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IHK Trier


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  • 01.10.2018

    Neues Land, Neues Glück

    Viele Unternehmen wollen sich in der Region Trier ansiedeln oder expandieren - doch die Gewerbeflächen sind inzwischen ein knappes Gut

  • Foto: Wilfried Ebel
    Standortpolitik

    Wilfried Ebel

    Tel.: 0651 9777-920
    ebel@trier.ihk.de


Dieser Text ist vom 01.10.2018 und könnte inhaltlich veraltet sein.
Der Raum, den die Wirtschaft nutzen kann, wird immer kleiner: Die Wohnbebauung rückt näher, Restriktionen nehmen zu. Flächen mit guter Verkehrs- und Internetanbindung sind besonders begehrt.

Seine Kunden sitzen in Südamerika, Japan, den USA oder Afrika. Udo Adriany selbst sitzt in: Wiesbaum. Verbandsgemeinde Hillesheim. Einem der nördlichsten Zipfel der Region Trier – und des Landes Rheinland-Pfalz. Nordrhein-Westfalen ist hier nur einen Katzensprung entfernt. Doch wer hier einen harten Wettstreit der Landkreise um ansiedlungswillige Unternehmen erwartet, wird etwas enttäuscht. Denn aus Sicht des Geschäftsführenden Gesellschafters der Firma MehrTec hat der Landkreis Vulkaneifel hier unangefochten die Nase vorn. Was Unternehmer hier, insbesondere im Industrie- und Gewerbepark (IGP) Wiesbaum, vorfinden? Eine intensive Wirtschaftsförderung, große, günstige Flächen und vor allem eine schnelle Internetanbindung.
Ohne die ginge bei Adriany nichts. Sein Geschäft ist von A bis Z digital. MehrTec erstellt mit Hilfe von 3D-Laserscanning exakt digitalisierte Daten von Maschinen und Produktionsanlagen als virtuelles 3D-CAD-fähiges Datenformat. Die daraus entstehenden Computermodelle zeigen das Innere eines Betriebs bis ins kleinste Detail; jedes Rohr, jedes Kabel. So lassen sich Umbauten und Erweiterungen so exakt, raumsparend und effizient wie möglich planen. Zu seinen Kunden zählen internationale Chemie-, Pharma- und Autokonzerne wie die Merck KGaA und die Daimler AG.
Auch die nächsten Schritte übernimmt das Eifeler Unternehmen, entwickelt und plant technische Lösungen für die jeweilige Anlage, zeigt in Visualisierungsmodellen verschiedene Optionen auf – per virtuellem Spaziergang. In einigen Fällen übernimmt MehrTec zudem die Realisierung, erstellt also maßangefertigte An- oder Umbauten für bestehende Anlagen als Unikate.

„Die Eifel ist perfekt für uns“

Um vor allem diese Fertigungsleistungen ausbauen zu können, brauchen Adriany und sein zehnköpfiges Team Platz. „Und zwar so schnell wie möglich.“ Der Betrieb sei in den vergangenen Jahren so rapide gewachsen, dass er bereits dreimal innerhalb des Gründerzentrums HIGIS in Wiesbaum umgezogen sei, das Herzstück des IGP.
Jetzt wird MehrTec „flügge“ und plant seine eigene Immobilie in direkter Nachbarschaft. Und wieder war das ausschlaggebende Argument das Internet: „Einen Tag, nachdem ich erfahren habe, dass hier eine Glasfaseranbindung geplant ist, habe ich das Grundstück gekauft“, erzählt der Unternehmer. „Die Eifel ist perfekt für uns.“     
Dabei war Wiesbaum nicht die einzige Option. Denn der Firmensitz von MehrTec liegt gar nicht hier, sondern in Adrianys Heimatort Müsch. Landkreis Ahrweiler, Verbandsgemeinde Adenau. „Eigentlich wollte ich dort mein Elternhaus ausbauen. Aber weil unser Platzbedarf so stark gestiegen und die Internetanbindung dort zu schlecht ist, hat sich diese Idee leider zerschlagen.“
Die Suche nach Gewerbeflächen im Landkreis Ahrweiler blieb ebenfalls erfolglos. Die Preise seien zu hoch, die Wirtschaftsförderung zu zaghaft. „Hier wurde zu lange geschlafen und nicht erkannt, wie wichtig die Ansiedlung von Unternehmen ist, um innovative Arbeitsplätze für hochqualifizierte Arbeitskräfte zu schaffen und die Menschen hier zu halten.“ Dem stehe das lobenswerte Regionalförderprogramm für Investitionen gegenüber, von dem er in der Vulkaneifel profitiere.
Nicht zuletzt zieht Adriany auch seiner hier beheimateten Mitarbeiter wegen ganz nach Wiesbaum. Die Lebensbedingungen gerade für Familien seien auf dem Land hervorragend, Häuser im Gegensatz zu den Ballungsräumen finanzierbar.

