15.05.1999
Genießen mit viel Zeit und Muße
Dieser Text ist vom 15.05.1999 und könnte inhaltlich veraltet sein.
Den Sprung ins kalte Wasser wagten Heiner Kellner und seine Partnerin Delphine Dudek, als sie im Juli 1997 das Restaurant „ Zur Postkutsche“ in Trier-Pfalzel übernahmen. Anders als hiesige Gastronome konnten die beiden „Neutrierer“ nicht auf berufliche Kontakte und Verbindungen aufbauen. Eineinhalb Jahre später befinden sie sich immer noch in der Aufbauphase ihrer Selbständigkeit. Auch, wenn der Gault Millau die Leistungen des Hauses gerade erst mit 14 von 20 Punkten belohnte.
In der Pfalzeler „Postkutsche“ fühlt man sich schnell wie
zu Hause. Wer die Tür des unauffälligen Restaurants öffnet, hat
das Gefühl, in ein zweites Wohnzimmer zu kommen. Hausherrin
Delphine Dudek hilft den Gästen aus den Mänteln, um diese gleich
im schweren Garderobenschrank zu verstauen. An einem der nah
beieinander stehenden und perfekt eingedeckten sechs Tische
nehmen maximal 40 Gäste Platz. Dezente Musik im Hintergrund, viel
dunkles Holz, gedämpftes Licht - die „Postkutsche“ ist alles
andere als eines der typischen „Szene-Restaurants“ und wie
Inhaber Heiner Kellner erklärt, „keine Adresse, wo man gesehen
wird“. Eine bestimmte Wunschvorstellung bezüglich seiner Klientel
hat der 37jährige Inhaber ohnehin nicht. Ihm ist etwas anderes
viel wichtiger: „Wer zu uns kommt, sollte Zeit und Muße
mitbringen.“ Und das nicht nur, weil Küchenchef Heiner Kellner
ohne weiteres Personal die Speisen zubereitet. In der französisch
inspirierten Küche wird bis ins Detail alles frisch angerichtet. „
Wir verwenden keine vorgearbeiteten Sachen“, sagt Kellner. Ob
Nudeln, Saucen oder Aromen - bei Heiner Kellner ist alles
selbstgemacht, künstliche Hilfsmittel sind tabu. Selbst der als
Apéritif gereichte Holundersekt stammt aus eigener Herstellung.
In der „Postkutsche“ gibt es keine Standardkarte. Die Speisen sind saisonabhängig und wechseln je nach Warenangebot aus der Region.
Französisch inspiriert mit aktuellen Akzenten
Seine Zeit im Pariser Restaurant „La Butte chaillot“ leugnet er bei der Zubereitung ebenso wenig wie die übrigen Stationen, bei denen er neugierig immer weitere Geschmacksvarianten eingesogen hat. „Ich lasse auch aktuelle Akzente miteinfließen, verwende beispielsweise Zitronengras, Reisteigblätter oder selbstgemachtes Chutney.“ Er scheut sich nicht, Feinstes mit Bodenständigem zu kombinieren. So gibt es etwa zartestes Lammfilet auf roten Linsen, Goldbrasse an Lauchfondue oder auch Eifeler Bioland-Tafelspitz mit Meerrettich und Petersilienkartoffeln. Das gelungene Restauranterlebnis beginnt für Heiner Kellner jedoch bereits beim Amuse gueule. Liebevoll angerichtet serviert Restaurantfachfrau Delphine Dudek das kleine Entrée, erklärt kurz, was die Gäste auf dem Teller finden. Nach dem Amuse gueule setzt für die beiden Gastronome eine etwas andere Zeitrechnung an. „Zwischen den einzelnen Gängen lassen wir viel Luft. Wir verstehen Essen bei uns als Genußerlebnis, bei dem es nicht um möglichst schnelles Abhaken der verschiedenen Speisen geht“, so Kellner. Deshalb ist für die beiden selbstverständlich, daß die Vorspeise erst gereicht wird, wenn auch der Wein ausgewählt ist und auf dem Tisch steht. Bier werde als Getränk kaum nachgefragt, was bei einem Blick auf die umfangreiche Weinkarte nicht verwundert. Vom hiesigen Weißwein bis zum mexikanischen Rotwein bietet Kellner ein überdurchschnittlich breites Sortiment. Gewissenhaft ausgewählt und regelmäßig aktualisiert.
