15.07.2004
Höhenflug der Reise-Weltmeister gebremst
Dieser Text ist vom 15.07.2004 und könnte inhaltlich veraltet sein.
Verhaltener Optimismus und gute Prognosen für die Touristik-Branche werden noch mit Skepsis betrachtet – Deutsche lieben „Sonne satt zum Spartarif“, „fliegen“ aber vermehrt auf Heimat-Urlaub
Südliche Sonne zum Spartarif, für 99 € zum Frühstück nach
Havanna, Traumstrände zu Traumpreisen, Hula-hula auf Hawaii –
groß ist die Verlockung, Ferien in der Ferne zu verbringen. Immer
verrückter auch die Angebote zum ultimativen Urlaubskick:
Survival am Südpol, Regenwürmer rösten am Rio Orinoco. Vor allem
deutsche Urlauber konnten seit den 60-er Jahren, als sie zunächst
die italienischen Pauschalparadiese bevölkerten, den Versuchungen
kaum widerstehen. Fortan grassierte das Reisefieber, Deutschland
avancierte gemessen an den Pro-Kopf-Ausgaben zum
Reise-Weltmeister, Reisebüros boomten. Doch dann kam der 11.
September 2001, als Flugzeuge als Waffen eingesetzt wurden. Die
Reise-Welt schien zu verharren. Leichte Erholung wollte sich so
recht nicht einstellen, denn es folgten auf dem Fuß weitere
terroristische Anschläge, Irak-Krieg oder Epidemien wie SARS.
Hoher Ölpreis, Konjunkturkrise, Online-Anbieter und ganz aktuell
die Provisionsstreichliste der Fluggesellschaften taten ihr
Übriges. In den vergangenen zwei Jahren verbuchte die
Reise-Branche erstmals Umsatzrückgänge bei den Pauschalreisen „im
zweistelligen Prozentbereich, bei den Reisebüros im hohen
zweistelligen Prozentbereich“ – so eine Erhebung des Deutschen
Reisebüro und Reiseveranstalter Verbandes (DRV).
Dennoch, der DRV sieht nach heftigen Turbulenzen wieder einen Silberstreif am Horizont: „Es geht aufwärts“, heißt es.
Eine Einschätzung, die von einigen Betroffenen noch skeptisch betrachtet wird nach dem Motto: „Die Botschaft hör ich wohl, fürwahr mir fehlt der Glaube.“
FAMILIEN FEHLT DAS GELD FÜR DIE FLUGREISE
„Den vermeintlichen Aufwärtstrend kann ich für unser Büro überhaupt nicht bestätigen“, sagt zum Beispiel Vera Weber, Mit-Inhaberin des Trierer Reisebüros „Grenzenlos“. Und das, obwohl die Hauptkrisen „gegessen“ sind. „Die Epidemien sind im Griff, der Irak-Krieg ist vorbei. Trotzdem halten sich die Menschen mit Buchungen zurück.“ Aus Webers Sicht liegt die Flaute an der unsicheren wirtschaftlichen Lage: „Vor allem Familien fehlt das Geld für die Reise. Ohne unsere guten Stammkunden sähe es bitter aus.“ Zu schaffen mache der Branche auch der Provisionspoker der Fluggesellschaften. „Die Lufthansa ist mit der Streichung vorgeprescht, die anderen ziehen nach. Diese Politik geht eindeutig zu Lasten des Verbrauchers, auf den die Kosten abgewälzt werden“, so Weber. Selbst ein schlechter Sommer in Deutschland sei kein Garant für eine Wende: „Er hilft ein bisschen länger beim Überleben, aber auch nicht mehr.“
Hans-Dieter Schmitz vom „Reisebüro Grete Schmitz“ mit Standorten in Bitburg und Wittlich hofft trotzdem auf Mithilfe des Wettergottes. „2003 war das Wetter in Deutschland zu gut. Viele sind zu Hause geblieben. Regen könnte uns schon helfen“, sagt der 63-Jährige. Er ist seit vielen Jahren in der Branche, doch so negativ wie aktuell war es nie. „Der erwartete Schwung ist nicht eingetreten. Die Branche ist gebeutelt, hat schwer zu kämpfen“, stellt er klar. Die großen Internet-Anbieter wie „Opodo“ oder „LTUR“ setzten den Büros zu. Sehr gravierend sei auch, dass der Bereich der Gruppenreisen eingebrochen sei. Selbst ansonsten treues Klientel buche sehr kurzfristig. Personalabbau sei letztendlich wohl die einzige Schiene, die Reise-Handelsvertretern bleibe, wenigsten bei den Erträgen nicht in den Keller zu rutschen.