Webkonferenzen statt Stau

Ansonsten sei die geografische Lage seines Unternehmens sekundär. „Unsere Kunden sind ja überall in Europa und auf der ganzen Welt verteilt, wir müssen also ohnehin dorthin fahren oder fliegen. Kundenbesuche bei uns gibt es zwar auch, aber die Anreise in die Eifel ist meistens staufrei möglich. Um die Umwelt zu schonen und Reisezeit zu sparen, erledigen wir im Projektalltag viele Absprachen per Webkonferenzen.“ Alles digital eben.
Sobald der neue Firmensitz mit jeweils 500 Quadratmeter Büro- und Produktionsfläche steht, kann der Betrieb nicht nur verstärkt Sonderprojekte umsetzen und realisieren, sondern auch sein zweites Standbein ausbauen: Arbeitsmittel für Service und Wartungspersonal aus dem Bereich Intralogistik. „Uns wird im Schnitt jedes Jahr ein Patent erteilt, darauf sind wir besonders stolz. Denn das spricht für die kreative Arbeits- und Wohnumgebung in unserer sogenannten ,strukturschwachen Region‘.“
Und wie stellt sich eine Kommune nun gut für Neuansiedlungen auf? Die Vermarkter müssten agil und gut vernetzt sein, damit stehe und falle der Erfolg der Gewerbeflächen-Vermarktung, sagt Adriany. Einrichtungen wie das HIGIS böten ideale Voraussetzungen gerade für Unternehmensgründer. „Die nötige Infrastruktur ist vorhanden, wir haben einen direkten, unternehmensorientierten Ansprechpartner, die Wege sind kurz. Das ist sehr praktisch und erleichtert den Aufbau eines Betriebs sowie die Arbeit in Wachstumsphasen enorm.“
Was er sich zudem wünsche, seien schnelle und verlässliche Behördenentscheidungen. „Für uns ist es das Wichtigste, dass wir flexibel auf das Geschehen am Markt und in der Finanzwelt reagieren können. Dann kann ich nicht monatelang auf Bescheide warten.“ Mit dem Neubau soll es idealerweise schon im Herbst, spätestens im neuen Jahr losgehen. Je schneller, desto besser.

Nachfrage nach Flächen steigt deutlich

1996 siedelte sich das erste Unternehmen im 35 Hektar großen IGP Wiesbaum an. Das Technologie- und Gründerzentrum HIGIS wurde 2007 zum Leben erweckt. Heute sind auf den ehemaligen landwirtschaftlichen Flächen Maschinenbauer, Automobilzulieferer, Hersteller von veganen Lebensmitteln, Luftfrachtzulieferer und Metallverarbeiter ebenso zuhause wie Dachdecker, Webdesigner und Pharma-Händler. „Die Nachfrage nach Kauf- und Mietflächen ist stetig, in den letzten Jahren aber deutlich gestiegen“, sagt Stefan Mertes, IGP-Geschäftsführer und Wirtschaftsförderer der Verbandsgemeinde Hillesheim. Die größten Stärken seien die sofortige Verfügbarkeit von Gewerbeflächen, die zentrale Lage des Parks mit guter Anbindung an die Autobahn und die Datenautobahn sowie der ständig verfügbare Ansprechpartner vor Ort.
„Ich biete einen 7/24 Service an“, sagt Mertes. Vor kurzem habe er sich mit einem Investor samt Planer getroffen, „die baff waren, wie wir innerhalb von ein paar Stunden alle notwendigen Fachabteilungen an den Tisch geholt hatten und den Bauantrag schon fast final besprechen konnten. Das bekommt man in den Städten so schnell nicht hin.“

