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31.10.2006

Handel hat neues Wettbewerbsrecht angenommen


Dieser Text ist vom 31.10.2006 und könnte inhaltlich veraltet sein.

Neue Möglichkeiten, aber auch kritische Einwände

Seit dem Sommer 2004 ist das neue Wettbewerbsgesetz in Kraft. Insbesondere für den Handel brachte die UWG-Novelle vielfältige Änderungen. Eine der gravierendsten war die Novellierung des Sonderveranstaltungsrechts mit der Folge weggefallener Regelungen über Saisonschlussverkäufe, Räumungs- und Jubiläumsverkäufe sowie Sonderveranstaltungen.

RÄUMUNGSVERKÄUFE OHNE ANZEIGE MÖGLICH
Zwei Jahre gelten die neuen Bestimmungen und noch immer nimmt es mancher Händler mit Verwunderung zur Kenntnis, dass die strengen Regelungen für die Durchführung von Räumungsverkäufen vollständig weggefallen sind. Während früher Räumungsverkäufe nur wegen gravierender baugenehmigungspflichtiger Umbauarbeiten oder wegen Elementarschäden (Feuer, Wasser, Sturm) sowie bei vollständiger Geschäftsaufgabe möglich waren, sind sie heute aus vielfältigem Anlass möglich, zum Beispiel wegen Aufgabe einer Filiale, einer Sortimentsumstellung, wegen Umzugs, Renovierung, Saisonwechsel und so weiter. Voraussetzung: Der angegebene Grund entspricht der Wahrheit. War noch bis vor zwei Jahren eine zeitlich befristete Anzeige, die Vorlage eines Warenverzeichnisses, gegebenenfalls der Einkaufsrechnungen, Baugenehmigungen und Baupläne notwendig, so sind diese formalen Erfordernisse ersatzlos weggefallen. Auch die jeweils an Ort und Stelle durchgeführten Überprüfungen des Warenbestandes, eventuell vorgeschobener oder nachgeschobener Ware, ordnungsgemäßer Reduzierung und so weiter sind im Gesetz nicht mehr vorgesehen. Auf der einen Seite empfindet der Handel – wie aus vielen Gesprächen innerhalb der vergangenen zwei Jahre deutlich wurde – die Erleichterungen als positiv. Auf der anderen Seite werden gewisse Regulative und Kontrollen vermisst, was nun nicht nur eine „Inflation“ unterschiedlichster Verkaufsveranstaltungen, sondern auch vermehrt die Durchführung dubioser Aktionen ermöglicht. Vor allem bei Räumungsverkäufen wegen Geschäftsaufgabe wird bedauert, dass hier keine zeitliche Spanne mehr vorgegeben ist. Ebenso wird beklagt, dass auch die früher geltende Sperrfristregelung weggefallen ist. Danach durfte das per Räumungsverkauf aufgegebene Unternehmen die Geschäftstätigkeit nicht fortsetzen und auch innerhalb von zwei Jahren in der gleichen Branche am Ort und in den Nachbargemeinden nicht mehr aufnehmen. Häufig beklagt wurden daher Aufgabe-Räumungsverkäufe, die sich über einen Zeitraum von mehreren Monaten hinweg erstreckten und die örtlichen Mitbewerber erheblich tangierten.

INTERESSANTE RECHTSENTWICKLUNG IM BUCHHANDEL EINGETRETEN
Eine seit dem 20. Juli dieses Jahres in Kraft getretene Änderung des Buchpreisbindungsgesetzes gestattet es dem Buchhändler, unter bestimmten Voraussetzungen einen Ausverkauf von preisgebundenen Büchern unter dem jeweils festgesetzten Ladenpreis vorzunehmen. Hier legen die Bestimmungen für einen zulässigen Ausverkauf einen Zeitraum von 30 Tagen fest. So soll ein Ausufern des Unterpreisverkaufs von Büchern und die Gefährdung der Buchpreisbindung verhindert werden. Der zulässige Räumungsverkauf setzt die endgültige Geschäftsaufgabe einer Buchhandlung voraus. Bei Übernahme einer Buchhandlung ist ein Unterpreisverkauf nicht möglich. Außerdem muss jedem Unterpreisverkauf ein vorheriges Angebot an den jeweiligen Lieferanten zur Rücknahme der Bücher vorausgehen.