WISSEN IST DAS KAPITAL DER REISEBÜROS
Ansonsten gelte es, die Tugenden zu kommunizieren. „Wissen ist unser Gut. Wir kennen Hotels, Strände, Gebiete, können etwas über Studienreisen sagen. Viele Kunden wissen das noch zu schätzen, sind froh, wenn sich einer kümmert“, sagt Hans-Dieter Schmitz. Auch in punkto Reiseziele gebe es Nischen. Während eine Reise nach Bali immer noch schwer zu verkaufen sei, gingen die neuen Bundesländer, die deutsche Ostsee „wahnsinnig gut.“
„Sehr gute Auftragseingänge“ nähren dagegen bei der Trierer „Nix wie weg – Travel + Touristik GmbH“ die Hoffnung auf Besserung. „Während uns der 11. September das gute Jahr 2001 verhagelt hat, waren es 2003 der Irak-Krieg und SARS“, erzählt Geschäftsführer Ulrich Fichtenberg. Der Markt für Fernreisen sei „ eingebrochen“, nun aber liege das Niveau wieder knapp bei dem Annehmbaren von 2002. Fichtenberg setzt auf Kommunikation mit den Kunden, betreibt in Mailings Aufklärungsarbeit. „Wir beantworten ganz klar die Frage: Wie ist der Mehrwert, wenn der Kunde ins Reisebüro kommt? Wir wollen mit offenen Karten spielen.“ Selbst gut betuchte Kunden hätten durch die Werbung gesteuert eine hohe Erwartungshaltung.
5-Sterne-Hotel, ja bitte. Aber es darf nichts kosten. Die „ Geiz-ist-geil-Mentalität“ mache Schule. Und an diesem Punkt sei der Touristiker gefordert, müsse erklären, dass ein günstiger Flug allein noch keinen guten Urlaub macht. Fichtenberg: „Häufig gelten solche Schnäppchen zu uninteressanten Terminen oder ungünstigen Flugzeiten.“ Punkten könne man immer dann, wenn Reisen „gebastelt“ werden, wenn also der Fachmann die Reise zusammenstellt und dabei klimatische Verhältnisse, Erlebnisfaktor oder Flugverbindungen in Einklang bringt. Trotzdem findet auch er: „Alle haben zu kämpfen in der Reisebranche, nicht zuletzt auch durch die Provisionskürzungen, die einer Preiserhöhung gleichkommen.“ Ein Dorn im Auge ist Ulrich Fichtenberg auch die Tendenz, dass luxemburgische Reisebüros sich bei gutem Personal in Trier bedienen. „Wir bilden aus, die Luxemburger nicht, locken aber mit hohen Netto-Gehältern und schöpfen den Rahm ab.“
Dennoch blickt „Nix wie weg“ „recht optimistisch“ in die Zukunft. Seit 1988 am Uni-Standort „Im Treff“ „kommen wir noch gut durch.“
DER DRITTE URLAUB WIRD GESTRICHEN
Bis Ostern verzeichnete das Reisebüro Rudolf Friedrich ein gutes Buchungsverhalten, dann kam ein Einbruch. Hauptsitz der GmbH ist Bernkastel-Kues, vertreten ist sie auch in Morbach und Traben-Trarbach. „Viele Kunden gehen über den Preis, da macht uns wegen der Nähe zum Hahn natürlich die Ryan-Air zu schaffen“, sagt Stefanie Schmidt, Büroleiterin in Bernkastel-Kues. Familien blieben weg, auch am „dritten Urlaub“ werde gespart, das heißt „ Reisen von Kegelclubs sind fast gegen Null gegangen.“ Trotzdem versuche das Reisebüro nicht über Prozente Kunden zu halten oder anzulocken. So eine Politik mache am Ende alles kaputt. „Wir setzen auf unsere Stärke, bieten einen optimalen Service. Sei es, dass wir einen Kundenwunsch erfüllen oder ein nettes Fax an das Hotel schicken und nach dem Befinden der Urlauber fragen“, so Schmidt. Auch das Standbein „Wissen“ sei wichtig. Wenn man dem Kunden zeigen kann, wie viele verschiedene Möglichkeiten der Gestaltung seiner Reise er hat, dann weiß er das auch zu schätzen. Die Friedrich GmbH habe nicht umsonst so viele Stammkunden und weniger Laufkundschaft.
