Die Unternehmen können die Herausforderungen der Transformation nur stemmen, wenn sie dadurch nicht ihre Wettbewerbsfähigkeit einbüßen. Dies ist ein zentrales Ergebnis des diesjährigen Energiewende-Barometers der IHK-Organisation und zeigt sich sowohl auf Bundesebene als auch in Rheinland-Pfalz. Die Umfrage, an der sich bundesweit etwa 3.600 Unternehmen über alle Branchen und Regionen hinweg beteiligt haben, zeigt das aktuelle Stimmungsbild der Unternehmen zur Energiewende sehr anschaulich.
„In vielen Betrieben dominieren weiterhin Skepsis und Verunsicherung beim Stichwort Energiewende“, sagt Arne Rössel, Sprecher der IHK-Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz. „Nach wie vor zu hohe Energiekosten, untragbare Bürokratie und die insgesamt herausfordernde wirtschaftliche Situation führen dazu, dass weniger Kapazitäten und finanzielle Mittel für Klimaschutz zur Verfügung stehen.“ Viele Industrieunternehmen diskutieren laut der Erhebung weiterhin, ob sie ihren Standort aufgeben. Hinzu tritt verstärkt eine Unsicherheit darüber, welcher politische Kurs in der Energie- und Klimapolitik auf Landes- und Bundesebene eingeschlagen wird beziehungsweise eingeschlagen werden sollte. Die Folge: „Die Unternehmen warten ab. Oft werden nur noch bereits begonnene Projekte beendet. Die Energiewende steht vielerorts auf Standby“, so Rössel weiter.
Unternehmen weiterhin skeptisch
Auf einer Skala von minus 100 (sehr negativ) bis plus 100 (sehr positiv) beurteilen die Unternehmen die Energiewende dieses Jahr im Schnitt mit einem Wert von minus 8,3. Rheinland-Pfalz erreicht dabei exakt den Bundeswert. Damit ist die Sicht auf die Energiewende zwar nicht mehr so skeptisch wie im Vorjahr (bundesweit: minus 20 Prozent, RLP: minus 21 Prozent), liegt aber weiterhin im negativen Bereich. Die Sorge um die Wettbewerbsfähigkeit treibt viele Unternehmen um. So beurteilt sowohl im Land als auch bundesweit mehr als jedes dritte Unternehmen (genau: 36 Prozent) die Auswirkungen der Energiewende auf die eigene Wettbewerbsfähigkeit negativ. Positive Auswirkungen konstatiert national nur jedes vierte Unternehmen; in Rheinland-Pfalz nur jedes fünfte.
Gerade für Rheinland-Pfalz sind die Rückmeldungen aus den Industrieunternehmen besorgniserregend: Mehr als die Hälfte berichtet hier von unmittelbaren Wettbewerbsnachteilen (52 Prozent); nicht einmal jedes sechste Industrieunternehmen sieht positive Effekte. „Das ist eindeutig zu wenig, um Rheinland-Pfalz zu einem Gewinner der Transformation zu machen und die hiesigen Betriebe, die jahrzehntelang Wohlstand, sichere Arbeitsplätze und stabile Steuereinnahmen garantiert haben, im internationalen Wettbewerb konkurrenzfähig zu halten“, analysiert Steffen Blaga, Umwelt- und Energiepolitischer Sprecher der IHK-Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz.
Denn das IHK-Energiewende-Barometer zeigt einmal mehr: Die Mehrheit der Unternehmen steht fest zu dem Ziel, klimaneutral zu werden. So setzt sich in Rheinland-Pfalz mit über 91 Prozent der Unternehmen (bundesweit: 89 Prozent) die große Mehrheit ein eigenes Ziel in Bezug auf die Klimaneutralität bis spätestens 2045. Wo wirtschaftlich möglich, verfolgen die Betriebe in RLP ambitioniertere Ziele: So plant jedes dritte Unternehmen, Klimaneutralität schon bis zum Jahr 2040 zu erreichen entsprechend dem jüngst verabschiedeten rheinland-pfälzischen Landesklimaschutzziel (bundesweit: 43 Prozent). 26 Prozent der Unternehmen auf Bundes- und Landesebene streben Klimaneutralität bis zum Jahr 2030 an – allen voran die Unternehmen aus Dienstleistung und Handel. Drei Prozent der Unternehmen gaben an, bereits klimaneutral zu sein (bundesweit: 6 Prozent).
Als größtes Hemmnis auf dem Weg zur Klimaneutralität sehen die meisten Unternehmen die ausufernde Bürokratie, gefolgt von unzureichenden Informationen, fehlender Planungssicherheit und mangelnder Verlässlichkeit der Energiepolitik. Eine weitere große Hürde sind lange Genehmigungsverfahren und fehlende oder mangelhafte Infrastruktur.