ANGABE DES ZEITRAUMS BEI SONDERAKTIONEN!
Unabhängig hiervon verlangt die Rechtsprechung – obwohl es keine Regelung für Räumungsverkaufsdauer oder deren Ankündigung gibt – zunehmend die Angabe des Gültigkeitszeitraums unter Hinweis auf das Transparenzgebot des neuen Paragrafen 4 Nr. 4 UWG, um dem Kunden die Möglichkeit zu bieten, sich auf den Geltungszeitraum von Preisvorteilen einzurichten.

Was den Räumungsverkauf wegen Umbaus anbelangt, hat das Landgericht Nürnberg ausgeführt, dass dieser Begriff durch die jahrzehntelange Geltung des alten Wettbewerbsrechts einen genau bestimmten Inhalt habe und daher kein Anhaltspunkt zur Annahme bestehe, dass er sich im Verständnis des Verbrauchers verändert habe. Damit können bloße Umdekorationen oder Veränderungen der Präsentation nach Ansicht des Landgerichts die Ankündigung eines Räumungsverkaufs wegen Umbaus nicht rechtfertigen. Hierfür wären tief greifende Umbaumaßnahmen und ein Zwang zur gänzlichen Räumung des Lagers erforderlich.

DAS RECHT DER SONDERVERANSTALTUNGEN/SONDERANGEBOTE IST VERGANGENHEIT
Mit der Streichung des Sonderveranstaltungsverbots ist nicht nur die früher schwierige Differenzierung zwischen der generell unzulässigen Sonderveranstaltung und dem erlaubten Sonderangebot weggefallen, nunmehr sind Sonderverkäufe aller Art grundsätzlich erlaubt. Die zeitlichen Begrenzungen für Beginn und Dauer der Saisonschlussverkäufe sind entfallen, so dass Saisonware zu einem individuell gewünschten Zeitpunkt im Rahmen einer Sonderaktion angeboten werden kann. Außerdem ist auch im nach wie vor möglichen Sommer- oder Winterschlussverkaufs der Verkauf von Waren aller Art ohne die früher geltenden Beschränkungen auf bestimmte Sortimente möglich. Die Erfahrung der vergangenen Jahre hat gezeigt, dass der Handel sich im Wesentlichen den auch früher für Sommer- und Schlussverkäufe geltenden Zeiträumen angepasst und hier keine nennenswerten zeitlichen Veränderungen vorgenommen hat. Die Möglichkeit, einen breiteren Warenkatalog in die Veranstaltungen einzubeziehen, ist allgemein begrüßt und angenommen worden. Der Wegfall des Sonderveranstaltungsverbots hat zweifellos eine Vielzahl neuer Gestaltungsmöglichkeiten und Wettbewerbschancen eröffnet. Der Handel ist in der Lage, ganz spontan auf bestimmte Ereignisse oder individuelle Gegebenheiten zu reagieren und diese mit Sonderverkäufen zu verbinden, was früher nicht möglich war. Sonderverkäufe sind praktisch aus jedem nur denkbaren Anlass zulässig, Jubiläumsverkäufe unabhängig von klassischen Jubiläumszeiträumen erlaubt, egal, ob man sich dabei auf ein sieben- oder zwanzigjähriges Bestehen, den eigenen Geburtstag oder Zeiträume der Zugehörigkeit zu Einkaufsverbänden und so weiter, oder nur auf den Geburtstag der Filiale bezieht.

STRENGERE REGELUNG IN LUXEMBURG BEDEUTET: WETTBEWERBSNACHTEIL
Die neue wettbewebsrechtliche Liberalität in Deutschland und die nach wie vor strengeren wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen zum Beispiel in Luxemburg haben seit der Gesetzesänderung zu Diskrepanzen und zu Unverständnis bei den luxemburgischen Händlern geführt, die sich nun mit einer Werbung deutscher Händler konfrontiert sehen, die ihnen nach luxemburgischem Recht nicht gestattet ist. Die Schaffung eines weitgehend übereinstimmenden und harmonisierten Wettbewerbsrechts in Europa ist ein künftiges Ziel, an dem bereits intensiv gearbeitet wird und für das das deutsche Modell Pate stehen kann.