WIR SCHLAGEN UNS SCHON DURCH
Doch auch Stefanie Schmidt verhehlt nicht, dass Kosten für Kommunikation und Personal Büros auffressen, gleichzeitig die Provisionen immer geringer ausfallen. Trotzdem: „Mit einem positiven, gesunden Betriebsklima schlagen wir uns hier schon durch.“ Für diese Aussage gäbe es mit Sicherheit Applaus vom Willy Scharnow-Institut für Tourismus der Freien Universität Berlin. Dort wurde die „künftige Rolle der Reisebüros aus Kundensicht“ analysiert: Wichtig sei, Vertrauenspotenziale auf- und auszubauen, „souveräne und zufriedene Mitarbeiter schaffen begeisterte und loyale Kunden.“
Dennoch: „Die politischen Vorzeichen machen alles kaputt“, schimpft Bernd Pütz vom Reisebüro Pütz, Luxtours-Reisebüro GmbH in Bitburg. Verunsichert würden die Menschen durch Panikmache in der Presse und so verbreitete „hetzerische, schlecht recherchierte Aussagen“. Es sei schon bezeichnend, wenn während des Irak-Krieges Menschen sich nicht trauten, nach Spanien zu reisen. Erst jüngst wieder sei ein Flug von Los Angeles nach Deutschland storniert worden, weil in Deutschland angeblich die Sicherheitslage so bedenklich sei. Dennoch stehen bei Bernd Pütz die Zeichen auf „positiv“. „Wir legen Wert auf Qualität, gute Ausbildung, Service und Beratung“, sagt er. Die „ Geiz-ist-geil-Mentalität“ sieht er nicht, „sonst würde BMW doch kein einziges Auto verkaufen.“ Aufklärung sei das beste Rezept. Schließlich könne der Kunde ja nicht wissen, welche Machenschaften im jeweiligen Land einen Schnäppchen-Urlaub erst möglich machen, oder dass man beim Billigflug auch riskiert, einfach stehengelassen zu werden.
INTERNET-BUCHUNG NICHT ZWANGSLÄUFIG PREISWERTER
Die Kenntnis der Zusammenhänge und das Wissen um Urlaubsreisen, die „manchmal zur Verblüffung der Kunden gar nicht mehr kosten als bei einer Internet-Buchung“ seien das Pfund, mit dem Reisebüros wuchern könnten.
Im Kampf um die Provisionen der Fluggesellschaften hätten Verbände zwar Kopfstände gemacht, aber in den Augen von Bernd Pütz war der Druck nicht hoch genug. Er hat zudem Unterstützung von den Kammern vermisst.
