Sprungmarken zu den wichtigsten Seitenabschnitten


Hauptinhalt Servicelinks


IHK Trier


Seitenkopf

Seitenhauptinhalt

01.10.2005

Kaufmännischer Sachverstand unterstützt die Gerichte


Dieser Text ist vom 01.10.2005 und könnte inhaltlich veraltet sein.

Handelsrichter wirken ehrenamtlich mit

Die deutsche Gerichtsbarkeit kennt die Mitwirkung ehrenamtlicher Richter in vielfältiger Form, zum Beispiel in der Straf-, Finanz-, Verwaltungsarbeits- und Sozialgerichtsbarkeit. Unter den ehrenamtlichen Richtern nehmen die Handelsrichter jedoch eine besondere Stellung ein. Die Geschichte der Handelsrichter wurde von der Entwicklung des Handelsrechts bestimmt. Dies führte zur Herausbildung besonderer Einrichtungen, die mit wirtschaftlichem Sachverstand Handelssachen zu entscheiden hatten. Während sich im römischen Recht nur vereinzelt besondere handelsrechtliche Anspruchsgrundlagen finden, entwickelte sich im Mittelalter in den germanisch-romanischen Ländern gewohnheitsrechtlich ein Ständerecht der Kaufleute, das in Stadtrechten und Statuten der Kaufmannsgilden seinen Niederschlag fand. Eines der ersten deutschen Kaufmannsgerichte war das Nürnberger Bankoamt, das in einem kaiserlichen Edikt von Maximilian dem Ersten von 1508 mit den Worten beschrieben wurde: „…dass überhaupt niemand geschickter ist, die obgemeldeten Gebrechen der Kaufleut und Kaufmannshändel zu entscheiden, als die verständigen Kaufleut selbst“.

 

Historische Rechtsentwicklung

Der unter Napoleon 1807 zustande gekommene “Code de commerce“ sah für die Entscheidung der Handelssachen besondere, nur mit Kaufleuten besetzte Handelsgerichte vor. Unter der französischen Herrschaft wurden diese auch auf Deutschland übertragen. Er beeinflusste die Handelsgesetzgebung vielfältiger anderer Staaten. Das erste deutsche Handelsgericht wurde 1804 in Nürnberg errichtet; es entsprach in seiner Besetzung mit einem Juristen und zwei Kaufleuten bereits der heutigen Kammer für Handelssachen. Man sprach bei dieser Besetzung vom „deutschen System“, weil die französischen Handelsgerichte ausschließlich mit Kaufleuten besetzt waren. In den Beratungen zum Gerichts-Verfassungsgesetz, das 1879 in Kraft trat, erarbeitete man die heutige Konstruktion, wonach die Kammer für Handelssachen eine besondere Kammer des Landgerichts im Rahmen ihrer fachlichen Zuständigkeit sein sollte, in der kaufmännischer Sachverstand und das Wissen um handelsübliche Usancen bei der Entscheidung von Handelssachen schon auf der Richterbank institutionell verankert sein sollte. Seit diesem Zeitpunkt gibt es in Deutschland diese besondere Gerichtsbarkeit der Kaufleute, die jeweils mit einem Volljuristen als vorsitzendem Richter und zwei ehrenamtlichen Richtern aus der Kaufmannschaft besetzt ist. Bei der Entscheidung des Gerichts zählt die Stimme jedes Einzelnen gleich viel.

 

IHK schlägt Richter vor

Die ehrenamtlich tätigen Handelsrichter – erfahrene Kaufleute – werden auf gutachtlichen Vorschlag der IHK für die Dauer von mittlerweile fünf Jahren vom Justizminister des Landes Rheinland-Pfalz ernannt; eine wiederholte Berufung ist möglich. Zum ehrenamtlichen Richter kann unter anderem ernannt werden, wer:

  1. Deutscher ist
  2. das 30. Lebensjahr vollendet hat und
  3. als Kaufmann, Vorstandsmitglied oder Geschäftsführer einer juristischen Person oder als Prokurist in das Handelsregister oder Genossenschaftsregister eingetragen war.

