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01.03.2014

Kunst auf Reisen


Dieser Text ist vom 01.03.2014 und könnte inhaltlich veraltet sein.

Festivals in der Region punkten mit großen wie kleinen Namen, schmucken Schauplätzen und Lokalkolorit

Gute Ideen, Leidenschaft, Einsatz – und verlässliche Sponsoren: Das braucht es, um Kulturevents aus dem Boden zu stampfen. Wie es gelingt, beweisen beispielsweise die Macher der regionalen Festivals

Kultur macht Spaß! Sie ist der Raum für Kreativität, Talent und Individualismus, für zeitgenössische Diskussion und Kritik, für die Spiegelung der Gesellschaft und des Wandels. Dabei belebt sie nicht nur den Geist, sondern auch verschlafene Schaustätten, große Bühnen und kleine Ortschaften.

Gerade das macht sie für eine großflächige Region wie die unsere so spannend, haben sich hier doch in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche Festivals etabliert, die Musik, Literatur, Kleinkunst und mehr zu den Menschen bringen. Und die Menschen zu ihnen. Wir stellen Ihnen vier der großen Veranstaltungsreihen und die Köpfe, die dahinterstecken, vor – und fragen, wie Eifel, Mosel und Hunsrück von ihnen profitieren.

DER ALLROUNDER: RAINER LAUPICHLER UND DIE EIFEL-KULTURTAGE
„Völlig locker, Riesenstimmung!“ Rainer Laupichler kann noch so viele Nachtdrehs hinter sich haben, wenn es um seine Eifel-Kulturtage geht, siegt die Euphorie über die Müdigkeit. Was der Schauspieler und Intendant mit diesen Worten umschreibt, ist die Unverbrauchtheit und das Unvoreingenomme der kleinen Gemeinden, in denen seine Veranstaltungsreihe zuhause ist. Diese besondere Atmosphäre gebe den Ausschlag dafür, das Programm in Orten wie Greimerath, Niederöfflingen und Auderath spielen zu lassen. Markenzeichen Nummer 1: Regionalität pur.

Markenzeichen Nummer 2 ist der Genre-Mix aus Kabarett, Literatur, Theater und Entertainment. Ebenso gehören präventive Gewalt- und Diskriminierungscoachings für Schüler mit dazu. „Prominente präsentieren und mit Unbekanntem punkten“, das sei das Motto.

Mehr als 130 Künstler waren inzwischen bei den Eifel-Kulturtagen zu Gast. Und obwohl unter anderem Ben Becker, Günter Wallraff, Wladimir Kaminer, Kaya Yanar, Gudrun Landgrebe, Christoph Maria Herbst und Leonard Lansink darunter waren, entschieden sich die Zuschauer bei der Wahl des Publikumspreises Goldene Berta meist für weniger in den Medien präsente Künstler. „Das spricht für unsere Zuschauer und auch für unser Konzept“, so der Manderscheider.

Dabei wurde das Projekt 2005 aus einer „Schnapsidee“ heraus geboren, wie er selbst sagt. Er wollte die drehfreien Zeiten mit den Veranstaltungen produktiv nutzen – und hat inzwischen eine feste Institution geschaffen. Seine Adressaten sind vor allem die Bürger der Süd- und Osteifel. Sie müssen nun keine so langen Wege mehr in Kauf nehmen, um sich unterhalten zu lassen. „Darüber hinaus schließen wir ein Stück weit auch die Lücke, die das Ende vieler Volksfeste hinterlassen hat, weil wir gemeindeübergreifend aktiv sind.“ Schön sei es vor allem, Menschen an Kultur heranzuführen und ihnen die Berührungsängste zu nehmen. 

DER UNERMÜDLICHE: DR: JOSEF ZIERDEN UND DAS EIFELLITERATURFESTIVAL
Wir bleiben in der Eifel … und wenden uns dem Urgestein mit glühender Leidenschaft für die Literatur zu. 1994 rief der heute 59-jährige Gymnasiallehrer und Publizist das Eifel Literaturfestival ins Leben. Inzwischen ist es gewachsen, gereift – und wieder etwas geschrumpft. Nach dem Hochjahr 2012 mit 15 000 Besuchern schaltet Zierden nun einen Gang zurück und fährt auf zehn Veranstaltungen zurück.