„Herausforderungen“ und Hemmnisse sieht auch der Präsident des DRV, Klaus Laepple. Gleichwohl hat er im Mai in einem Fachvortrag Mut gemacht. Nach zwei Krisenjahren mit Personalabbau und Einstellungsstopps sei erstmals wieder beruflicher Erfolg in der Tourismus-Branche möglich. Er bezog sich auf eine Analyse der Prognos AG, die für den Tourismus in Europa ein reales Marktwachstum von fünf Prozent 2004 und 2005 sowie von jährlich drei bis vier Prozent bis 2010 vorausgesagt hat. Ohne weitere Schocks, so die Prognos AG, von geopolitischem Ausmaß würden die europäischen Touristen bis 2005 zur gewohnten Reiseintensität und –frequenz zurückkehren. Mit 25 Prozent Marktanteil bleibe Deutschland der wichtigste europäische Quellmarkt. Langfristig würden die Reiseausgaben hierzulande um 3,4 bis 3,8 Prozent ansteigen. Im Reisebüro-Benchmarking vom Februar 2003, das der DRV in Auftrag gibt, liest sich das so: „Es geht weiter bergab, aber mit verminderter Geschwindigkeit.“
Der Teufel scheint im Detail zu stecken, denn insgesamt scheint die Reisebranche im Bezirk der IHK Trier eine Trendwende zu spüren. Jeder zweite Betrieb geht von einer weiteren Verbesserung der Geschäftslage aus, nur jeder fünfte Betrieb rechnet mit einer Verschlechterung (im Vorjahr waren es noch 40 Prozent). Bei einer Erhebung hatten über die Hälfte der Reiseveranstalter und Reisebüros ihre Geschäftslage in der Wintersaison 2003/2004 als gut bezeichnet. Im Vergleich zum Vorjahr, als nur 20 Prozent „gut“ urteilten, ein deutlich besseres Ergebnis. Auch beim Umsatz konnten 46 Prozent der Unternehmen deutlich zulegen (Vorjahr: 7,1 Prozent). Die Zahl der gebuchten Reisen ins Ausland ist bei nahezu einem Drittel der Betriebe gestiegen. Die Mehrheit der Betriebe (53 Prozent) hatte jedoch auch in der Wintersaison mit sinkenden Buchungszahlen zu kämpfen.
Und manchmal ist „des einen Leid des anderen Freud“. Wenn es die Menschen auch weniger in die Ferne zieht, Reisen bleibt „ in“. Und wenn nicht Thailand, dann eben in die Region Trier.
WARUM IN DIE FERNE SCHWEIFEN
So verlief die Wintersaison 2003/2004 für Gastronomie- und Beherbergungsbetriebe im IHK-Bezirk zufriedenstellend.
Die Hotellerie bewertete das abgelaufene Winterhalbjahr tendenziell als gut bis befriedigend. 31 Prozent der Betriebe konnten ihren Umsatz im Vergleich zum Vorjahr steigern. Dies hat zur Folge, dass bereits jeder vierte Betrieb den erzielten Gewinn als gut bezeichnet (Vorjahr: 16 Prozent). Die Übernachtungsbetriebe mussten zwar Rückgänge bei den Geschäftsreisenden hinnehmen, doch im Bereich der Ferienhotellerie konnten die Hoteliers vom Trend zum Urlaub in Deutschland profitieren, welches auch die steigenden Übernachtungszahlen für Mosel, Eifel und Hunsrück verdeutlichen. Diese Entwicklung hat schließlich zu einer leichten Erhöhung der Aufenthaltsdauer der Gäste geführt. Infolge der Konjunkturflaute sind die Investitionsabsichten der Unternehmer weiterhin sehr zurückhaltend. In der Hotellerie verzichten 27 Prozent der Betriebe auf Investitionen (Vorjahr 16 Prozent), werden sie doch getätigt, dann geht es bei fast der Hälfte der Betriebe um Ersatzbeschaffungen.
Deutlich schwieriger ist die Lage der regionalen Gastronomieunternehmen zu bewerten. Selbst wenn nur 30 Prozent zurückgehende Umsätze beklagen, bilanzieren doch fast 50 Prozent der Gastronomen schrumpfende Gewinne. Die Gastronomie spürt eine deutliche Zurückhaltung des Verbrauchers beim Verzehr im Restaurant. Ungünstig auf die Geschäftsentwicklung wirkte sich in der zurückliegenden Wintersaison bei 54 Prozent der Hoteliers und 52 Prozent der Gastronomen die anhaltend schlechte Wirtschaftslage aus. „Das Ausgehverhalten hat sich verändert', so die Einschätzung von IHK-Geschäftsführer Albrecht Ehses. „Viele Gäste sparen beim Essen und Trinken.' Gastwirte dagegen gingen optimistischer in den Sommer. Immerhin erwarten über zwei Drittel der Betriebe, dass sich die Geschäftslage in der kommenden Saison stabilisiert und nicht weiter verschlechtert. 90 Prozent der Gastronomen beabsichtigen die Zahl ihrer Beschäftigten gleich zu halten, lediglich für sechs Prozent der Betriebe sind Personalreduzierungen unvermeidbar (Vorjahr: 29 Prozent). Resultierend aus der wirtschaftlichen Lage werden bei etwa 40 Prozent der Gastronomen die Investitionen abnehmen und auch keine Investitionen in der nächsten Saison getätigt.
