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01.09.2022

Krisenmanager in Kriegszeiten


Dieser Text ist vom 01.09.2022 und könnte inhaltlich veraltet sein.

Materialknappheit, Gasmangel, gestörte Lieferketten: Wie regionale Unternehmen auf die Auswirkungen des russischen Angriffs auf die Ukraine reagieren

Als im Februar die russische Armee in der Ukraine einmarschierte, waren die Menschen in ganz Europa geschockt. Viele wollten den betroffenen Ukrainern sofort helfen, auch zahlreiche Unternehmen hier vor Ort. Gleichzeitig spüren zahlreiche regionale Betriebe Auswirkungen des Krieges auf das Tagesgeschäft und müssen reagieren.

Wir müssen etwas tun! Diesen Gedanken hatten die Mitglieder des Wirtschaftskreises Bernkastel-Wittlich sofort. Bereits drei Tage nach Kriegsbeginn fingen sie an, Spenden zu sammeln. Olga Schreiner-Centorbi, die in der Ukraine geboren ist und seit 1997 das Unternehmen HRS Dienstleistungen Schreiner in Binsfeld leitet, wurde von Freunden und Bekannten angesprochen, ob sie Kontakte habe und Hilfe in die Ukraine bringen könne. Ähnlich ging es anderen Mitgliedern des Wirtschaftskreises. Bevor sie verschiedene Einzelaktionen starteten, setzten sie sich zusammen und suchten nach einer gemeinsamen Strategie. Frank Weigelt, DeForis Unternehmensberatung und Vorsitzender des Wirtschaftskreises, berichtet: „Wir haben uns samstags mit acht Personen getroffen und überlegt, wie wir sinnvoll helfen können und wo sich jeder einbringen könnte.“ Ergebnisse gab es schnell.
Tanja Schäfer-Raskob vom Busunternehmen Raskob in Kinderbeuern erzählt: „Ich bin von der Sitzung nach Hause gekommen und habe meinem Mann gesagt: Wir fahren in die Ukraine und helfen den Flüchtenden, dort herauszukommen.“ Der habe erwidert: „Ja, aber wir fahren nicht mit einem leeren Bus, sondern nehmen Spenden mit.“ Sie starteten einen Aufruf nach Hygiene- und Babyartikeln, Medikamenten, Konserven und Tiernahrung. Die Resonanz war überwältigend und das angemietete Sporthäuschen im Ort schnell voll, so dass sich nicht nur der Bus, sondern auch ein 12-Tonner-Lastwagen auf den Weg machen konnte. Mit zwei ukrainischen Übersetzern und drei Fahrern ging es mit den Spenden und einem Tankgutschein der Moselbahn 1270 Kilometer zum Hauptbahnhof nach Budapest, wo die Menschen aus der Ukraine mit Zügen ankamen.
Ein ungarischer Mitbürger aus Bausendorf hatte sich um das Organisatorische vor Ort gekümmert. Marco Schäfer berichtet: „Als wir ankamen, halfen alle mit auszuladen, die Hilfskräfte dort und auch die Polizei. Sie waren sehr dankbar.“ Ein Schild „Germany“ und die Übersetzer trugen dazu bei, dass die Ukrainer eine Idee davon hatten, wo sie hinkämen, wenn sie in den Bus steigen. „Sie waren erst einmal orientierungslos, ängstlich und wussten nicht richtig, wo sie hinsollten. Das war sehr bewegend und das vergisst man sein ganzes Leben lang nicht mehr“, sagt Marco Schäfer. „Wir haben nur Menschen mit Pässen mitgenommen und genau geschaut, wer in den Bus einsteigt.“ So beobachteten sie beispielsweise einen alleinerziehenden Vater genau, weil sie sich sicher sein wollten, dass es tatsächlich der Vater ist, bevor sie ihn und den Jungen mitnahmen.
Parallel dazu machte sich Olga Schreiner-Centorbi auf die Suche nach Unterkünften. „Der Bus war schon auf dem Rückweg – und wir hatten noch keine Unterkünfte. Es war nicht leicht, aber schließlich konnten wir in Mont Royal Häuser mieten, dort kamen sie uns mit den Preisen entgegen.“ Die Rechnung übernahmen Mitglieder des Wirtschaftskreises. Nach einem Monat dort zogen die Flüchtlinge nach Mülheim in eine leerstehende Pension um. Hubert Barzen von der Firma Transprota in Wittlich erzählt: „Wir haben uns mit Freunden und den Flüchtlingen um die Inneneinrichtung gekümmert, beispielsweise Möbel aufgebaut, Elektrogeräte, die gespendet wurden, angeschlossen und zum Abschluss einen Grillabend organisiert.“
Damit ist das Engagement aber noch nicht beendet: Gemeinsam mit dem Kinderschutzbund Wittlich wurden über die Crowdfunding-Plattform der Vereinigten Volksbank Raiffeisenbank Gelder gesammelt, um Sprachkurse zu finanzieren. Mit Unterstützung des Lions Club Wittlich wurden weitere Transporte von humanitären Hilfsgütern in die Ukraine organisiert. Inzwischen gehen die ukrainischen Kinder in den Kindergarten und die Schule. Ob die Flüchtlinge, vor allem Frauen und Kinder, bleiben werden, ist derzeit ungewiss. „Das hängt davon ab, wie es ihren Männern in der Ukraine ergeht und ob sie nach dem Krieg mithelfen wollen, ihr Land wieder aufzubauen“, erläutert Wirtschaftskreisvorsitzender Weigelt.     

