert nicht nur, sondern übernimmt auch Service, Wartung und Komplettüberholung bestehender Maschinen und verkauft Ersatzteile. Der Slogan „Wir wickeln Sie ein!“ Vertriebsstandorte gibt es mittlerweile auf der ganzen Welt, auch in Asien und Amerika. Erst jüngst wurde wieder ein Exemplar nach Malaysia verkauft. In Bitburg wird gerade eine Maschine getestet, die ein Unternehmen in der Schweiz erworben hat. Zur Probe wird Papier für die Mundstücke von Zigaretten gewickelt. Was den Firmenchefs in Bitburg besonders gefällt, ist die Möglichkeit, mit anderen Firmen eng zusammenzuarbeiten. „ Zulieferbetriebe sitzen quasi vor unserer Haustür. Das ist ideal“ , so Diederichs.
Willkommen sind auf dem Flugplatz die großen Industriebetriebe wie die Adams Fensterbau GmbH, aber auch die kleinen, feinen Firmen. Zum Beispiel „Johanns D@tentechnik“. 1999 wurde der IT-Dienstleister von Edmund Johanns gegründet. Der Fachinformatiker, System-IT-Elektroniker und EDV-Sachverständiger begann zunächst mit einer „One-Man-Show“. Doch schon bald nahm Johanns als gleichberechtigten Geschäftsführer Rudolf Kösters mit ins Boot. Betreut werden Geschäftskunden, vornehmlich kleine, mittelständische Betriebe, „mit allem, was direkt mit EDV zu tun hat.“ Es geht um „sicheres und mobiles Arbeiten“. Die Auftragslage entwickelte sich gut, es gibt stetige Umsatzsteigerungen. Heute hat die Firma einen Heimarbeitsplatz für eine Buchhalterin, bildet aus und beschäftigt projektweise zusätzliche IT-Fachleute. Und die Vorgabe ist deutlich: „ Arbeitsplätze schaffen, das ist klar unser Ziel“, sagt Rudolf Kösters. Die „treuen Kunden“ kommen aus Trier, Luxemburg, Blankenheim, Daun und natürlich Bitburg. Der Standort sei ideal dank günstiger Mietpreise und guter Anbindung. Einen Kunden hat „ Johanns D@tentechnik“ fast vor Augen: die Flugplatz Bitburg GmbH.
SPIEL, SPORT UND SPAß INMITTEN
DER FIRMEN-LANDSCHAFT
Doch der Flugplatz ist nicht nur ein Arbeitsplatz. Spiel, Sport, Spaß – Freizeit wird groß geschrieben. 1500 Hotelbetten werden vorgehalten, allein das Drei-Sterne-Haus „Eifel-Stern“ hat mittlerweile 1076. Als Peter Heck und Geschäftspartner 1996 auf der Base ihre Eifel-Stern-Pläne verwirklichen wollten, hieß es fast überall: „Was kann denn entstehen auf einem ehemaligen, teilweise unwegsamen Militärgelände an der Peripherie Bitburgs?' Der Erfolg bestätigt, wie gut die Entscheidung war. Das Hotel ist gefragt, das Restaurant im ehemaligen Offiziersclub ebenfalls. In der Nachbarschaft liegen das begehrte Jugendhotel und die Sportschule, in der viele Fußball-Bundesligaclubs ihre Visitenkarte abgeben. Und wer genug hat vom Kicken, der kann auf der Kartbahn aufs Tempo drücken oder durch die Nacht tanzen. „150 000 Übernachtungen 2004. Der Flugplatz ist zur Boom-Town im Tourismus geworden“, erzählt Helmut Berscheid. Ein Ansturm, von dem auch die Stadt Bitburg profitiert, denn „ob Sportler auf Vereinsfahrt oder Schüler beim Klassenausflug – die sieht man alle irgendwann mit Einkaufstaschen durch Bitburg schlendern.“