Udo Hoffmann aus Trier will in diesem Jahr kombinieren. „ Pack die Badehose ein“ sagt er in den Ferien zu den Kindern nur, um ins Freibad zu fahren. Dennoch will auch er noch 2004 auf gepackten Koffern sitzen. So plant er eine Flugreise mit seiner Frau, sobald es im Herbst ungemütlich in Deutschland wird. Die Oma will auf die Kinder aufpassen. „Ich vertraue dabei immer meinem Reisebüro. Ich bin zwar Internet-Nutzer, habe aber Bedenken, meine Kreditkartennummer preiszugeben. Außerdem habe ich noch keine schlechten Erfahrungen mit dem Reisebüro gemacht. Die haben immer gute Tipps, und ich brauche mich um nichts zu kümmern.“ Und sollte mal etwas schief gehen, habe er ja Ansprechpartner zum Ausheulen.
Ingrid Fusenig
Dennoch, der DRV sieht nach heftigen Turbulenzen wieder einen Silberstreif am Horizont: „Es geht aufwärts“, heißt es.
Eine Einschätzung, die von einigen Betroffenen noch skeptisch betrachtet wird nach dem Motto: „Die Botschaft hör ich wohl, fürwahr mir fehlt der Glaube.“
FAMILIEN FEHLT DAS GELD FÜR DIE FLUGREISE
„Den vermeintlichen Aufwärtstrend kann ich für unser Büro überhaupt nicht bestätigen“, sagt zum Beispiel Vera Weber, Mit-Inhaberin des Trierer Reisebüros „Grenzenlos“. Und das, obwohl die Hauptkrisen „gegessen“ sind. „Die Epidemien sind im Griff, der Irak-Krieg ist vorbei. Trotzdem halten sich die Menschen mit Buchungen zurück.“ Aus Webers Sicht liegt die Flaute an der unsicheren wirtschaftlichen Lage: „Vor allem Familien fehlt das Geld für die Reise. Ohne unsere guten Stammkunden sähe es bitter aus.“ Zu schaffen mache der Branche auch der Provisionspoker der Fluggesellschaften. „Die Lufthansa ist mit der Streichung vorgeprescht, die anderen ziehen nach. Diese Politik geht eindeutig zu Lasten des Verbrauchers, auf den die Kosten abgewälzt werden“, so Weber. Selbst ein schlechter Sommer in Deutschland sei kein Garant für eine Wende: „Er hilft ein bisschen länger beim Überleben, aber auch nicht mehr.“
Hans-Dieter Schmitz vom „Reisebüro Grete Schmitz“ mit Standorten in Bitburg und Wittlich hofft trotzdem auf Mithilfe des Wettergottes. „2003 war das Wetter in Deutschland zu gut. Viele sind zu Hause geblieben. Regen könnte uns schon helfen“, sagt der 63-Jährige. Er ist seit vielen Jahren in der Branche, doch so negativ wie aktuell war es nie. „Der erwartete Schwung ist nicht eingetreten. Die Branche ist gebeutelt, hat schwer zu kämpfen“, stellt er klar. Die großen Internet-Anbieter wie „Opodo“ oder „LTUR“ setzten den Büros zu. Sehr gravierend sei auch, dass der Bereich der Gruppenreisen eingebrochen sei. Selbst ansonsten treues Klientel buche sehr kurzfristig. Personalabbau sei letztendlich wohl die einzige Schiene, die Reise-Handelsvertretern bleibe, wenigsten bei den Erträgen nicht in den Keller zu rutschen.