Schließlich zeichnet sein Festival nicht nur aus, dass es „als das literarische Flaggschiff des Kultursommers Rheinland-Pfalz mit bundesweiter Ausstrahlung und Bedeutung" gilt. Sondern auch, dass es einzig und allein auf ehrenamtlichem Engagement fußt. Seinem Engagement.

Angetrieben war er zunächst schlicht und einfach von … nichts. Von eben dem, was in der Eifel fehlte, nämlich einem solchen literarischen Angebot. Standen zu Beginn noch viele regionale Autoren auf der Bühne, sind es inzwischen über alle Lande hinaus bekannte Schriftsteller. Zierdens Ziel ist es nicht, die Eifel in die Welt hinaus zu tragen, sondern die Welt in die Eifel zu bringen. Literatur als Appetizer auf Landschaft.

Am Verkauf der Onlinetickets sieht Zierden, woher seine Besucher anreisen. Viele natürlich aus der Region. Aber eben auch aus Nürnberg, Ludwigsburg oder vom Starnberger See. „Sie bleiben dann oft mehrere Tage und entdecken die Eifel.“ Und damit eben das gelingt, braucht er die bedeutenden Literaten – exklusiv. 

Sein Erfolgsrezept sind also „große Namen und großes Publikum in kleinen Orten“. Nobelpreisträger wie Imre Kertesz, Günter Grass oder Herta Müller standen bei ihm ebenso auf der Bühne wie Autoren von Weltbestsellern. Daneben begeistern ihn jüngere Autoren von Rang oder Literaturlegenden wie Pavel Kohout, Alissa Walser oder Jussi Adler-Olsen.

Schaustätten des Eifel Literaturfestivals sind die Südeifel, die Vulkaneifel und die Moseleifel – also der rheinland-pfälzische Teil der Eifel, der Eifelkreis Bitburg-Prüm, die Landkreise Vulkaneifel und Bernkastel-Wittlich. Oder ganz konkret: in diesem Jahr Wittlich, Prüm, Bitburg und Daun.

DER NEUEINSTEIGER: TIM KOHLEY UND DAS SAAR-HUNSRÜCK LITERATUR- UND MUSIKFESTIVAL 
Auch dank dieses so erfolgreichen Vorbilds aus der Eifel hat sich im vorigen Jahr mit dem Verein Literatur-on-tour Saar-Hunsrück ein neuer Akteur auf die Bühne getraut. Am 30. August feierten die Saar-Hunsrück-Literaturtage auf der Grimburg (Verbandsgemeinde Hermeskeil) ihre Premiere und boten drei Tage lang Autorenlesungen, Musik und Kunst.

In diesem Jahr geht es weiter: zum einen mit dem Saar-Hunsrück Literatur- und Musikfestival am 30. und 31. August auf der Saarburg. Zum anderen organisiert der Verein das ganze Jahr über weitere Veranstaltungen zwischen Morbach und Saarburg, aber auch im angrenzenden Saarland. Dazu zählen Lesungen und Vorträge ohne Rahmenprogramm ebenso wie solche, bei denen zusätzlich Bands und Chöre auf der Bühne stehen oder die mit Malerei und Bildhauerei, Licht- und Klanginstallationen kombiniert werden. Clowns, Hexen, Zauberer und Helden entführen Kinder in der Reihe „Literatur-on-tour lesen macht Spaß“ in die Welt der Fantasie.

Der Ansatz ist durch und durch ein regionaler. Ziel des Vereins ist die „Förderung von Künstlern der schreibenden, musizierenden, malenden und bauenden Zunft aus dem Raum Saar-Hunsrück“. Mehr noch: Es geht darum, die regionale Identität dieses Gebiets zu stärken, eine „positive Entwicklung auf allen Märkten“ zu schaffen und zum Anstieg des Kulturtourismus beizutragen. Die Veranstaltungen bieten gleichzeitig regionalen Erzeugern von „Ebbes von hei“ eine Plattform.