Schwerpunkt auf Mosel-Saar-Ruwer
„Jeder auf der Karte aufgeführte Wein ist auch tatsächlich mit dem entsprechenden Jahrgang vorhanden, der Gast wird keine böse Überraschung erleben“, erklärt der Gastronom. Der Schwerpunkt liegt auf Riesling-Weinen von Mosel-Saar-Ruwer, die Kellner selbst besonders mag. Überhaupt war für das Gastronomen-Paar die räumliche Nähe zu einem Weinbaugebiet mit das wichtigste Kriterium bei der Auswahl ihres künftigen Restaurants. Seit Ende 1996 hatten der gebürtige Bonner und die aus der Normandie stammende Französin nach einem geeigneten Haus gesucht. Etliche Berufsjahre in renommierten Häusern in München, Paris, Berlin und Frankfurt lagen hinter Heiner Kellner. Partnerin Delphine Dudek verließ nach Hotelfachschule im französischen Blois und Anstellungen in französischen Restaurants 1992 ihr Heimatland und arbeitete im angesehenen Haus „Zur Krone“ in Herxheim-Hayna bei Landau.
Auf die „Postkutsche“ in Trier waren sie über eine Anzeige in der Zeitung aufmerksam geworden. Trotz fehlender beruflicher und privater Kontakte in dieser Gegend gingen sie mutig auf das Angebot ein. Daß es Auswärtige anfangs auch in dieser Branche in Trier schwer haben, spüren die bescheidenen Wahltrierer noch heute. „Es wundert mich immer wieder, mit welcher Beiläufigkeit man von so manchem Einheimischen behandelt wird“, sagt Heiner Kellner. So hätten selbst gelegentliche öffentliche Auftritte Kellners, etwa beim Trierer Benefizkochen, wenig Resonanz gebracht. „Bei diesem Anlaß haben mir zwar Einige auf die Schulter geklopft und meine Leistungen gelobt. Leider ist es aber in vielen Fällen bei der mündlichen Versprechung geblieben, mal in unser Restaurant zu kommen.“ Viele seien einfach nicht neugierig genug und nicht bereit, einmal etwas Neues auszuprobieren, vermutet der Spitzenkoch.
Sie brauchen langen Atem
Trotz bestehender Startschwierigkeiten werden der Gastronom und seine 30jährige Partnerin nichts an ihrem Konzept ändern. „Wir werden weiterhin eine gehobene Küche anbieten, ohne dabei steif zu sein.“ Dazu gehört auch, daß Kinder willkommen sind und auf deren Wünsche eingegangen wird. Babys können auf Wunsch auch in die vom Restaurant abgetrennte Stube gebracht werden.
Auch wenn der zurückhaltende Küchenchef „gar nicht auf den Präsentierteller möchte“ und es ihm nicht um das Erheischen von Sternen geht, hat ihn die diesjährige Auszeichnung im Gault Millau doch gefreut. „Daß wir uns in dieser Kategorie bewegen, ist schon toll.“
Susanne Windfuhr
In der „Postkutsche“ gibt es keine Standardkarte. Die Speisen sind saisonabhängig und wechseln je nach Warenangebot aus der Region.