Neuer Mitarbeiter aus der Ukraine
Als Marcus Krüger in den Nachrichten vom Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine hörte, war sein erster Gedanke „Wo rennt der Spritpreis noch hin?“, denn zwischen Mai 2020 und Mai 2022 hatte sein Unternehmen „Krüger Logistik“ schon 1,8 Millionen Euro Mehrkosten an Diesel. Zudem wird die 25 000 Quadratmeter große Hallenfläche am Logistikstandort in Föhren mit Gas geheizt. Krüger erklärt: „Strom erzeugen wir durch eine Photovoltaikanlage, aber wir brauchen immer noch Gas und Diesel, damit unser Betrieb funktioniert.“ Und die Herausforderungen sind gestiegen: Reduzierte Lagerbestände, weil einfach keine Ware ankommt, oder nicht fertig gestellte Produkte, weil Kartonagen zum Verpacken nicht zu bekommen sind, Etiketten oder Verschlüsse fehlen und die Produktionsketten, die streng aufeinander abgestimmt sind, nicht eingehalten werden können, sind zwei Beispiele. Auf der anderen Seite fahren viele Firmen momentan ihre Produktion hoch, weil sie Angst vor Gassubventionierungen oder weiteren Lieferengpässen haben. Marcus Krüger: „Solange alles da ist, wird produziert, und so viel wie es geht, bei uns gelagert, damit bei Engpässen noch Reserven da sind. Für diese Herausforderungen bedarf es individuelle Logistiklösungen.“
Doch als Ende März das Telefon in seiner Firma klingelte und die Ortsbürgermeisterin von Föhren, Rosi Radant, am Telefon war, waren diese Gedanken für einen Moment zweitrangig. Sie fragte an, ob er bereit wäre, Flüchtlingen aus der Ukraine, die im Dorf angekommen seien, eine Arbeit anzubieten.
Krüger bejahte sofort – und Yehven Hryshchenko kam zum Vorstellungsgespräch. „Er hat drei kleine Kinder und durfte deshalb aus der Ukraine ausreisen. Als er mit seiner Familie fortging, hatte der Krieg gerade erst begonnen, ob er das heute noch dürfte, ist fraglich“, sagt Krüger. Yehven, der einen kaufmännischen Hintergrund hat, hinterließ einen guten Eindruck. Dank eines Übersetzungsprogramms auf dem Handy konnten sich die beiden beim ersten Kontakt verständigen. Inzwischen unterstützen zwei Beschäftigte der Firma bei der Kommunikation: Vladimir aus Moldawien und Eugen aus Tschetschenien. Nichtsdestotrotz ist das Erlernen der deutschen Sprache ein wichtiges Ziel des Beschäftigten. In Föhren gibt es Sprachkurse, für die Yehven seine Arbeit unterbrechen darf. „Wenn die Sprachkenntnisse sich verbessern, kann er bei uns weiterkommen, beispielsweise als Schichtleiter oder in der Lagerverwaltung. Momentan kommissioniert und konfektioniert er und fährt Stapler und Elektroameise.“  