Das erfordert Stunden über Stunden ehrenamtliche Arbeit, wie Tim Kohley weiß: der erste Vorsitzende und das Gesicht des Vereins. Angefangen hat sein Engagement mit Lesungen, die er für befreundete Autoren organisierte. Heute will der 36-Jährige den Raum Saar-Hunsrück auch als Urlaubsziel bekannter machen – auch über die Darstellung der Region in der Literatur.

DER PIONIER: HERMANN LEWEN UND DAS MOSEL MUSIKFESTIVAL
Ja, ja, d i e Region. „Lasst uns doch gemeinsam an einem Strang ziehen!“ Wie oft hat Hermann Lewen diesen Appell schon wiederholt. Schließlich machen weder Reisende noch die Kultur an Kreisgrenzen Halt. Und so schuf er 1985 eines der ältesten Musikfestivals in Deutschland, das die Orte und Städte am Fluss miteinander verbindet: das Mosel Musikfestival. 2015 feiert es also seinen 30. Geburtstag.

Die Verbindung zum Tourismus ist hier eine ganz besondere, gab sie doch die Initialzündung. „Das Moselimage war damals ziemlich schlecht. Wir wollten weg vom Massen- und Low-Budget-Tourismus“, erklärt der gebürtige Altricher. Wie aber lässt sich ein neues Kundenklientel aktivieren? Ein Klientel, das bereit ist, für guten Wein auch entsprechendes Geld auszugeben? Die Antwort lag in der Musik.

„Ein klassisches Sommerfestival, das war ein Novum.“ Die Region spielt dabei eine besondere Rolle, als kulturhistorische Bühne mit malerischen Gebäuden und Orten, die den Reiz der Region wiederspiegeln. Hier inszeniert Lewen mit seinen drei Mitarbeitern „seine“ Musik. „Das Festival lebt vom Moseltal!“

Natürlich gehört dazu guter Wein. Der Besucher soll die Mosel erfahren, trinken und kaufen. Der Marktwert der Kultur werde häufig noch immer nicht erkannt. „Dabei wird heute von einer Urlaubslandschaft erwartet, dass sie ein qualitativ hochwertiges Kulturangebot vorhält.“ Und, so argumentiert er weiter, gerade für den Zweiturlaub benötigten die Reisenden einen Anlass – ein Sportereignis zum Beispiel, eine internationale Ausstellung oder eben ein Konzert.

Gleichzeitig hat sich im Laufe der Jahre manifestiert, dass der Großteil der Besucher aus der Region anreist: Mehr als 80 Prozent kommen aus einem Umkreis von 200 Kilometern. Lewen freut sich über ein „riesiges Stammpublikum“. Auch Trier habe inzwischen ein stärkeres Bewusstsein dafür entwickelt, Teil dieses Ganzen zu sein.

Das Alleinstellungsmerkmal des Mosel Musikfestivals ist aus den Augen des Intendanten das Kleine und Feine, die Intimität: „Klassik unplugged – so nah, dass sie dem Künstler fast blättern können“. Dazu edle Konzertsäle und Orte, die als die wirklichen Schätze der Mosel auf das Publikum wirken. Fehlt nur noch: das dazugehörige Selbstbewusstsein. Gemeinsam mit Stolz das Erreichte nach außen tragen und mit Energie und Mut weiterführen, dafür wird Lewen weiter appellieren. Damit das Mosel Musikfestival auch in Zukunft, nach seinem Ruhestand, noch viele Geburtstage erlebt und klangvoll feiert. 

