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  • 01.05.2023

    Nachhaltige Gewerbegebiete: Fit für die Zukunft

    Innovative Konzepte für Flächen, Energie und Mobilität

  • Foto: Wilfried Ebel
    Standortpolitik

    Wilfried Ebel

    Tel.: 0651 9777-920
    Fax: 0651 9777-505
    ebel@trier.ihk.de


Dieser Text ist vom 01.05.2023 und könnte inhaltlich veraltet sein.
Industrie- und Gewerbeflächen sind knapp. Die Nachfrage der Unternehmen übersteigt das Flächenangebot bereits jetzt deutlich. Zugleich steigen die Anforderungen an eine nachhaltige Gestaltung solcher Räume. Um den Erfolg des Wirtschaftsstandorts Deutschland nicht zu gefährden, sind neue Konzepte gefragt – etwa beim Umgang mit Flächen, dem Energie- und Ressourcenmanagement wie auch der Mobilität.

Revitalisierung und innovative Flächenkonzepte

„Der Fokus beim Thema Nachhaltigkeit liegt auf Gebäuden. Aber wer das Thema geschlossen denkt, fängt beim Boden an. Ich kann das nachhaltigste Gebäude bauen, aber wenn ich dafür zehn Hektar Wald rode, ist das nicht nachhaltig.“
Raphael Thießen, Deutscher Brownfield-Verband (DEBV), Gütersloh

Brownfield: Brachflächen zu neuem Leben erwecken
Pro Tag werden in Deutschland durch Siedlung und Verkehr rund 56 Hektar Neufläche verbraucht. Das entspricht pro Jahr der Größe von Düsseldorf. Die Bundesrepublik hat sich verpflichtet, die Neuversiegelung drastisch zu reduzieren und strebt bis 2050 das Flächenverbrauchsziel Netto-Null an. Trotzdem hält Raphael Thießen vom Deutschen Brownfield-Verband (DEBV) eine angebliche Flächenknappheit für einen Mythos. Schätzungsweise 150.000 Hektar Brachflächen stünden derzeit zur Verfügung, was etwa der Hälfte des Saarlands entspricht. Ein Brownfield ist ein Grundstück oder eine Industriebrache, dessen Erweiterung, Sanierung oder Wiederverwendung durch das (potenzielle) Vorhandensein eines gefährlichen Stoffes erschwert werden kann. Der DEBV hat sich zum Ziel gesetzt, dieses Thema „aus der Schmuddelecke zu holen“, wie Thießen sagt. Zunächst gehe es jedoch darum, solche Flächen überhaupt zu identifizieren; denn oft sind diese nicht als Brownfield erfasst. Dafür entwickelt der DEBV in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer Institut und dem Geodienstleistungsanbieter Spacedatists ein KI-gestütztes Brownfield-Kataster, bei dem anhand von Luftbildern potenzielle Brachflächen erfasst werden können. Dies könne auch Kommunen bei einer effektiven Stadtentwicklung unterstützen.

Flächennutzung maximieren, Bodenversiegelung minimieren
Um in Ballungsräumen Gewerbeflächen zu entwickeln, ist ein Ansatz, in die Höhe zu bauen. Mit dem Projekt Mach2 wurde nach Aussage von André Otto vom Unternehmen Four Parx die erste doppelstöckige Logistikimmobilie ihrer Art in Europa mit 124.000 Quadratmetern Gesamtmietfläche entwickelt. Zwar gab es beim Bau Hürden wie ein aufwendiges Genehmigungsverfahren oder gut zwei Dutzend Kampfmittelverdachtspunkten. Doch der Aufwand habe sich gelohnt: Bereits sechs Monate vor Fertigstellung war das 240 Millionen Euro teure Objekt vollständig vermietet.
Ein Beispiel, wie aus einem ehemaligen Kasernengelände neuer Wohn- und Gewerberaum entsteht, ist in Babenhausen bei Darmstadt zu beobachten. Dort wächst unter dem Projektnamen „Kaisergärten“ auf rund 60 Hektar Konversionsfläche ein neuer Stadtteil. Vor allem die Anbindung und Anforderungen beim Verkehr entpuppten sich dabei als große Herausforderung, wie Markus Aumann, Geschäftsführer des Babenhäuser Bauunternehmens Aumann GmbH, sagt.

„Industriegebiete sind ein zusammengewürfelter Haufen von Unternehmen, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben – bisher.“
Veronika Wolf, Zero Emission GmbH, Wuppertal