Ob frühere US-Soldaten „ihre“ Base noch wiedererkennen würden? Peter Houd aus Alabama war vor 20 Jahren in Bitburg stationiert. Erkannt hat er bei einem Besuch seinen früheren Arbeitsplatz durchaus. Im Gästebuch der Homepage der Flugplatz Bitburg GmbH hat er seine Meinung kundgetan: „Ich finde es wirklich spitze, was aus unserer Station gemacht wurde. Deutschland ist ein cooles Land.“
Ingrid Fusenig
Das „Bitburger Modell“ gilt als Paradebeispiel für erfolgreiche Konversion: Frühere Air Base ist heute ein pulsierender Wirtschaftsstandort
Montagmorgen auf dem Tower des Flugplatzes Bitburg: Es geht ruhig zu. Plötzlich aber durchdringt lautes, dröhnendes Motorengeheul die Stille. Der Asphalt neben der Landebahn ist trocken, doch ein Autofahrer fliegt der einzigen nassen Stelle förmlich entgegen. Er rast auf die riesige Pfütze zu, kaum hat er das Wasser erreicht, bremst er abrupt ab. Eine künstlich erzeugte Windböe verstärkt den Effekt. Reifen quietschen, das Auto dreht sich um die eigene Achse, bricht aus, landet auf dem Dach. In Sekunden hat sich der Pkw in einen Blechhaufen verwandelt. Doch der Pilot klettert offenbar ohne Blessuren heraus. Daumen nach oben – Manöver geglückt. „Hier dreht ein Unternehmen die Stunts für verschiedene Action-Filme bei RTL“, erklärt Helmut Berscheid. Er ist Verwaltungsleiter des Zweckverbandes Flugplatz Bitburg und Geschäftsführer der 2002 gegründeten Flugplatz Bitburg GmbH.
Helmut Berscheid ist natürlich froh, wenn das Areal belebt ist und genutzt wird, schließlich hatten die Amerikaner 1994 die Air Base geschlossen und leere Hallen hinterlassen. Noch größer aber ist seine Freude darüber, dass es mittlerweile schwieriger geworden ist, Termine zum Vermieten des Flugplatz-Geländes zu finden.
DIE ADLER FLOGEN AUS, DIE UNTERNEHMEN LANDETEN
Doch der Reihe nach: „Wissen, woher der Wind weht“ steht in großen Lettern auf der Titelseite des Image-Prospektes, mit dem die Flugplatz Bitburg GmbH für den Flugplatz sowie das Gewerbe-, Industrie-, Dienstleistungs- und Freizeitzentrum wirbt. Eine treffende und viel sagende Überschrift. Sie erinnert zunächst an Gegenwind, an den beschwerlichen Klageweg und die lange Genehmigungsphase für den Flugbetrieb auf der ehemaligen Air Base. „Wissen, woher der Wind weht“ steht aber genauso für stetigen Aufwind und für kluge Entscheidungen, die die Konversion in Bitburg nicht nur landesweit zum Vorzeige-Projekt gemacht haben.
Wer 1994 sicher war, dass nach dem Abzug der Amerikaner und der Schließung der Base auf dem 484 Hektar großen Areal die Lichter ausgehen, der wird sich heute wundern. Tower, Flugbetrieb, Landebahn und Shelter erinnern noch an die Zeit der fliegenden „Adler“ und der US-Soldaten. Ansonsten trägt das Gelände heute eine andere Handschrift. Egal, ob während der Woche oder an Sonn- und Feiertagen, auf dem Flugplatz Bitburg ist etwas los, herrscht geschäftiges Treiben. 1362 Menschen finden in 160 Betrieben Arbeit. Industrie, Handel, Dienstleistung – es gibt einen bunten Mix aus wenigen großen Unternehmen und vielen kleinen mittelständischen Betrieben. Man findet Hotels, eine Sportschule und beliebte Treffpunkte für Nachtschwärmer. Das „ Bitburger Modell“ gilt als beispielhaft, verbindet es doch Fliegen, Freizeit und Industrie.
