SIE KENNEN IHRE ZIELGRUPPEN, SETZEN AUF GUTE PRODUKTE, KOMPETENTE MITARBEITER UND PERÖNLICHE BERATUNG:
DREI EINZELHÄNDLER AUS DER REGION BERICHTEN, WIE SIE SICH IN SCHWIERIGER GEWORDENEN ZEITEN ERFOLGREICH
IM STATIONÄREN HANDEL BEHAUPTEN.
Es weht ein rauer Wind im deutschen Einzelhandel. 4500 Geschäfte werden deutschlandweit im Laufe des Jahres 2025 schließen, so die Schätzung des Handelsverbands Deutschland. Dabei entfallen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes nach wie vor rund 18 Prozent des Bruttoinlandprodukts auf den Einzelhandel.
Für 2024 wurde ein Umsatz in Höhe von rund 680 Milliarden Euro prognostiziert. Beinahe die Hälfte entfällt mit fast 330 Milliarden Euro Umsatz auf die stärkste Branche, den Lebensmitteleinzelhandel (LEH). Während der LEH zu Corona-Zeiten eine Hoch-Zeit erlebte und nach wie vor die stärkste Branche darstellt, haben vor allem die Bereiche Textil, Sportartikel und Technik insbesondere seit Corona vermehrt zu kämpfen.
Wachsender Druck zur Veränderung
„Das klassische Innenstadt-Sortiment stand schon vor Corona durch den zunehmenden Online-Handel und einen Strukturwandel enorm unter Druck. Corona war der Booster“, beschreibt Stefan Rommelfanger, Referent Handel/Dienstleistungen der IHK Trier die Entwicklung. „Da die Anteile im Online-Handel in den klassischen City-Segmenten weiterhin wachsen, wird sich die Zahl der Geschäfte in den kommenden Jahren deutlich reduzieren“, ist er überzeugt.
Gleichwohl verzeichneten vor allem die Mittelzentren Kaufkraftzuflüsse. „Wir sind eine eher ländlich geprägte Region, in der ein Teil der Bevölkerung das individuelle Einkaufen vor Ort zu schätzen weiß. Allerdings ist eine gewisse digitale Präsenz unverzichtbar.“ Dabei gehe es beim Online-Thema gar nicht immer um Angebote wie Online-Shops. „Der Einzelhandel sollte digitale Kontakt- und Anknüpfungspunkte für seine Kundschaft nicht außer Acht lassen. Wichtig ist, dass die Geschäfte auffindbar sind, die Händler alle möglichen Kanäle bedienen, um die Aufmerksamkeit einer unterschiedlichen Klientel auf sich zu lenken.“
Premiere des IHK-Projekts „Ladencheck“ in der Region
Welche Rolle ein stimmiger Gesamtauftritt spielt, davon konnte sich Rommelfanger kürzlich im Rahmen des erstmals angebotenen Projekts „Ladencheck“ einen Eindruck verschaffen. Gemeinsam mit Unternehmerin Julia Nawra, Expertin für visuelles Marketing, besuchte der IHK-Referent zwölf Einzelhändler unterschiedlicher Branchen in Wittlich, Saarburg und Schweich, die sich für das Projekt angemeldet hatten.
Nawra nahm die jeweiligen Geschäfte für die Unternehmen kostenlos unter die Lupe. Sie analysierte Schaufenster- und Verkaufsflächen-Gestaltung ebenso wie die Waren-Präsentation. Es ging um Fragen wie die, ob es eine durchgängige Corporate Identity, einen roten Faden gibt, wie es um die Wohlfühlatmosphäre, das Einkaufserlebnis, den Online-Auftritt, Social-Media-Aktivitäten oder die Interaktion mit den Kunden bestellt ist.
Kampagne „Heimat shoppen“ wird fortgesetzt
Ziel dieses – gemeinsam von den rheinland-pfälzischen Industrie- und Handelskammern und dem rheinland-pfälzischen Wirtschaftsministerium initiierten – Projekts ist, den stationären Einzelhandel dabei zu unterstützen, einen möglichst ansprechenden Gesamtauftritt zu bieten und damit auch die Attraktivität der Innenstädte zu steigern. Gleichzeitig stärke das Projekt die landesweite Kampagne „Heimat shoppen“, so Rommelfanger. Die geht – unterstützt durch die Industrie- und Handelskammern und unter Federführung der Gewerbevereine – am 12. September wie in den Vorjahren für vier Wochen an den Start.