Symbiosen: Ressourcen gemeinsam nutzen
Wenn Raum, Energie und andere Ressourcen knapp und teuer sind, eröffnen überbetrieblicher Austausch und Kooperationen neue Potenziale. Solche Ansätze bezeichnet man als Symbiosen. Veronika Wolf von der Zero Emission GmbH in Wuppertal erklärt, dass solche Symbiosen sehr unterschiedlich aussehen können. Sie umfassten nicht nur den Austausch von Materialien, Energie, Wasser und Nebenprodukten, sondern auch gemeinsam in Anspruch genommene Dienstleistungen, gemeinsam genutzte Infrastruktur, Wissenstransfer und menschliche Ressourcen. Wichtig sei, dass alle beteiligten Parteien profitieren.
Das Thema Energie spielt gerade in Gewerbegebieten eine zentrale Rolle. Wie die Versorgung auf fossiler Basis zunehmend durch nachhaltige Konzepte abgelöst werden kann, sieht man am Industriepark Weinheim. Neben dem Umstieg auf klimafreundliche Energieträger ließ sich dort auch der Energieverbrauch deutlich senken. Seit 2019 hat allein die Freudenberg-Gruppe, die dort ihren Stammsitz hat, ihren CO2-Ausstoß halbiert, wie Peter Ostermayr von der Freudenberg Service KG erklärt. Bis 2030 strebe man einen neutralen CO2-Fußabdruck an.
Schon in der Planungsphase von Standorten müssten Nachhaltigkeitskriterien berücksichtig werden, fordert Matthias Schäpers von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB). Die DGNB bietet ein System an, mit dem sich auch Gewerbegebiete sich entsprechend zertifizieren lassen können. Merkmale nachhaltiger Gewerbe- und Industriestandorte sind demnach unter anderem, wenn diese einen Beitrag zum Klimaschutz durch Reduzierung der Klimagase über den gesamten Lebenszyklus leisten, Energie- und Stoffkreisläufen auf Standortebene etablieren oder ein nachhaltiges Mobilitätsangebot bereitstellten.

Nachhaltige Mobilitätskonzepte umsetzen
Den Autoverkehr zu reduzieren und umweltfreundliche Mobilitätsangebote zu schaffen, ist ein zentraler Punkt für nachhaltige Gewerbegebiete. Das Koblenzer Ingenieurbüro für Verkehrsplanung und -Technik, kurz Vertec, entwickelt solche neuen Konzepte und setzt sie um. Eine attraktive Anbindung an den Öffentlichen-Personen-Nahverkehr sei dabei sehr wichtig. „Wenn ich einen Standort auf der grünen Wiese habe, ist das allerdings nur schwer möglich“, räumt Verkehrsplaner Markus Werhahn ein.
„Es geht nicht darum, das Auto komplett zu vermeiden“, sagt Sophie Stigliano von Urban Standards aus München, das auf urbane Mobilität spezialisiert ist. Es werde immer die Leute geben, die aus Mangel an Alternativen mit dem Auto pendeln müssten. „Vielmehr geht es darum, die Leute zu verlagern, die man verkehrstechnisch verlagern kann.“ Stigliano spricht sich dafür aus, zum einen weniger Stellplätze zur Verfügung zu stellen, zum anderen aber attraktive Alternativen mit kombinierbaren Mobilitätspaketen zu schaffen. Das können Sharing-Stationen für E-Autos, E-Bikes oder Lastenfahrräder sein, aber auch rabattierte ÖPNV-Monatstickets.
Gebucht werden können diese Angebote alle aus einer Hand über eine digitale Plattform, um dem Umstieg möglichst einfach zu machen. Urban Standards analysiert bei der Entwicklung von Konzepten die verschiedenen Nutzergruppen und ihre unterschiedlichen Mobilitätsbedürfnisse.  Bei Gewerbegebieten sollte das Thema Mobilität jedoch immer schon bei der Entwicklung mitgedacht werden.

„Die Transformation zu neuer Mobilität erfordert sicherlich kreative Einschnitte in alte Gewohnheiten. Wir müssen das wollen, und wir müssen womöglich zum Teil auch dazu gezwungen werden, unsere Mobilität neu zu organisieren“,
Verkehrsplaner Markus Werhan, Vertec GmbH, Koblenz


Die Mobilitätszentrale: Weit mehr als ein Parkhaus
Wie Mobilitätskonzepte in zukunftsfähigen Gewerbegebieten in der Praxis aussehen können, zeigt das Projekt „Stöcken 17“ in Solingen. Mit der Errichtung eines „Mobilitätshubs“ habe man die Flächeninanspruchnahme für Kfz-Stellplätze dort von ursprünglich rund 12.500 qm auf maximal 3.000 qm reduziert, erläutert Achim Willke, Prokurist bei der Wirtschaftsförderung Solingen. In diesem Quartiers-Parkhaus sind nicht nur 90 Prozent der Stellplätze angesiedelt. Es beherbergt zudem Angebote für E-Mobilität, Sharing-Angebote und weitere Mobilitätsservices sind angesiedelt. Zudem wurden die Zufahrt- und Abstellmöglichkeiten für Fahrräder und die Nahverkehrsanbindung des Gewerbegebiets verbessert.

Info:
Dieser Beitrag basiert auf der Webinarreihe „Gewerbeflächen zukunftsfähig gestalten“ – einer gemeinschaftlichen Veranstaltung der IHKs in Rheinland-Pfalz und der Metropolregion Rhein-Neckar. In drei Veranstaltungen im März 2023 ging es um die Themen „Neue Perspektiven für Gewerbeflächen durch Revitalisierung und innovative Konzepte“, „Vorteile und Erfolgsfaktoren nachhaltiger Gewerbegebietsentwicklung“ und „Nachhaltige Mobilitätskonzepte in Gewerbegebieten planen und umsetzen“.


Autor: Stephan Köhnlein

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