100 Unternehmensgründungen im HIGIS

Das Gründerzentrum sei eine gute Starthilfe, wie das Beispiel MehrTec zeigt. „Unternehmen im IGP nutzen HIGIS auch, um Spitzen abzudecken oder Teilbereiche auszulagern.“ In den vergangenen 20 Jahren seien dort etwa 100 Unternehmensgründungen begleitet worden.
Und wie sieht die Zukunft aus? „Mittelfristig streben wir eine Erweiterung des Parks um weitere vier Hektar an“, sagt Mertes. „Die Planungsprozesse dauern mittlerweile sehr lange, von daher denken wir in einem Zeitfenster von rund fünf Jahren.“ Steigen könnte die Nachfrage nochmals mit dem lange und sehnlich erwarteten A1-Lückenschluss.
Grundsätzlich vertritt Mertes die Meinung, dass die Gewerbeflächenplanung genau am Bedarf ausgerichtet sein sollte. Einen Engpass in der Region Trier sieht er nicht. „Um Standortnachteile einer ländlichen Region auszugleichen, sollten alle Gewerbegebiete einen Gigabit-Ausbau bekommen.“ Die Planungshoheit solle in jedem Fall bei den Kommunen bleiben, um die Bemühungen um Gewerbeansiedlungen zu forcieren.

Planer stoßen auf viele Hindernisse

Allerdings ist es bereits vielerorts problematisch, geeignete Bauflächen auszuweisen, sagt Wilfried Ebel, Experte der IHK Trier für Verkehr und Raumordnung. Naturschutz, Topografie, Hochwasserschutz, benötigte Ausgleichsflächen, die Nähe zur expandierenden Wohnbebauung et cetera stellten für neue Gewerbe- und Industrieflächen eine wachsende Herausforderung dar. „Größere Flächen in guter Lage sind daher schon heute in der Region rar gesät. Das wirft die Frage auf, wo und wie wir uns weiterentwickeln können.“
Potenzial sieht Ebel bei interkommunalen Gewerbegebieten. So könnten Synergien genutzt und Konfliktfelder häufig besser als von einer einzelnen Kommune gelöst werden. Auch der Entwicklung nicht marktfähiger Flächen könnte so vorgebeugt werden. Gelungenes Beispiel sei der Industriepark Region Trier in Föhren/Hetzerath. Allerdings stoße dieser trotz der geplanten Erweiterung in absehbarer Zeit womöglich erneut an seine Grenzen.
Damit das Land und die Region Trier als Industrie- und Gewerbestandort attraktiv bleiben, will die IHK-Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz mit dem Innen- und Wirtschaftsministerium ein Gutachten für ein landesweites Industrie- und Gewerbeflächenkonzept auf den Weg bringen. Ebel: „Wir benötigen insbesondere einen aktuellen Überblick über die verfügbaren Flächen im Land, damit wir mögliche Erweiterungspotenziale aufzeigen können.“ Es gebe zwar den elektronischen Standortfinder der Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz (www.standortfinder.rlp.de), doch dieser weise insbesondere wegen der dezentralen Datenpflege in den Kommunen viele Lücken auf. „Unternehmen müssen schnell und verlässlich sehen können, wo sie sich ansiedeln oder expandieren könnten, nur so kann sich unsere Region effektiv vermarkten.“

Trier: Viel Arbeit auf engem Raum
Am deutlichsten tritt der Wettbewerb um freie Flächen in Trier zutage: einziges Oberzentrum der Region mit hoher Konzentration an Wirtschaftskraft und Arbeitsplätzen, einer vergleichsweise guten Anbindung und – insbesondere als Hochschulstandort – hohem Fachkräfte-Potenzial. Außerdem profitieren die Unternehmen von der Nähe zu Luxemburg, Frankreich und Belgien. „Neben Lage, Preis und Größe der Flächen sowie der Verkehrsinfrastruktur ist es gerade für große, international agierende Unternehmen wichtig, dass die Stadt auch Lebensqualität bietet. Bei diesen sogenannten weichen Standortfaktoren hat Trier sehr viel zu bieten“, sagt Christiane Luxem, Amtsleiterin Wirtschaftsförderung der Stadt.
Auch dank seiner Kultur- und Freizeitangebote, der guten medizinischen Versorgung und dem starken Einzelhandel ist Trier also ein heiß begehrter Wohnort. Zwar entfallen auf die Stadt nur 2,4 Prozent der Fläche in der Region, gleichzeitig lebt hier ein Fünftel aller Einwohner. Wirtschaft und Wohnbebauung konkurrieren im Moseltal mit seinen sehr begrenzten Möglichkeiten der Ausbreitung also besonders stark miteinander.
Die Gewerbeflächen verteilen sich zum größten Teil auf die großen Baugebiete Euren-Zewen-Monaise, Hafen/Güterverkehrszentrum, Gewerbegebiet Irsch sowie Wissenschaftspark Petrisberg. Während der Schwerpunkt am Hafen deutlicher auf der Industrie liegt, ist das Handwerk stärker in Irsch und im „Pi-Park“ vertreten. Euren-Zewen-Monaise ist das größte zusammenhängende Industrie- und Gewerbegebiet. 180 Betriebe sind dort nach Auskunft der Stadt angesiedelt, darunter Japan Tobacco International (JTI), die Sektkellerei Schloss Wachenheim und die Volksfreund-Druckerei. In Trier-Nord haben sich in erster Linie Dienstleister, aber auch Industriebetriebe wie der Schaltanlagen-Hersteller Natus und die Sektkellerei Herres angesiedelt.