ES IST EIN PULSIERENDER STANDORT
Der Flugplatz-Geschäftsführer: „Fast alle Gebäude sind in ziviler Nutzung, die Vermarktung ist gelaufen. Hier wird aber weiter heftig gearbeitet. Die städtebauliche Umgestaltung ist in vollem Gange. Kurzum: Es ist ein pulsierender Standort.“
Und das war nicht unbedingt zu erwarten. Denn in Bitburg waren nicht nur Kampfjets über die Köpfe der Menschen gedonnert und hatten Lärm verursacht. 10 000 US-Bürger hatten für pulsierendes Leben gesorgt. Die Base war der Wirtschaftsfaktor schlechthin. Nach dem Abzug der Amerikaner drohte 600 deutschen Zivilbeschäftigten die Arbeitslosigkeit. Weitere 2000 Arbeitsplätze galten durch mittelbare Effekte wie geplatzte Dienstleistungsverträge als gefährdet. Schätzungen zufolge musste ein Gesamtkaufkraftverlust von damals etwa 200 Millionen Mark im Jahr verkraftet werden. Doch in Bitburg wurde schnell gehandelt und bereits 1994 der Zweckverband Flugplatz Bitburg aus der Taufe gehoben. Der große Coup gelang, als man den Bund finanziell und administrativ mit ins Boot nehmen konnte – ein Novum damals. Der Bund verpflichtete sich, 50 Prozent der Erschließungskosten von damals 36,7 Millionen Mark zu tragen.
Parallel dazu wurde die „EBFB“ gegründet mit dem Ziel, einen Verkehrslandeplatz in Bitburg zu errichten. Doch das Genehmigungsverfahren zog sich nicht zuletzt durch zwei Klagen hin. Erst im März 2003 konnte der Verkehrslandeplatz Bitburg unter Sichtflugbedingungen in Betrieb genommen werden. „Jetzt haben wir auch einen Flugleiter und feste Öffnungszeiten. Das ist ganz wichtig für uns“, sagt Helmut Berscheid. Von Bedeutung sei auch, dass so viele hinter dem Projekt stehen, die Entwicklung von einer public-private-partnership getragen wird. Gesellschafter der 2002 gegründeten Flugplatz Bitburg GmbH sind die Stadt Trier, die Landkreise der Region, IHK und Handwerkskammer Trier sowie als stille Gesellschafterin die „EBFB“ , in der sich private Unternehmen und der Flugsportverein Bitburg einbringen.
FREIER FALL UND SICHERE LANDUNG
War Flugbetrieb bis 2002 nur auf Anfrage möglich und zählte man jährlich etwa tausend Starts und Landungen, so waren es 2004 bereits 6512. Berscheid: „In diesem Jahr zählen wir bereits jetzt 6000 Flugbewegungen.“
Mit dafür „verantwortlich“ ist unter anderem das Unternehmen „Air Scout Ltd“. Bernd Pohl, Geschäftsführer und Inhaber, hat nämlich mit einem Fallschirm-Center gleich neben dem Tower die „Reißleine“ gezogen und ist sanft dort gelandet. Mit gecharterten Maschinen geht es hoch in die Lüfte hinaus, um Tandemsprünge zu üben. Denn darauf hat das Unternehmen sich spezialisiert. Mit dem persönlichen Sprunglehrer erleben mutige Menschen 40 Sekunden lang den freien Fall und dann fünfminütiges Schweben am Fallschirm, um dann „sicher wie in Abrahams Schoß“ wieder auf der Erde zu landen. Man kann genauso Schnupperkurse zum Fallschirmspringen belegen. Sie gelten als idealer Einstieg für eine Ausbildung im großen Stil und spätere Weiterbildungen. Denn ohne professionelle, fundierte Anleitung sollte und darf niemand den Sprung aus 4000 Metern wagen und neben dem Vorwärtsflug auch verschiedene Drehungen ausprobieren. Zweites Bitburger Standbein von Bernd Pohl ist das Unternehmen „ Performance Variable“. Dort sieht es aus wie in einer großen Schneiderei. Stoffballen, Nähmaschinen, Garne – gefertigt werden die so genannten Container. Es sind Gurtzeuge, in denen Haupt- und Reserveschirm Platz finden. Produktion, Handel und Service von Fallschirmsprungsystemen, Tandemsprünge, Ausbildung – Bernd Pohl und sieben Mitarbeiter kümmern sich um „alles, was mit dem Fallschirmsport zusammenhängt.