WIE DIE REGION PROFITIERT
Entscheidend für die Förderung von Kulturevents ist nicht zuletzt das Argument, daraus Einnahmen für zahlreiche Branchen generieren zu können. Im Durchschnitt geben die Besucher von Kulturevents 47 Euro pro Tag an dem Ort aus, wo sie die Veranstaltung besuchen. Das ergab 2007 eine von der IHK und der Initiative Region Trier in Auftrag gegebene Studie der Universität Trier. Den größten Anteil stellen die Kosten für Eintritt, Beherbergung und Gastronomie dar. Jenseits dieser direkten Wertschöpfung spiele der positive Beitrag für das Image der Region eine große Rolle: „Nicht nur bei der Wahl des Urlaubs- oder Tagesausflugsziels, sondern auch bei der Ansiedlung von Gewerbebetrieben, der Attraktivität für Führungskräfte und Studierende sind die weichen Standortfaktoren von Relevanz.“

Zierden spricht an dieser Stelle von der „kulturellen Lebensqualität in der Region“. Sie mache die Eifel bundesweit bekannt und locke Literaturfreunde aus ganz Deutschland in die Eifel, ebenso grenzüberschreitend aus Frankreich, Luxemburg, Belgien und den Niederlanden. So sei es denn auch ein „Literaturfestival für jedermann, ohne elitäre Attitüde“. 

Auch Lewen empfindet seine Aufgabe nicht als Kulturauftrag. „Ich sah es nie als Ziel, kulturell zu missionieren, sondern ein anderes Produkt am Markt zu positionieren, um neue Gäste anzuziehen.“

Das Saar-Hunsrück Literatur- und Musikfestival steckt zwar noch in den Kinderschuhen, will aber ebenfalls den Bekanntheitsgrad und die touristische Attraktivität der Region steigern. Schon jetzt, so Kohley, kommen Besucher aus Frankfurt oder Köln und übernachten in Hotels vor Ort.

Der Fokus von Rainer Laupichler wiederum liegt auf den Einheimischen. Wie Zierden spricht er von einer Steigerung der Lebensqualität in der Eifel. „Wir leisten für die Menschen vor Ort einen Beitrag, den sie auch honorieren“, sagt der Eifeler. Der Lohn: eine Auslastung von mehr als 90 Prozent. „Ich habe meine Bedenken, ob Kulturveranstaltungen wirklich ein Touristenmagnet sein können“, sagt der Macher der Eifel-Kulturtage. Sie seien eher eine Ergänzung zum Angebot vor Ort, da die Künstler ja deutschlandweit auftreten. Außerdem besuchten gerade Menschen aus der Stadt die Eifel wegen des Naturerlebnisses, das ihnen hier geboten wird.

DIE EINNAHMEN MÜSSEN STIMMEN 
Stellt sich zuletzt die Frage nach der Finanzierung der Festivals. Wirtschaft und Kultur, geht das zusammen? Natürlich. Sie alle haben treue Unterstützer. Dank dieses „soliden Stamms“ kann Zierden von einer guten Einnahmesituation sprechen. Und natürlich ist es sein Ziel, auch die großen Hallen zu füllen.

Das Mosel Musikfestival kostet nach Auskunft von Lewen eine knappe Million Euro. Etwa ein Drittel komme dank privater Investoren zusammen, ein Viertel über öffentliche Mittel, der Rest über Eintrittsgelder. Inzwischen finde er bei den Unternehmen zwar immer offene Türen vor, aber da die Region mittelständisch geprägt ist, sei die Sponsorensuche schwieriger als andernorts.

Laupichler bewertet die Finanzierungsmöglichkeiten insgesamt als „schwierig“: „Ohne unsere Sponsoren und den Kultursommer geht nichts. Wir erhalten keine kommunalen Mittel.“

KohLey vermittelt zudem Künstler an Veranstalter, um zusätzliche Einnahmen zu generieren. Diese Funktion als Schaltstelle möchte er weiter ausbauen. An Geld von Sponsoren heranzukommen, das war gerade als Neuling nicht leicht, „da muss man schon ackern“. Sein pragmatisches Fazit: „Die Ideen können so gut sein, wie sie wollen – wenn kein Geld da ist, funktioniert es nicht.“


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