Als große Hürde für die Einstellung erwies sich die Bürokratie. Nachdem klar war, dass er Yehven einstellen möchte, rief Marcus Krüger sein Steuerbüro an und gab gleich den 1. April als gewünschten Arbeitsbeginn an. Doch so schnell ging es dann doch nicht, denn Yehven brauchte zunächst eine Arbeitserlaubnis. Diese auszustellen, dauerte vier Wochen. „Die staatlichen Vorgaben bremsen hier aus. Das liegt jedoch nicht an den Sachbearbeitern vor Ort, die haben sich dahintergeklemmt“, erzählt der Geschäftsführer. Und so lag am 27. April tatsächlich das Papier vor. „Wir als Wirtschaftsunternehmen und Familienbetrieb übernehmen gerne soziale Verantwortung. Wir sind gesetzlich dazu verpflichtet, jeden neuen Mitarbeiter per Sofortmeldepflicht ordnungsgemäß anzumelden. Die Rahmenbedingungen könnten dennoch von der Politik her besser gesetzt sein, denn die Erteilung der Arbeitserlaubnis dauert mit fünf Wochen eindeutig zu lange.“
Yehven Hryshchenko bleibt sehr gerne bei der Firma Krüger. Im Lager ist er gerade dabei, Produkte für einen LKW, der sie am Nachmittag abholt, zusammenzustellen. Gut gelaunt erklärt der 35-Jährige, dass er nette Kollegen hat und die Arbeit gut ist. Besonders angenehm ist es für ihn, dass er um sechs Uhr morgens anfangen und somit seine Arbeitszeit flexibel gestalten kann. Sehr stolz ist er auf seine drei Töchter, von denen er gleich ein Foto zeigt. Eine ist eine sehr gute Schwimmerin und hat bereits bei einem Wettkampf in Koblenz auf Landesebene mitgemacht und einen dritten Platz erreicht. Er sagt: „Ja, ich will in der Firma und in Föhren bleiben. Die Situation ist in der Ukraine nicht nur militärisch schwierig, sondern auch wirtschaftlich, und das wird auch noch eine lange Zeit so bleiben.“
Marcus Krüger und seine Tochter Julia, die ebenfalls im Betrieb mitarbeitet, würden gerne weitere Menschen aus der Ukraine einstellen. Nach Föhren kamen überwiegend Frauen mit kleinen Kindern. „Wir stellen sehr gerne weitere Mitarbeiter ein, egal ob jung oder alt, Mann oder Frau, wir finden gemeinsam berufliche Anknüpfungspunkte an unsere Branche, sodass sich die Familien einerseits selbst versorgen können und andererseits von den schlimmen Gedanken in ihrer Heimat auch mal Abstand gewinnen können“, sagt Marcus Krüger.