Neuer Gewerbestandort in Euren
Freie Areale gibt es in all diesen Gewerbegebieten nach Auskunft der Stadt kaum noch, lediglich kleinere Flächen. Deshalb steht die Entwicklung der ehemaligen General-von-Seidel-Kaserne in den Startlöchern – eine der zahlreichen ehemals militärisch genutzten Flächen der Stadt, die nun gewerblich genutzt werden (sollen). Der 2009 aufgegebene Bundeswehrstandort an der Luxemburger Straße in Euren diente zuletzt der Unterbringung von Asylsuchenden und Flüchtlingen. Künftig soll das rund zehn Hektar große Areal vor allem neue, innovative Unternehmen beispielsweise aus der Kreativ- und Digitalwirtschaft beherbergen, kündigt die Stadt an. Luxem wünscht sich dort unter anderem Start-Ups aus den Bereichen IT sowie Kommunikation und Design, die auf moderne Technologien setzen. Es sollen sich aber auch bestehende Betriebe dort erweitern können.
„Dieses Projekt hat eine wichtige wirtschaftspolitische Bedeutung für die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Trier“, sagt Luxem. Noch gehört die Immobilie allerdings der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben; die Kaufverhandlungen laufen. Als einer der diesjährigen Sieger im Wettbewerb „Potenziale heben – Wiederbelebung von Gewerbe-, Industrie- und anderen Brachen“ erhält die Stadt zu diesem Zweck bis zu 248 000 Euro an Fördergeld. Damit unterstützt das rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerium Kommunen, die ungenutzte innerstädtische Flächen entwickeln.
Die Stadt will damit ein Artenschutzgutachten erstellen und das Marketing anstoßen, unter anderem bei der EXPO REAL vom 8. bis 10. Oktober 2018 in München: Europas größte Fachmesse für Immobilien und Investitionen. Am Gemeinschaftsstand des Landes Rheinland-Pfalz steht in diesem Jahr die Region Trier im Fokus. Die Initiative Region Trier ist dort ebenso vertreten wie die Landkreise Vulkaneifel, Bitburg-Prüm, Trier-Saarburg, Bernkastel-Wittlich sowie die Städte Bitburg, Trier und Wittlich.  

Ungenutzte Flächen beleben!

„Um für Unternehmen attraktiv zu bleiben, sollte auch unser Oberzentrum auf Dauer Gewerbestandorte anbieten können“, sagt Ebel. Die Stadt habe in den vergangenen 20 Jahren an ökonomischem Gewicht verloren, was sich unter anderem an der Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts sowie den Beschäftigten- und Ausbildungszahlen zeige. Deshalb sei es wichtig, ungenutzte öffentliche wie private Flächen zu beleben und mit Umlandgemeinden zu kooperieren – „wie an der A64 im Bereich Herresthal bereits diskutiert“.
Die Zeit der großen Ansiedlungen scheint in Trier vorbei zu sein: „Die Unternehmen, die hier sind, bleiben auch gerne hier, aber es sind in den vergangenen Jahren nicht mehr viele Betriebe von extern hierher gezogen“, sagt Luxem. Mit Blick auf den Flächen-Engpass wenig verwunderlich. Betriebe, die innerhalb der Stadt umziehen wollen, interessierten sich insbesondere für kleinere Flächen von 1200 bis 1700 Quadratmetern.
Was die Anbindung der Gewerbegebiete in der Stadt betrifft, erhofft sich Luxem vor allem eine Verbesserung durch die Reaktivierung der Westtrasse. Ab 2021 sollen dort wieder Personenzüge fahren. Dann verbinden zwei Regionalbahnlinien Trier mit Wittlich und Luxemburg-Stadt sowie Konz und Saarburg. Die fünf neuen Haltepunkte Hafenstraße, Pallien, Trier-West, Euren und Zewen verbessern auch die Anbindung von Gewerbegebieten.
Einen weiteren Entwicklungsschub für Euren-Zewen-Monaise könnte der Moselaufstieg bringen, also die schnelle Anbindung an die A64 über die Westumfahrung der Stadt, für die sich die IHK Trier seit langem stark macht.