„Die Aktion ist fest verankert in den Veranstaltungskalendern der Städte und hat sich als erfolgreiches Instrument etabliert, das Bewusstsein für das heimische Einkaufs- und Genusserlebnis zu schärfen.“ (siehe Bericht Seite 6)
Fest verankern wird sich möglicherweise auch der „Ladencheck“. Nachdem die Termine für 2025 schnell vergeben waren, ist eine Neuauflage im kommenden Jahr bereits in Planung. Geschäftsinhaber können schon jetzt ihr Interesse anmelden:
www.ihk-rlp.de/ladencheck
Einzelhandel aus Sicht der Wissenschaft
Die Entwicklung des Einzelhandels beschäftigt auch Prof. Bernhard Swoboda, Inhaber des Lehrstuhls für Handel und Marketing im Fach Betriebswirtschaftslehre der Universität Trier. „Ein großer Trend ist ohne Frage die Digitalisierung. Es gibt Branchen, in denen das internationale Online-Geschäft sehr starken Druck auf den stationären Handel ausübt.“
So lägen in punkto Digitalisierung die Bekleidungs- sowie die Unterhaltungselektronik-Branche vorne. „Ein Drittel aller Umsätze werden hier inzwischen online gemacht. Es ist zu erwarten, dass der Druck für den nur stationär tätigen Einzelhandel hierzulande weiter wächst. Man muss zunehmend beides machen, das heißt Omnichannel anbieten.“
Laut Swoboda ist die Bekleidungsbranche die am mittelständischsten geprägteste. „Sie kämpft besonders, nicht zuletzt wegen sinkender Ausgabenbereitschaft der Kunden für Bekleidung.“ Angesichts dieser Situation lautet seine Empfehlung: sich auf klare Kundengruppen und auf Sortimente zu konzentrieren, die sich sowohl vom Wettbewerb im Umfeld als auch vom Online-Angebot absetzen.
Wichtige Frage:
Wer ist meine Zielgruppe?
Einen weiteren Aspekt führt Swoboda vor allem auch aus seiner Forschungserfahrung an. „In unseren Fallstudien stelle ich immer wieder fest, dass gerade die mittelständischen Einzelhändler häufig ihre Zielgruppen nicht genau kennen und im Visier haben. Es ist elementar, den Blick darauf zu halten, wer meine Zielgruppe ist und wie sich diese entwickelt, ob diese beispielsweise überaltert, damit ich frühzeitig weitere Zielgruppen aufbauen kann. So positiv es ist, eine solide Stammkundschaft zu haben: Wenn diese aber in einem gewissen Alter ist, sollte ich mir die Frage stellen, wie die Situation in zehn Jahren aussieht, und proaktiv tätig werden.“
Persönliche Beratung steht im Mittelpunkt
Auch Alfred Thielen, Geschäftsführer des Handelsverbands Region Trier, weiß um die schwierige Lage im Einzelhandel: „Es geht vorrangig darum, den Status Quo zu halten.“ Gleichwohl stellt er fest: „Man hört immer wieder, die Stimmung sei schlecht. Das deckt sich nicht mit dem, was ich im persönlichen Gespräch erfahre. Es kommen auch keine Hiobsbotschaften bei mir an.“
Eine Chance sieht Thielen für den stationären Handel vor allem in einem Punkt: „Die persönliche Beratung hat einen ganz anderen Stellenwert bekommen, gerade im ländlichen Bereich.“ Darüber hinaus wird nach Thielens Beobachtung ein weiterer Aspekt stetig wichtiger: „Der Gewerbeverein muss funktionieren, wenn die Mittelzentren funktionieren sollen. Überall dort, wo es starke Gewerbevereine gibt, in denen sich die Mitglieder mit Ideen und Engagement einbringen und an einem Strang ziehen, sehen wir einen gut aufgestellten Einzelhandel. Dafür gibt es in unserer Region zahlreiche Beispiele.“