“ „Wir sind Ende Dezember von Saarlouis-Düren hierher gezogen und haben die Halle direkt neben dem Tower gekauft. Hier finden wir ideale Bedingungen“, sagt Bernd Pohl. Aus der alten Militärhalle wurde ein moderner, schicker Firmensitz. Zwar hat der Geschäftsführer seine bewährten Mitarbeiter aus dem Saarland mitgebracht, aber es entstanden und entstehen auch neue Arbeitsplätze. „Wir sind in der Eifel natürlich noch am Anfang, aber Tandemsprung, das ist ein Boom-Sport.“ Eine Tatsache, von der auch der Gastronomiebetrieb im Tower profitiert.
FREIER FALL UND SICHERE LANDUNG
Vor allem an den Wochenenden kommen viele Besucher, um die tollen Springer zu bewundern und über Formationen, Salti und Drehungen zu staunen.
Die „Macher“ des Gewerbe-, Dienstleistungs- und Freizeitzentrums haben natürlich großes Interesse, Luftfahrtunternehmen und flugaffines Gewerbe nach Bitburg zu locken. Bisher ist das erst in zwei Fällen gelungen. Neben „ Performance Variable“ ist das die „helion procopter industries GmbH“. Es geht um die Vermarktung und Teilfertigung ziviler russischer Hubschrauber. „Das entwickelt sich mittlerweile. Der Flugplatz erhofft sich dadurch den Einstieg in den Industrie-Flugplatz“, sagt Helmut Berscheid.
Für die Flugplatz Bitburg GmbH stehen alle Zeichen auf „ Take off“. Sukzessive wird die technische Ausstattung eines Verkehrslandeplatzes ausgebaut. Auch die Ansiedlung der Autovermietung Europcar deutet auf die anvisierte Vernetzung der Verkehrsträger „Luft, Straße, Schiene“.
WIR WICKELN SIE EIN
Doch auch ohne Flugbetrieb war Bitburg bereits ein attraktiver Standort, der Entwicklungschancen bot. Beispiel ist die „PSA GmbH“, die Maschinen für die Verpackungsindustrie herstellt. Die beiden Geschäftsführer Dieter Keipen und Ludwig Diederichs stehen für die Erfolgsstory schlechthin. „Im November 1996 hat PSA hier auf der grünen Wiese mit einem Mitarbeiter angefangen“, erzählt Ludwig Diederichs. Heute sind es 45 mit steigender Tendenz. Eine Selbstverständlichkeit ist es, junge Menschen auszubilden. Das Spektrum ist groß von der Industrie-Kauffrau bis zum Mechaniker. PSA produziert nicht nur, sondern übernimmt auch Service, Wartung und Komplettüberholung bestehender Maschinen und verkauft Ersatzteile. Der Slogan „Wir wickeln Sie ein!“ Vertriebsstandorte gibt es mittlerweile auf der ganzen Welt, auch in Asien und Amerika. Erst jüngst wurde wieder ein Exemplar nach Malaysia verkauft. In Bitburg wird gerade eine Maschine getestet, die ein Unternehmen in der Schweiz erworben hat. Zur Probe wird Papier für die Mundstücke von Zigaretten gewickelt. Was den Firmenchefs in Bitburg besonders gefällt, ist die Möglichkeit, mit anderen Firmen eng zusammenzuarbeiten. „ Zulieferbetriebe sitzen quasi vor unserer Haustür. Das ist ideal“ , so Diederichs.