Boom-Stadt Wittlich
Wie stark ein Standort von einer guten Verkehrsanbindung profitiert, zeigt Wittlich. Überall rund um die Stadt ragen Baukräne in den Himmel, werden neue Firmengebäude und Hallen hochgezogen. Spätestens seit dem gigantischen Neubau der Firma Benninghoven wirkt Wittlich wie eine große Baustelle. Jetzt muss Rainer Wener, Fachbereichsleiter Wirtschaftsförderung, verkünden: „Wir sind ausverkauft!“
Von Beginn an sind die Straßen Wittlichs „Wirtschaftsförderer“, erzählt Wener: Mit der Fertigstellung der A1 in den 60er-Jahren seien die großen Unternehmen gekommen, die der Stadt zum größten Teil bis heute ihren Stempel aufdrücken und Tausende Arbeitsplätze schaffen. Ideal Standard (1964), Franklin Electric (1965), Goodyear Dunlop (1971) und schließlich 1980 Dr. Oetker.
Heute führt das Autobahnkreuz Wittlich die A1/A48 als Nord-Süd-Achse mit der A60 zusammen und schafft damit die Verbindung nach Belgien und in die Niederlande zu den Nordseehäfen Antwerpen und Rotterdam sowie durch Frankreich zum Eurotunnel nach Großbritannien. Wittlich ist zum Verkehrsknotenpunkt geworden – und eine Gewerbefläche nach der anderen entstanden: Industriegebiet I, Ia, II und III, Wengerohr, Wengerohr-Süd, Vitelliuspark. Annähernd 350 Hektar insgesamt.

Von Anfragen überrannt

Wie bedeutend die Nähe zu den Autobahnen ist, zeigte jüngst der Anschluss des Gewerbegebiets Wengerohr-Süd an die A1 über den Plattener Kreisel. „Unmittelbar vor der Eröffnung der Teststrecke sind wir von Anfragen überrannt worden, die wir schon nicht mehr bedienen konnten“, erzählt Wener.
Insgesamt standen dort 70 Hektar an Bauland zur Verfügung. Alleine die Benninghoven GmbH & Co. KG heißt nun dort ein 330 000 Quadratmeter großes Grundstück ihr Eigen, auf dem das Unternehmen ein neues Stammwerk für die Produktion von Asphaltmischanlagen samt Verwaltungsgebäude errichtet hat. Angesiedelt haben sich entlang der Dr.-Oetker-Straße außerdem die Follmann Baustoffe GmbH, die Brohl Wellpappe GmbH & Co. KG, die Robert Aebi Landtechnik GmbH und viele mehr. Aktuell baut die Firma 50NRTH (ehemals Clemens Hobby Tec) dort ein neues Logistikzentrum, die Post hat gerade ihren Zustellstützpunkt eröffnet, und Wener rechnet mit dem baldigen Baubeginn der Bäckerei Wildbadmühle, die ebenso wie Benninghoven aus dem engen Moseltal in die Eifel zieht, um expandieren zu können.  
Auch die für 2019 geplante Fertigstellung des Hochmoselübergangs als Verbindung in Richtung Rhein-Main-Gebiet über die B50 neu ist für den Wittlicher Boom verantwortlich. Nicht nur der Warenlogistik wegen: „Wir erschließen damit auch einen neuen regionalen Arbeitsmarkt. Noch trennt die Mosel unsere Betriebe vom Hunsrück, aber mit dem Hochmoselübergang wird es leichter, dort um Mitarbeiter zu werben.“ Denn der Hunger nach Fachkräften ist groß; die 19 500-Einwohner-Stadt bietet nach städtischen Informationen aktuell mehr als 18 000 Arbeitsplätze.