Arbeitsmarktsituation von ukrainischen Flüchtlingen in der Region Trier
Zahlreiche Unternehmen würden gerne Menschen aus der Ukraine beschäftigen, berichtet Anke Emmerling, Sprecherin der Agentur für Arbeit Trier. Besonders aus dem Hotel- und Gaststättengewerbe, in der Produktion oder im Bereich Lager und Logistik. Doch sie weist darauf hin: „Die Betriebe müssen sich darauf einstellen, dass ihre Erwartungen, Lücken im Personalbedarf mit Ukrainern zu decken, nicht in gewünschtem Maß zu erfüllen sind. Die meisten Geflüchteten sind Frauen mit Kindern, für die der Schutz an erster Stelle steht, und die oft eine baldige Rückkehr ins Heimatland anstreben.“ Auch sei die Frage zu berücksichtigen, wie schnell der Spracherwerb oder eine Anerkennung von Berufsabschlüssen von statten gehe. Die meisten Geflüchteten wollten zunächst einmal Sprachkenntnisse erwerben. Ob sie angesichts der Perspektive einer unbestimmten Aufenthaltsdauer auch in den Prozess einer Anerkennung ihrer Abschlüsse Zeit und Geld investieren wollten, bleibe in einer Vielzahl der Fälle fraglich.
Wie viele Menschen aus der Ukraine bereits in die Region vermittelt werden konnten, spiegelten die verfügbaren Daten nicht, sagt Emmerling. Auch ermöglichten sie momentan noch keine klare Aussage darüber, wie viele Erwerbsfähige aus der Ukraine dem regionalen Arbeitsmarkt tatsächlich zur Verfügung stehen und welche Qualifikationen sie mitbringen. „Zwar werden ukrainische Geflüchtete, die sich aufgrund des seit Juni geltenden Anspruchs auf Leistungen aus der Grundsicherung für Arbeitssuchende bei den Jobcentern melden, in der Arbeitslosenstatistik erfasst. Doch im ersten Schritt steht für alle Jobcenter die Leistungsgewährung im Vordergrund“, erklärt Emmerling. „Erst im Zuge der sich anschließenden vermittlerischen Betreuung werden weitergehende Informationen zu Qualifikation, Sprachkenntnissen, schulischer Bildung und Verfügbarkeit erhoben.“ Im Juli waren bei der Agentur für Arbeit und den Jobcentern 2568 erwerbsfähige Personen aus der Ukraine gemeldet, arbeitssuchend waren 1645.
Beim Welcome Center der IHK Trier finden sowohl Ukrainer, die sich beruflich orientieren wollen, als auch Arbeitgeber, die Ukrainern gerne einen beruflichen Start geben wollen, Unterstützung. So fand bereits im April ein Webinar zur Beschäftigung ukrainischer Geflüchteter statt, das unter anderem die rechtliche Lage erläuterte und einen Einblick in die Antragstellung bei der Ausländerbehörde gab. Es folgten Webinare zum Thema „Bewerbung in Deutschland“ (live ins ukrainische übersetzt) und ein Stand bei der Informationsmesse der Wirtschaftsförderung Trier. Luisa Marx vom Welcome Center der IHK Trier berichtet: „Die Anerkennung akademischer Abschlüsse war ein Thema, das auf sehr viel Interesse gestoßen ist. Zudem waren die Menschen aus der Ukraine wegen ihrer Sprachkenntnisse unsicher und wie sie diese zügig verbessern könnten. Viele wollten auch wissen, wo sie sich bewerben können und welche Qualifikationen gefragt sind.“
Im September berät Luisa Marx wieder auf einer Veranstaltung vor Ort: Am Dienstag, 6. September, veranstaltet die Wirtschaftsförderung Trier im Foyer des Theaters Trier die Informationsmesse „Arbeiten in Trier“. Von 14:00 bis 18:00 Uhr können sich Flüchtlinge aus der Ukraine umfassend informieren.