Willkommen sind auf dem Flugplatz die großen Industriebetriebe wie die Adams Fensterbau GmbH, aber auch die kleinen, feinen Firmen. Zum Beispiel „Johanns D@tentechnik“. 1999 wurde der IT-Dienstleister von Edmund Johanns gegründet. Der Fachinformatiker, System-IT-Elektroniker und EDV-Sachverständiger begann zunächst mit einer „One-Man-Show“. Doch schon bald nahm Johanns als gleichberechtigten Geschäftsführer Rudolf Kösters mit ins Boot. Betreut werden Geschäftskunden, vornehmlich kleine, mittelständische Betriebe, „mit allem, was direkt mit EDV zu tun hat.“ Es geht um „sicheres und mobiles Arbeiten“. Die Auftragslage entwickelte sich gut, es gibt stetige Umsatzsteigerungen. Heute hat die Firma einen Heimarbeitsplatz für eine Buchhalterin, bildet aus und beschäftigt projektweise zusätzliche IT-Fachleute. Und die Vorgabe ist deutlich: „ Arbeitsplätze schaffen, das ist klar unser Ziel“, sagt Rudolf Kösters. Die „treuen Kunden“ kommen aus Trier, Luxemburg, Blankenheim, Daun und natürlich Bitburg. Der Standort sei ideal dank günstiger Mietpreise und guter Anbindung. Einen Kunden hat „ Johanns D@tentechnik“ fast vor Augen: die Flugplatz Bitburg GmbH.
SPIEL, SPORT UND SPAß INMITTEN
DER FIRMEN-LANDSCHAFT
Doch der Flugplatz ist nicht nur ein Arbeitsplatz. Spiel, Sport, Spaß – Freizeit wird groß geschrieben. 1500 Hotelbetten werden vorgehalten, allein das Drei-Sterne-Haus „Eifel-Stern“ hat mittlerweile 1076. Als Peter Heck und Geschäftspartner 1996 auf der Base ihre Eifel-Stern-Pläne verwirklichen wollten, hieß es fast überall: „Was kann denn entstehen auf einem ehemaligen, teilweise unwegsamen Militärgelände an der Peripherie Bitburgs?' Der Erfolg bestätigt, wie gut die Entscheidung war. Das Hotel ist gefragt, das Restaurant im ehemaligen Offiziersclub ebenfalls. In der Nachbarschaft liegen das begehrte Jugendhotel und die Sportschule, in der viele Fußball-Bundesligaclubs ihre Visitenkarte abgeben. Und wer genug hat vom Kicken, der kann auf der Kartbahn aufs Tempo drücken oder durch die Nacht tanzen. „150 000 Übernachtungen 2004. Der Flugplatz ist zur Boom-Town im Tourismus geworden“, erzählt Helmut Berscheid. Ein Ansturm, von dem auch die Stadt Bitburg profitiert, denn „ob Sportler auf Vereinsfahrt oder Schüler beim Klassenausflug – die sieht man alle irgendwann mit Einkaufstaschen durch Bitburg schlendern.“
Ob frühere US-Soldaten „ihre“ Base noch wiedererkennen würden? Peter Houd aus Alabama war vor 20 Jahren in Bitburg stationiert. Erkannt hat er bei einem Besuch seinen früheren Arbeitsplatz durchaus. Im Gästebuch der Homepage der Flugplatz Bitburg GmbH hat er seine Meinung kundgetan: „Ich finde es wirklich spitze, was aus unserer Station gemacht wurde. Deutschland ist ein cooles Land.“
Ingrid Fusenig