Hohe Energiepreise belasten Unternehmen
Die hohen Energiepreise sind weiterhin ein Thema für die Unternehmen. Etwa die Hälfte der Unternehmen in Rheinland-Pfalz und auch bundesweit berichtet von gestiegenen Preisen für Strom und Wärme in den vergangenen zwölf Monaten. „Unternehmen in Deutschland zahlen deutlich mehr für Strom und Wärme als ihre Wettbewerber in anderen Ländern. Geld, das an anderer Stelle fehlt, nicht zuletzt bei den Investitionen in die Transformation der eigenen Produktionsprozesse“, erklärt Blaga.
Tatsächlich stellen laut Energiewende-Barometer die rheinland-pfälzischen Unternehmen Investitionen besonders in Klimaschutzmaßnahmen im Vergleich zum Vorjahr zurück. 39 Prozent (bundesweit: 41 Prozent) aller Unternehmen und sogar 55 Prozent (bundesweit: 63 Prozent) der Industrieunternehmen sehen sich durch die hohen Energiepreise vor allem gegenüber ihren internationalen Konkurrenten benachteiligt. Inzwischen schränkt mehr als jedes zweite große Industrieunternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern (Rheinland-Pfalz: 60 Prozent, bundesweit: 59 Prozent) seine Produktion aufgrund der hohen Energiekosten im Inland ein beziehungsweise plant, dies zu tun. Dies ist nochmal eine Steigerung gegenüber den Vorjahren und droht zu einem stabilen Trend zu werden.
Forderungen an die Politik: Weniger Bürokratie, mehr Verlässlichkeit in Energiepolitik und Infrastruktur
Damit die Energiewende in den Betrieben wieder in Schwung kommt, haben die Unternehmen klare Vorstellungen: 87 Prozent (bundesweit: 82 Prozent) der Unternehmen fordern, dass die Politik die Steuern und Abgaben auf den Strompreis senkt. Auch bessere Rahmenbedingungen für Eigenversorgung und Direktlieferverträge (PPAs) sind für vier von fünf Unternehmen wichtig (jeweils 81 Prozent). Fast drei Viertel der Unternehmen (Rheinland-Pfalz: 71 Prozent, bundesweit: 72 Prozent) fordern eine verlässliche Infrastruktur. Deutlich mehr als die Hälfte der Unternehmen im Bundesland (62 Prozent) befürwortet einen Rechtsrahmen für die CO2-Abscheidung und -Speicherung (bundesweit: 51 Prozent).
Wasserstoff verliert an Bedeutung
Wasserstoff spielt in den strategischen Überlegungen der rheinland-pfälzischen Unternehmen eine immer geringere Rolle. Haben 2023 und 2024 in Rheinland-Pfalz noch 59 (bundesweit: 52 Prozent) der befragten Unternehmen dem Zugang zur Wasserstofftechnologie eine strategische Rolle in ihrer Klimaschutzstrategie beigemessen, sind es in diesem Jahr nur noch 39 Prozent. Auch dies kann als Indiz für eine andauernde Planungsunsicherheit und Investitionszurückhaltung in Rheinland-Pfalz und bundesweit gewertet werden, die auf den stockenden Hochlauf der Wasserstofftechnologie zu marktfähigen Preisen zurückgeht.
„Die Rückmeldungen aus den Unternehmen zeigen deutlich: Es braucht dringend eine Generalüberholung der deutschen Energiepolitik“, fasst Rössel zusammen. „Die erfolgreiche Transformation der Wirtschaft ist nur möglich mit praktikablen und attraktiven Rahmenbedingungen für die Unternehmen.“
Über das (D)IHK-Energiewende-Barometer:
An der Umfrage haben sich bundesweit 3.600 Unternehmen beteiligt, darunter 160 Betriebe aus Rheinland-Pfalz. Die Antworten stammen etwa zur Hälfte aus der Dienstleistungsbranche (bundesweit: 56 Prozent, Rheinland-Pfalz: 48 Prozent), gefolgt von Industrieunternehmen (bundesweit: 23 Prozent, Rheinland-Pfalz: 25 Prozent) und Handel (bundesweit: 15 Prozent, Rheinland-Pfalz: 21 Prozent). Unternehmen der Bauwirtschaft sind mit jeweils 6 Prozent am wenigsten vertreten. Die Umfrage zeigt ein repräsentatives Stimmungsbild der gewerblichen Wirtschaft in Deutschland und vor Ort. Die Aggregation auf Bundesebene erfolgt über eine regionale und branchenbezogene Gewichtung, die auf Beschäftigtenzahlen basiert. Alle Daten der Auswertungen sind gewichtete Zahlen. Die Befragung fand vom 10. bis zum 30. Juni 2025 statt.
Weitere Ergebnisse der Umfrage werden unter https://www.ihk-rlp.de/themen/umwelt-und-energie veröffentlicht.
Innovation, Umwelt, Energie
Christian Kien
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