Volle Auftragsbücher, unterbrochene Lieferketten und Materialknappheit erfordern Flexibilität

Engagement, Transparenz und Flexibilität: Das sind Eigenschaften, ohne die es momentan in den Betrieben nicht geht. Ein Beispiel ist die Firma TMS Metall- und Stahlbau, die einen ihrer Standorte im Gewerbegebiet in Konz-Könen hat. Jürgen Decker, einer der Geschäftsführer, berichtet von der Situation: „Es ist paradox. Die Auftragsbücher sind voll, aber man kann nicht planen.“ Der Betrieb hat zwei Geschäftsfelder: die Industrie, mit dem industriellen Maschinenbau, konstruktiven Stahlbau, Sonderteilefertigung sowie Serienfertigung von Industrieteilen, und daneben die Architektur, mit Fassadenkonstruktionen, Fenster, Türen, Wintergärten und Brandschutzelementen.
Von den aktuellen Unwägbarkeiten sind beide Bereiche betroffen. „Durch nicht mehr funktionierende Lieferketten kommt es zu Verzug in der Produktionskette. Oder Kunden, die wir beliefern, haben eigene Nachschubprobleme und können nicht wie geplant arbeiten. Dadurch kommt es zu Stockungen bei der Produktion, von denen wir dann unmittelbar mitbetroffen sind, dadurch dass geplante Lieferungen nicht abgerufen werden“, sagt der Geschäftsführer.
Ein Beispiel ist hier die Baumaschinenbranche: Die Auftraggeber haben den Hof voller Maschinen, bei denen Kleinigkeiten fehlen, beispielsweise ein Chip. Nach einer gewissen Zeit sind die Lagermöglichkeiten erschöpft und die Produktion wird eingeschränkt oder aufgeschoben. „Einer unserer Auftraggeber hatte unter anderem deshalb seine Betriebsferien vorverlegt, wir brauchten erst einmal keine weiteren Teile zu liefern. Dabei hatten wir die Kapazitäten vorgehalten“, erzählt Ralf Welsch, Betriebsleitung am Standort Konz-Könen, und erklärt weiter: „Wir garantieren unseren Kunden eine stundengenaue Lieferung der benötigten Teile in zusammengestellten Sets, die gleich ans Produktionsband geliefert werden können.“
Wenn eine solche Situation auftritt, reagieren die Führungskräfte, indem sie die geplanten Kapazitäten umlagern und beispielsweise andere Aufträge vorziehen. „Bisher mussten wir in 2022 keine Kurzarbeit anmelden und das ist uns gerade als Familienunternehmen wichtig. Denn wir möchten unseren Mitarbeitern, die alle qualifizierte Fachkräfte sind, die Sicherheit geben, dass sie sich auf uns verlassen können“, betont Angela Weyer, Bereichsleitung Personal und Verwaltung.
Im Bereich Architektur werden Projekte verschoben, weil zum Beispiel öffentliche und private Auftraggeber nicht wissen, wie sich die Situation preislich entwickelt. „Es gibt Investitionen, die sind schon lange diskutiert und geplant, aber sie kommen nicht zur Ausschreibung. Da müssen wir den Markt ganz genau im Blick haben“, erklärt Wolfgang Begon, Bereichsleiter Architektur.
Die Materialverfügbarkeit ist zudem ein großes Problem. „Aluminium-Profile sind momentan ein Riesenthema, zudem auch das Glas, für dessen Produktion viel Gas gebraucht wird. Aber ohne Glas können wir keine Fenster bauen“, berichtet Wolfgang Begon. „Gerade bei öffentlichen Bauten werden Termine vorgegeben, die eingehalten werden müssen. Wenn dann ein Verzug in der Lieferkette eintritt, stellt sich die Frage, ob es Eigenverschulden oder höhere Gewalt war“, führt er weiter aus. Bei diesen Projekten gebe es oft einen Vorlauf von einem Jahr. Da sei die Preiskalkulation zum Planungszeitpunkt sehr schwer, denn bis zur Ausführung könnten sich die Kosten sehr stark verändert haben. „Damit gehen wir offensiv um. Wir stellen transparent für unsere Kunden dar, woher die Preissteigerungen kommen und dass wir keine verdeckten Margen haben. Wir legen die Karten auf den Tisch“, erläutert Jürgen Decker das Vorgehen des Unternehmens in dieser schwierigen Situation. Insgesamt sei es momentan die Strategie, neue Kunden zu gewinnen und sich breiter aufzustellen, um weiterhin den Schwankungen durch die aktuelle und kommende Krisen begegnen zu können. „Allerdings müssen die äußeren Faktoren, die von der Politik und den Banken gesetzt werden können, stimmen. Gesunden Betrieben, die langfristige und ertragreiche Aufträge haben, bei denen aber momentan aufgrund der schwer abzuschätzenden Abhängigkeiten eine Planungsunsicherheit in der Liquidität herrscht, muss unbürokratisch über diese Krise geholfen werden“, appelliert Jürgen Decker.