WISSEN IST DAS KAPITAL DER REISEBÜROS
Ansonsten gelte es, die Tugenden zu kommunizieren. „Wissen ist unser Gut. Wir kennen Hotels, Strände, Gebiete, können etwas über Studienreisen sagen. Viele Kunden wissen das noch zu schätzen, sind froh, wenn sich einer kümmert“, sagt Hans-Dieter Schmitz. Auch in punkto Reiseziele gebe es Nischen. Während eine Reise nach Bali immer noch schwer zu verkaufen sei, gingen die neuen Bundesländer, die deutsche Ostsee „wahnsinnig gut.“
„Sehr gute Auftragseingänge“ nähren dagegen bei der Trierer „Nix wie weg – Travel + Touristik GmbH“ die Hoffnung auf Besserung. „Während uns der 11. September das gute Jahr 2001 verhagelt hat, waren es 2003 der Irak-Krieg und SARS“, erzählt Geschäftsführer Ulrich Fichtenberg. Der Markt für Fernreisen sei „ eingebrochen“, nun aber liege das Niveau wieder knapp bei dem Annehmbaren von 2002. Fichtenberg setzt auf Kommunikation mit den Kunden, betreibt in Mailings Aufklärungsarbeit. „Wir beantworten ganz klar die Frage: Wie ist der Mehrwert, wenn der Kunde ins Reisebüro kommt? Wir wollen mit offenen Karten spielen.“ Selbst gut betuchte Kunden hätten durch die Werbung gesteuert eine hohe Erwartungshaltung.
5-Sterne-Hotel, ja bitte. Aber es darf nichts kosten. Die „ Geiz-ist-geil-Mentalität“ mache Schule. Und an diesem Punkt sei der Touristiker gefordert, müsse erklären, dass ein günstiger Flug allein noch keinen guten Urlaub macht. Fichtenberg: „Häufig gelten solche Schnäppchen zu uninteressanten Terminen oder ungünstigen Flugzeiten.“ Punkten könne man immer dann, wenn Reisen „gebastelt“ werden, wenn also der Fachmann die Reise zusammenstellt und dabei klimatische Verhältnisse, Erlebnisfaktor oder Flugverbindungen in Einklang bringt. Trotzdem findet auch er: „Alle haben zu kämpfen in der Reisebranche, nicht zuletzt auch durch die Provisionskürzungen, die einer Preiserhöhung gleichkommen.“ Ein Dorn im Auge ist Ulrich Fichtenberg auch die Tendenz, dass luxemburgische Reisebüros sich bei gutem Personal in Trier bedienen. „Wir bilden aus, die Luxemburger nicht, locken aber mit hohen Netto-Gehältern und schöpfen den Rahm ab.“
Dennoch blickt „Nix wie weg“ „recht optimistisch“ in die Zukunft. Seit 1988 am Uni-Standort „Im Treff“ „kommen wir noch gut durch.“
DER DRITTE URLAUB WIRD GESTRICHEN
Bis Ostern verzeichnete das Reisebüro Rudolf Friedrich ein gutes Buchungsverhalten, dann kam ein Einbruch. Hauptsitz der GmbH ist Bernkastel-Kues, vertreten ist sie auch in Morbach und Traben-Trarbach. „Viele Kunden gehen über den Preis, da macht uns wegen der Nähe zum Hahn natürlich die Ryan-Air zu schaffen“, sagt Stefanie Schmidt, Büroleiterin in Bernkastel-Kues. Familien blieben weg, auch am „dritten Urlaub“ werde gespart, das heißt „ Reisen von Kegelclubs sind fast gegen Null gegangen.“ Trotzdem versuche das Reisebüro nicht über Prozente Kunden zu halten oder anzulocken. So eine Politik mache am Ende alles kaputt. „Wir setzen auf unsere Stärke, bieten einen optimalen Service. Sei es, dass wir einen Kundenwunsch erfüllen oder ein nettes Fax an das Hotel schicken und nach dem Befinden der Urlauber fragen“, so Schmidt. Auch das Standbein „Wissen“ sei wichtig. Wenn man dem Kunden zeigen kann, wie viele verschiedene Möglichkeiten der Gestaltung seiner Reise er hat, dann weiß er das auch zu schätzen. Die Friedrich GmbH habe nicht umsonst so viele Stammkunden und weniger Laufkundschaft.