Darüber hinaus soll er in dem Bezirk der Kammer für Handelssachen wohnen oder in diesem Bezirk eine Handelsniederlassung unterhalten oder einem Unternehmen angehören, das in diesem Bezirk seinen Sitz oder seine Niederlassung hat. Prokuristen oder Vorstandsmitglieder können nur bei entsprechend eigenverantwortlicher und einer selbstständigen vergleichbaren Tätigkeit ernannt werden.

Nicht ehrenamtlicher Richter werden kann, wer zu dem Amt eines Schöffen unfähig ist oder zum Amt eines Schöffen nicht berufen werden soll.

 

Über welche Angelegenheiten entscheiden Kammern für Handelssachen?

Sie werden nur auf ausdrücklichen Antrag des Klägers oder des Beklagten angerufen; sie entscheiden ausdrücklich nur in Handelssachen. Hierzu zählen Handelsgeschäfte, Wechsel-, Scheck- und Urkundsprozesse, Angelegenheiten des gewerblichen Rechtschutzes, des unlauteren Wettbewerbs, des Handelsvertreterrechts, Beschwerden in Handelsregisterangelegenheiten und so weiter. Im Unterschied zu den ehrenamtlichen Beisitzern im Arbeitsgerichtsprozess, bei denen jeweils einer der beiden Beisitzer Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter ist und damit in gewissem Grad stärker die Interessen der ein oder anderen Seite zur Geltung bringt, sind Handelsrichter zu absoluter Neutralität verpflichtet. Ein Fabrikant, der als Handelsrichter über Provisionsansprüche eines Handelsvertreters zu entscheiden hat, darf also nicht aus Kollegialität den Standpunkt des Unternehmers unterstützen, ein Großhändler darf sich nicht als Gegner des mit einem anderen Großhändler prozessierenden Herstellers fühlen.

Kaufleute wünschen ein schnelles Gerichtsverfahren, das Zitat „Zeit ist Geld“ entspricht einer alten Kaufmannsregel. Daher kommen vor die Kammer für Handelssachen in besonderem Maße auch beschleunigungsbedürftige Verfahren wie Wechsel- und Scheckprozesse, Arrest, einstweilige Verfügungssachen, Wettbewerbsverstöße und Ähnliches.

 

Ehrenamtliche Tätigkeit

Während ehrenamtliche Richter in der Arbeits-, Sozial- und Strafgerichtsbarkeit für ihren Zeitverlust eine Entschädigung erhalten, werden den Handelsrichtern lediglich Fahrt- und sonstige Reisekosten ersetzt. Angesichts des Zeit- und Verdienstausfalls, den gerade Kaufleute bei betrieblicher Abwesenheit erleiden, erscheint dies als Ungleichbehandlung. Tatsächlich aber beruht die Mitwirkung von Handelsrichtern in erheblichem Maße auf eigenem Wunsch (im Unterschied zu Schöffen, die sich diesem Amt bei Benennung nicht entziehen können) wobei sie gerne auf Entschädigung für ihre Anwesenheit verzichten, zugunsten des Privilegs, in dieser eigenen Gerichtsbarkeit für Kaufleute verantwortungsvoll mitwirken zu können und diese im Interesse der Wirtschaft aufrecht zu erhalten. Das Amt der Handelsrichterin und des Handelsrichters ist daher im wahrsten Sinne des Wortes ein Ehrenamt. Seine Ausübung, die die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Justiz wesentlich fördert, ist eine hervorragende Tugend demokratischen Selbstverständnisses. Gerade die IHKs, deren Existenz auf demokratischem und freiwilligem Kaufmannsengagement beruht, weiß dieses Engagement besonders zu schätzen. Das Landgericht Trier hat zurzeit insgesamt 14 Handelsrichter ernannt.

 

Dass dieses inzwischen fast 130 Jahre alte System sogar der Reformwut unserer Tage zu trotzen vermochte, beweist wohl besser als jedes andere Argument Wichtigkeit, Aktualität und Funktionsfähigkeit dieser Einrichtung und die Richtigkeit der damaligen Entscheidung.

Rolf Ersfeld

Seitenfuß