Der Krieg und die Gasversorgung in der Region

Damit die Betriebe arbeiten können, brauchen sie Energie. Der Gasbedarf im Netzgebiet der Stadtwerke Trier (SWT) liegt bei etwa 2000 GWh. Davon entfallen 60 Prozent auf den Bereich Industrie und Gewerbe und 40 Prozent in den privaten Sektor. Dazu, welche Betriebe oder Industriezweige besonders viel Gas benötigen, äußern sich die SWT zum Schutz ihrer Kunden nicht. Momentan steht ausreichend Gas für Industrie und Handel zur Verfügung, wie die SWT beschreiben. „Man sollte die Situation aber keineswegs unterschätzen. Die Lage ist zwar stabil, aber gleichzeitig auch sehr angespannt. Eine Verschlechterung können wir nicht ausschließen“, erklärt Tim Hartmann, Bereichsleiter Technische Dienste bei den SWT.
In den kommenden Monaten rechnen die SWT weiter mit einer angespannten Lage. „Unter normalen Bedingungen sollten die deutschen Gasspeicher bis November zu 95 Prozent gefüllt sein. Aktuell liegen wir bei circa 75 Prozent. Sollten die Gaslieferungen über Nord Stream 1 weiterhin auf diesem niedrigen Niveau verharren, ist das Novemberziel kaum ohne zusätzliche Maßnahmen, wie zum Beispiel die EU-Einsparziele oder neue LNG-Lieferungen ab Januar, zu erreichen“, sagt Hartmann.
Einsparpotenziale sieht er in jedem Privathaushalt und jedem Unternehmen. „Ich rate jedem unserer Kunden, die Energieflüsse und die Prozesse des Unternehmens genau zu analysieren und zu bewerten.“ So könne man Einsparpotenziale identifizieren und diese dann projektieren. „Machen Sie keinen Unterschied zwischen den Energieformen wie Wärme, Gas oder Elektrizität“, empfiehlt Hartmann. „Am besten ist eine übergreifende Betrachtung.“ Damit erreiche man eine höchstmögliche Flexibilität und Effizienz. Auch wenn der Druck bei diesen Maßnahmen im Moment enorm sei, stecke darin auch die Chance, kurz- bis mittelfristig auf intelligente und innovative Energiekonzepte umzusteigen. „Dabei stehen wir unseren Kunden gerne auch beratend zur Seite“, erklärt Hartmann.
Sollte die Pipeline Nord Stream 1 nicht genügend Gas nach Deutschland liefern, gibt es einen Notfallplan, dessen Grundlage das Energiewirtschaftsgesetz ist. Darin ist festgelegt, dass die Versorgung von privaten Haushalten, Krankenhäusern und ähnlichem aufrecht zu erhalten ist. „Für viele Wirtschaftsbetriebe, die Mehrzahl aller weiteren Kunden, insbesondere derjenigen, die über eine registrierende Lastgangmessung verfügen, ist dieser Schutz nicht vorgesehen. Mit diesen Kunden arbeiten wir bereits seit März an einem Vorsorgekonzept, um etwaige Einschränkungen bestmöglich zu begrenzen.“
Für den Notfallplan gibt es zwei Szenarien:
1.    Die Bundesnetzagentur geht per Einzelverfügung auf die größten Energieverbraucher Deutschlands zu und verfügt eine Reduzierung oder eine Abschaltung dieser Unternehmen.
2.    Die Bundesnetzagentur verteilt per Allgemeinverfügung (tägliche/wöchentliche) Mengen an alle Netzbetreiber. Die Netzbetreiber müssen diese Mengen dann auf Grundlage der gesetzlichen Vorgaben an ihre Kunden verteilen. Dabei kann es ebenfalls zu Reduzierungen oder Abschaltungen kommen. Der schlimmste Fall wäre für die SWT, wenn man selbst die geschützten Kunden nicht mehr beliefern könnte. „Das ist derzeit aber äußerst unwahrscheinlich“, erklärt Hartmann (Stand 17. August).

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