WIR SCHLAGEN UNS SCHON DURCH
Doch auch Stefanie Schmidt verhehlt nicht, dass Kosten für Kommunikation und Personal Büros auffressen, gleichzeitig die Provisionen immer geringer ausfallen. Trotzdem: „Mit einem positiven, gesunden Betriebsklima schlagen wir uns hier schon durch.“ Für diese Aussage gäbe es mit Sicherheit Applaus vom Willy Scharnow-Institut für Tourismus der Freien Universität Berlin. Dort wurde die „künftige Rolle der Reisebüros aus Kundensicht“ analysiert: Wichtig sei, Vertrauenspotenziale auf- und auszubauen, „souveräne und zufriedene Mitarbeiter schaffen begeisterte und loyale Kunden.“
Dennoch: „Die politischen Vorzeichen machen alles kaputt“, schimpft Bernd Pütz vom Reisebüro Pütz, Luxtours-Reisebüro GmbH in Bitburg. Verunsichert würden die Menschen durch Panikmache in der Presse und so verbreitete „hetzerische, schlecht recherchierte Aussagen“. Es sei schon bezeichnend, wenn während des Irak-Krieges Menschen sich nicht trauten, nach Spanien zu reisen. Erst jüngst wieder sei ein Flug von Los Angeles nach Deutschland storniert worden, weil in Deutschland angeblich die Sicherheitslage so bedenklich sei. Dennoch stehen bei Bernd Pütz die Zeichen auf „positiv“. „Wir legen Wert auf Qualität, gute Ausbildung, Service und Beratung“, sagt er. Die „ Geiz-ist-geil-Mentalität“ sieht er nicht, „sonst würde BMW doch kein einziges Auto verkaufen.“ Aufklärung sei das beste Rezept. Schließlich könne der Kunde ja nicht wissen, welche Machenschaften im jeweiligen Land einen Schnäppchen-Urlaub erst möglich machen, oder dass man beim Billigflug auch riskiert, einfach stehengelassen zu werden.
INTERNET-BUCHUNG NICHT ZWANGSLÄUFIG PREISWERTER
Die Kenntnis der Zusammenhänge und das Wissen um Urlaubsreisen, die „manchmal zur Verblüffung der Kunden gar nicht mehr kosten als bei einer Internet-Buchung“ seien das Pfund, mit dem Reisebüros wuchern könnten.
Im Kampf um die Provisionen der Fluggesellschaften hätten Verbände zwar Kopfstände gemacht, aber in den Augen von Bernd Pütz war der Druck nicht hoch genug. Er hat zudem Unterstützung von den Kammern vermisst.
„Herausforderungen“ und Hemmnisse sieht auch der Präsident des DRV, Klaus Laepple. Gleichwohl hat er im Mai in einem Fachvortrag Mut gemacht. Nach zwei Krisenjahren mit Personalabbau und Einstellungsstopps sei erstmals wieder beruflicher Erfolg in der Tourismus-Branche möglich. Er bezog sich auf eine Analyse der Prognos AG, die für den Tourismus in Europa ein reales Marktwachstum von fünf Prozent 2004 und 2005 sowie von jährlich drei bis vier Prozent bis 2010 vorausgesagt hat. Ohne weitere Schocks, so die Prognos AG, von geopolitischem Ausmaß würden die europäischen Touristen bis 2005 zur gewohnten Reiseintensität und –frequenz zurückkehren. Mit 25 Prozent Marktanteil bleibe Deutschland der wichtigste europäische Quellmarkt. Langfristig würden die Reiseausgaben hierzulande um 3,4 bis 3,8 Prozent ansteigen. Im Reisebüro-Benchmarking vom Februar 2003, das der DRV in Auftrag gibt, liest sich das so: „Es geht weiter bergab, aber mit verminderter Geschwindigkeit.“
Der Teufel scheint im Detail zu stecken, denn insgesamt scheint die Reisebranche im Bezirk der IHK Trier eine Trendwende zu spüren. Jeder zweite Betrieb geht von einer weiteren Verbesserung der Geschäftslage aus, nur jeder fünfte Betrieb rechnet mit einer Verschlechterung (im Vorjahr waren es noch 40 Prozent). Bei einer Erhebung hatten über die Hälfte der Reiseveranstalter und Reisebüros ihre Geschäftslage in der Wintersaison 2003/2004 als gut bezeichnet. Im Vergleich zum Vorjahr, als nur 20 Prozent „gut“ urteilten, ein deutlich besseres Ergebnis. Auch beim Umsatz konnten 46 Prozent der Unternehmen deutlich zulegen (Vorjahr: 7,1 Prozent). Die Zahl der gebuchten Reisen ins Ausland ist bei nahezu einem Drittel der Betriebe gestiegen. Die Mehrheit der Betriebe (53 Prozent) hatte jedoch auch in der Wintersaison mit sinkenden Buchungszahlen zu kämpfen.