Französisch inspiriert mit aktuellen Akzenten
Seine Zeit im Pariser Restaurant „La Butte chaillot“ leugnet er bei der Zubereitung ebenso wenig wie die übrigen Stationen, bei denen er neugierig immer weitere Geschmacksvarianten eingesogen hat. „Ich lasse auch aktuelle Akzente miteinfließen, verwende beispielsweise Zitronengras, Reisteigblätter oder selbstgemachtes Chutney.“ Er scheut sich nicht, Feinstes mit Bodenständigem zu kombinieren. So gibt es etwa zartestes Lammfilet auf roten Linsen, Goldbrasse an Lauchfondue oder auch Eifeler Bioland-Tafelspitz mit Meerrettich und Petersilienkartoffeln. Das gelungene Restauranterlebnis beginnt für Heiner Kellner jedoch bereits beim Amuse gueule. Liebevoll angerichtet serviert Restaurantfachfrau Delphine Dudek das kleine Entrée, erklärt kurz, was die Gäste auf dem Teller finden. Nach dem Amuse gueule setzt für die beiden Gastronome eine etwas andere Zeitrechnung an. „Zwischen den einzelnen Gängen lassen wir viel Luft. Wir verstehen Essen bei uns als Genußerlebnis, bei dem es nicht um möglichst schnelles Abhaken der verschiedenen Speisen geht“, so Kellner. Deshalb ist für die beiden selbstverständlich, daß die Vorspeise erst gereicht wird, wenn auch der Wein ausgewählt ist und auf dem Tisch steht. Bier werde als Getränk kaum nachgefragt, was bei einem Blick auf die umfangreiche Weinkarte nicht verwundert. Vom hiesigen Weißwein bis zum mexikanischen Rotwein bietet Kellner ein überdurchschnittlich breites Sortiment. Gewissenhaft ausgewählt und regelmäßig aktualisiert.
Schwerpunkt auf Mosel-Saar-Ruwer
„Jeder auf der Karte aufgeführte Wein ist auch tatsächlich mit dem entsprechenden Jahrgang vorhanden, der Gast wird keine böse Überraschung erleben“, erklärt der Gastronom. Der Schwerpunkt liegt auf Riesling-Weinen von Mosel-Saar-Ruwer, die Kellner selbst besonders mag. Überhaupt war für das Gastronomen-Paar die räumliche Nähe zu einem Weinbaugebiet mit das wichtigste Kriterium bei der Auswahl ihres künftigen Restaurants. Seit Ende 1996 hatten der gebürtige Bonner und die aus der Normandie stammende Französin nach einem geeigneten Haus gesucht. Etliche Berufsjahre in renommierten Häusern in München, Paris, Berlin und Frankfurt lagen hinter Heiner Kellner. Partnerin Delphine Dudek verließ nach Hotelfachschule im französischen Blois und Anstellungen in französischen Restaurants 1992 ihr Heimatland und arbeitete im angesehenen Haus „Zur Krone“ in Herxheim-Hayna bei Landau.
Auf die „Postkutsche“ in Trier waren sie über eine Anzeige in der Zeitung aufmerksam geworden. Trotz fehlender beruflicher und privater Kontakte in dieser Gegend gingen sie mutig auf das Angebot ein. Daß es Auswärtige anfangs auch in dieser Branche in Trier schwer haben, spüren die bescheidenen Wahltrierer noch heute. „Es wundert mich immer wieder, mit welcher Beiläufigkeit man von so manchem Einheimischen behandelt wird“, sagt Heiner Kellner. So hätten selbst gelegentliche öffentliche Auftritte Kellners, etwa beim Trierer Benefizkochen, wenig Resonanz gebracht. „Bei diesem Anlaß haben mir zwar Einige auf die Schulter geklopft und meine Leistungen gelobt. Leider ist es aber in vielen Fällen bei der mündlichen Versprechung geblieben, mal in unser Restaurant zu kommen.“ Viele seien einfach nicht neugierig genug und nicht bereit, einmal etwas Neues auszuprobieren, vermutet der Spitzenkoch.
Sie brauchen langen Atem
Trotz bestehender Startschwierigkeiten werden der Gastronom und seine 30jährige Partnerin nichts an ihrem Konzept ändern. „Wir werden weiterhin eine gehobene Küche anbieten, ohne dabei steif zu sein.“ Dazu gehört auch, daß Kinder willkommen sind und auf deren Wünsche eingegangen wird. Babys können auf Wunsch auch in die vom Restaurant abgetrennte Stube gebracht werden.
Auch wenn der zurückhaltende Küchenchef „gar nicht auf den Präsentierteller möchte“ und es ihm nicht um das Erheischen von Sternen geht, hat ihn die diesjährige Auszeichnung im Gault Millau doch gefreut. „Daß wir uns in dieser Kategorie bewegen, ist schon toll.“
Susanne Windfuhr