Nach zwei Jahren Erfahrung mit dem neuen Recht sollte man sich nicht dem Trugschluss hingeben, nach der UWG-Novelle sei in der Werbung alles erlaubt. Der Kerninhalt des neuen UWG erstreckt sich jetzt auf eine allgemeine Generalklausel (Paragraf 3 UWG) und verschiedene Regelbeispiele aus den Bereichen irreführender, vergleichender und unzumutbarer belästigender Werbung. In diesen Punkten regelt das Gesetz jetzt wörtlich, was bisher gängige Rechtsprechung war. Insoweit birgt es keine Überraschungen. Neu und vor allem gegen Wettbewerbshandlungen gerichtet, die mit krimineller Energie ausgeführt werden, sind die Regeln über die unzumutbare Belästigung, die Verbraucher und Gewerbetreibende besser gegen unerwünschte Telefon-, Fax- und E-Mail-Werbung schützen sollen. Neu ist auch der so genannte Gewinnabschöpfungsanspruch, der neben den bisher bekannten Sanktionen des Unterlassungsanspruchs, der Vertragsstrafe beziehungsweise Ordnungsgeld dann droht, wenn eine bewusste Schädigungsabsicht einer Vielzahl von Personen oder Unternehmen nachzuweisen ist. Was dieses völlig neue rechtliche Instrument anbelangt, liegen kaum Erfahrungen, insbesondere keine gerichtlichen Entscheidungen vor.


IRREFÜHRUNG UND UNSACHLICHE EINFLUSSNAHME
Insbesondere vor dem Hintergrund des Verbraucherschutzes sind Irreführungen des Kunden durch die Vorspiegelung von Tatsachen zu vermeiden. Wer also Rabattierungen auf Basis eines Preises bewirbt, den er vorher nie verlangt hat (Mondpreis), handelt nach wie vor wettbewerbswidrig. Wer gegen die Regelung der Bevorratungspflicht (mindestens zwei Tage bei Angebotsware) verstößt, läuft Gefahr, abgemahnt zu werden. Dieser Anspruch gilt vor allem bei so genannten Aktionswaren, wie sie bei den Lebensmitteldiscountern regelmäßig angeboten werden. Ist eine Sonderaktion mit Beginn und Ende der Veranstaltung zeitlich fixiert, muss die angebotene Ware auch für den in der Werbung genannten Zeitraum vorrätig gehalten werden. Auf EG-Ebene ist bereits eine Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken erlassen, die bis zum Juni 2007 in nationales Recht umzusetzen ist und die in einigen Punkten zu einer Änderung beziehungsweise Ergänzung des UWG führen werden.

Eine Änderung der Preisangabenverordnung hat die wettbewerbsrechtlichen Änderungen flankiert. Danach ist bei Rabatt-Aktionen, die nicht länger als zehn bis 15 Tage dauern, eine Änderung der Preisauszeichnung an den einzelnen Waren entbehrlich. Bei derartigen Aktionen reicht der Preisabzug an der Kasse.

FAZIT
Das neue Wettbewerbsrecht hat sich bewährt, soweit es um die Aufhebung der Sonderveranstaltungsregelung und der Warenfestlegung bei den Schlussverkäufen geht. Das neue Gesetz ist auch von seiner systematischen Gliederung her übersichtlicher und moderner gestaltet, indem es über die aufgeführten Fallgestaltungen die bisherige Rechtsprechung einbezieht und damit verständlicher wird. Die Reaktionen aus der Wirtschaft zeigen, dass man mit der ausgeuferten Praxis unterschiedlichster Sonderaktionen, Räumungs- und  jubiläumsverkäufen nicht immer einverstanden ist und hierin eine inflationistische Entwicklung sieht, die dem Kaufmann bei echten Notsituationen weniger Chancen bietet, seine Waren in einer viel beachteten Werbeaktion schnell abzusetzen. Gerade bei Räumungsverkäufen wegen Geschäftsaufgabe wünscht man sich eine gesetzliche Regelung, zumindest was die Dauer, die Überprüfung durch die IHK und die Verhinderung einer Fortsetzung anbelangt.
Die häufigen Abmahnungen bei Sonderaktionen und Räumungsverkäufen haben sich deutlich reduziert. Dafür sind neue Felder von Verstößen gegen das Irreführungsverbot, das Transparenzgebot oder das Internetrecht mit seinen vielfältigen Facetten in den Fokus getreten.
Rolf Ersfeld, ersfeld@trier.ihk.de

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