Und manchmal ist „des einen Leid des anderen Freud“. Wenn es die Menschen auch weniger in die Ferne zieht, Reisen bleibt „ in“. Und wenn nicht Thailand, dann eben in die Region Trier.
WARUM IN DIE FERNE SCHWEIFEN
So verlief die Wintersaison 2003/2004 für Gastronomie- und Beherbergungsbetriebe im IHK-Bezirk zufriedenstellend.
Die Hotellerie bewertete das abgelaufene Winterhalbjahr tendenziell als gut bis befriedigend. 31 Prozent der Betriebe konnten ihren Umsatz im Vergleich zum Vorjahr steigern. Dies hat zur Folge, dass bereits jeder vierte Betrieb den erzielten Gewinn als gut bezeichnet (Vorjahr: 16 Prozent). Die Übernachtungsbetriebe mussten zwar Rückgänge bei den Geschäftsreisenden hinnehmen, doch im Bereich der Ferienhotellerie konnten die Hoteliers vom Trend zum Urlaub in Deutschland profitieren, welches auch die steigenden Übernachtungszahlen für Mosel, Eifel und Hunsrück verdeutlichen. Diese Entwicklung hat schließlich zu einer leichten Erhöhung der Aufenthaltsdauer der Gäste geführt. Infolge der Konjunkturflaute sind die Investitionsabsichten der Unternehmer weiterhin sehr zurückhaltend. In der Hotellerie verzichten 27 Prozent der Betriebe auf Investitionen (Vorjahr 16 Prozent), werden sie doch getätigt, dann geht es bei fast der Hälfte der Betriebe um Ersatzbeschaffungen.
Deutlich schwieriger ist die Lage der regionalen Gastronomieunternehmen zu bewerten. Selbst wenn nur 30 Prozent zurückgehende Umsätze beklagen, bilanzieren doch fast 50 Prozent der Gastronomen schrumpfende Gewinne. Die Gastronomie spürt eine deutliche Zurückhaltung des Verbrauchers beim Verzehr im Restaurant. Ungünstig auf die Geschäftsentwicklung wirkte sich in der zurückliegenden Wintersaison bei 54 Prozent der Hoteliers und 52 Prozent der Gastronomen die anhaltend schlechte Wirtschaftslage aus. „Das Ausgehverhalten hat sich verändert', so die Einschätzung von IHK-Geschäftsführer Albrecht Ehses. „Viele Gäste sparen beim Essen und Trinken.' Gastwirte dagegen gingen optimistischer in den Sommer. Immerhin erwarten über zwei Drittel der Betriebe, dass sich die Geschäftslage in der kommenden Saison stabilisiert und nicht weiter verschlechtert. 90 Prozent der Gastronomen beabsichtigen die Zahl ihrer Beschäftigten gleich zu halten, lediglich für sechs Prozent der Betriebe sind Personalreduzierungen unvermeidbar (Vorjahr: 29 Prozent). Resultierend aus der wirtschaftlichen Lage werden bei etwa 40 Prozent der Gastronomen die Investitionen abnehmen und auch keine Investitionen in der nächsten Saison getätigt.
Udo Hoffmann aus Trier will in diesem Jahr kombinieren. „ Pack die Badehose ein“ sagt er in den Ferien zu den Kindern nur, um ins Freibad zu fahren. Dennoch will auch er noch 2004 auf gepackten Koffern sitzen. So plant er eine Flugreise mit seiner Frau, sobald es im Herbst ungemütlich in Deutschland wird. Die Oma will auf die Kinder aufpassen. „Ich vertraue dabei immer meinem Reisebüro. Ich bin zwar Internet-Nutzer, habe aber Bedenken, meine Kreditkartennummer preiszugeben. Außerdem habe ich noch keine schlechten Erfahrungen mit dem Reisebüro gemacht. Die haben immer gute Tipps, und ich brauche mich um nichts zu kümmern.“ Und sollte mal etwas schief gehen, habe er ja Ansprechpartner zum Ausheulen.
Ingrid Fusenig