Mehr Gewerbe, mehr Jobs, mehr Wohnbedarf

Konflikte um die Flächennutzung werden überall im Land offensichtlich, so auch in Wittlich. Nicht selten sind es landwirtschaftliche Flächen, auf denen Gewerbegebiete entstehen. Da der Eingriff in Natur und Landschaft über Ausgleichsflächen kompensiert werden muss, entfallen weitere Flächen für die intensive Nutzung. Und: Mehr Arbeitsplätze ziehen mehr Wohnbebauung mit sich. Neubaugebiete brauchen also zusätzlich Raum. „Die Grundstücke gehen weg wie warme Semmeln“, sagt Heribert Lorscheider, stellvertretender Fachbereichsleiter Wirtschaftsförderung der Stadt.  
Schon jetzt greife Wittlich auf Ausgleichsflächen im Umland zurück, sagt Wener. Doch so gerne die Stadt weitere Gewerbe- und Wohnflächen anbieten würde, die Grenzen seien erreicht. Neun kleinere Grundstücke sollen in den kommenden Monaten noch in der Brüsselstraße erschlossen werden. Vor allem Handwerksbetriebe sollen sich hier weiterentwickeln können. In der Nähe des Areals, wo jedes Jahr das Bungert Oktoberfest stattfindet, dem künftigen Industriegebiet III Nord, werden künftig weitere netto 12,5 Hektar zur Verfügung stehen.
Dann ist erstmal Schluss. Können Wener und Lorscheider keine geeigneten Flächen anbieten, verweisen sie schon jetzt an die Gebiete in der Nachbarschaft, beispielsweise in den Verbandsgemeinden Wittlich-Land oder Bitburger Land. So, wie auch der ebenfalls boomende Industriepark Region Trier Anfragen, die dieser nicht mehr bedienen kann, an Wittlich weitergibt. „Die Zeit des Kirchturmdenkens ist zum Glück vorbei“, sagt Wener und lobt den regelmäßigen Austausch. Doch für die Unternehmen zähle oft jeder Meter Entfernung zur Autobahn. Schon eine Viertelstunde Umweg koste Firmen, die täglich von zig LKW angefahren werden, viel Zeit und Geld.

Heimische Betriebe haben Vorrang

Die gute Lage ist natürlich nicht Wittlichs einziger Pluspunkt. „Die Firmen fühlen sich bei uns gut betreut, wir nehmen sie an die Hand, helfen bei Problemen und bringen andere Fachabteilungen und Behörden an einen Tisch." Das spreche sich herum. „Wenn Unternehmen nach einem neuen Standort suchen, läuft das primär über Empfehlungen anderer Betriebe“, weiß Lorscheider. Anfragen würden daher so schnell wie möglich bearbeitet, Entscheidungen zeitnah vom Stadtrat gefällt.
Wener erklärt: „Neuansiedlungen stehen für uns nicht allein im Fokus, sondern vor allem auch die Bestandssicherung.“ In erster Linie sollen also Unternehmen mit Sitz in Wittlich die Möglichkeit haben, sich zu erweitern. Vertrauenswürdigkeit, Seriosität, Transparenz, die Schaffung von Arbeitsplätzen, all das entscheide darüber, wer den Zuschlag für ein Grundstück bekomme. Logistiker mit hohem Flächenverbrauch und wenigen Mitarbeitern haben hier das Nachsehen. Auch wolle sich Wittlich nicht in die Abhängigkeit von „Global Playern“ begeben. „Wir wollen daher den gesunden Mix aus großen Unternehmen sowie kleinen und mittelständischen Betrieben erhalten.“  
Proteste gegen neue Gewerbegebiete gibt es in Wittlich kaum. „Die Menschen wissen die Nähe zum Arbeitsplatz zu schätzen“, sagt Wener. „Und wir sehen es auch als Teil der Wirtschaftsförderung an, Lebensqualität zu schaffen“: Kultur- und Freizeitangebote, Kitas, Schulen und nicht zuletzt eine Innenstadt mit hochwertigem Einzelhandel. Hierfür setzt sich die Stadt mit zahlreichen Projekten wie dem Leerstandsmanagement ALWIN ein, eröffnet unter anderem Pop-Up-Läden und bietet günstige Konditionen für Existenzgründer. Die Antwort auf die Frage, was sich der Wirtschaftsförderer für die Zukunft wünsche, kommt daher prompt: „Schöne Läden für die Innenstadt.“

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