15.09.1999
Seine Küche lebt von der Variation
Dieser Text ist vom 15.09.1999 und könnte inhaltlich veraltet sein.
Küchenchef Wolfgang Becker bringt das traditionelle Weinhaus Becker in Olewig erstmals in den Gault Millau
Wolfgang Becker will nach oben. Gerade hat der
31jährige das vor zwei Jahren von seinen Eltern übernommene „
Weinhaus Becker“ in Olewig mit 14 von 20 Punkten in die Sphären
des angesehenen Restaurantführers Gault Millau gebracht, denkt er
weiter. „Mein Ziel ist, langfristig auf dieser Werteskala noch
ein bisschen nach oben zu klettern“, erklärt er schmunzelnd.
Nicht allein für die Küche hat der gelernte Winzer und Koch feste
Vorstellungen. Auch das Haus mit seinen insgesamt 19 Zimmern und
dem Restaurant möchte er dem geänderten Koch-Stil
anpassen.
Bis vor zwei Jahren war unser Haus als Weinstube ausgerichtet, die nur freitags und samstags geöffnet war. Es gab den Wein unseres Gutes und kleine Gerichte dazu. Eine Küche für professionelles Kochen hatten meine Eltern nicht“, erzählt Wolfgang Becker.
Nach seiner Lehrzeit im Schwarzwald und anschließenden Stationen im Restaurant Scheid in Wasserliesch, im „Alten Badhaus“ in Eberbach, im Bühler „Imperial“ und in der Traube Tonbach“ bei Harald Wohlfahrt kehrte Wolfgang Becker zurück ins elterliche Anwesen. Dort baute er im Frühjahr 1997 zunächst die Küche für seine Zwecke aus.
In der ersten Etage des Hauses ließ er einem Bankettsaal mit rund 60 Plätzen neu bauen. Den urigen Gewölbekeller sowie die ehemalige Weinstube für maximal 36 Gäste modernisierte er auf moderate Weise.
Veränderungen behutsam angehen
„Als Sohn, der dieses Anwesen von den Eltern übernimmt, muß ich behutsam mit Veränderungen vorgehen. Radikal alles zu erneuern, bedeutete, meine Eltern vor den Kopf zu stoßen. Schließlich haben sie das alles aus eigener Kraft aufgebaut“, erklärt der Junior. „Insofern ist die aktuelle Einrichtung des Restaurants für mich ei Kompromiß“.
Mit Kompromiß umschreibt Becker die bürgerliche, aber durchweg gemütliche Linie des von hellem, massiven Holz dominierten Restaurantbereichs. Zehn Tische sind stets für den Vor- und Hauptspeisengang eingedeckt. Stoffservietten und dezente Tischdekoration sind ein untrügliches Anzeichen dafür, dass die Gäste gehobene Küche erwartet.
„Als ich im September 1997 hier begann, stand die genaue Richtung noch nicht fest“, erzählt der Koch, Zunächst sei geplant gewesen, im Keller ein gehobenes und im Restaurant ein einfacheres Angebot zu machen. Die Ausrichtung der Küche beziehungsweise der Karte sei noch vage gewesen. Wie so häufig hat schließlich die tägliche Erfahrung die Richtung bestimmt. „ Vor allem unsere Stammgäste von früher wollten auch weiterhin in der ehemaligen Weinstube, also dem heutigen Restaurant, Platz nehmen“, sagt Becker. So wird das historische Kellergewölbe heute hauptsächlich für private Familienfeiern vermietet.
Becker hängt nicht an Klassikern
Die Karte im Restaurant bedeutete anfangs für die Stammgäste nicht allein eine geschmackliche, sondern auch eine preisliche Umstellung. „Es kostet Zeit, die Gäste an etwas Neues heranzuführen, was qualitativ hochwertiger und daher zwangsläufig auch etwas teurer ist“, weiß Becker. Dennoch ist der Küchenchef von seinem eingeschlagenen Weg überzeugt. Der 31jährige bietet eine kleine aber feine Karte, die er alle sechs bis acht Wochen komplett erneuert. Im Unterschied zu anderen Küchenchefs gibt es bei Wolfgang Becker keine Klassiker. „Mich reizt es, permanent etwas Neues auszuprobieren und unseren Gästen anzubieten“, erklärt er. Ohnehin diktiere das Saisonangebot seine Speisenkarte. Seine Produkte bezieht der Gastronom von einem Lieferanten aus Rastatt, den er aus Zeiten in der „Traube Tonbach“ kennt. „Der große Vorteil daran ist, dass dieser Lieferant genau weiß, worauf ich Wert lege und ich so eine böse Überraschung erlebe“.
Eine Schwäche hat der Trierer für Variationen mit Fisch. „ Das hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass mir Ludwig Bechter vom „Imperial“ so viel in puncto Fisch-Zubereitung beigebracht und mich stark geprägt hat“, meint Becker.
Überhaupt hat der junge Küchenmeister nichts gegen Einflüsse der Kollegen. „Auch wenn man sich als Koch selbständig macht und eigene Ideen hat, erfindet man das Kochen nicht neu. Ich habe von jeder meiner Stationen das Wichtigste mitgenommen. Einiges davon fließt in meine heutige Arbeit mit ein.“ Einzelne Ideen aufzugreifen beziehungsweise Gerichte anderer Restaurants in abgeänderter Form anzubieten, ist für ihn kein Tabu. „In gewisser Weise ist schließlich alles irgendwo schon einmal dagewesen. Manchmal kommt man nicht darum herum, etwas zu wiederholen“, ist er überzeugt.
Geschmacksstark und mit vielen Aromen
Die Basis seiner Küche beschreibt Wolfgang Becker als klassisch französisch. Darüber hinaus passe er in keine Schublade. „Wir haben keine Dogmen. Es gibt nichts, was ich von vorneherein ablehnen würde.“ Die Seezungenröllchen mit Jakobsmuscheln gefüllt in Kaviarsoße sind ebenso auf der Karte zu finden wie die Variation vom schottischen Lamm mit Graupenrisotto und Basilikum.
Überhaupt liebt Becker Variationen. Bei der Variation vom schottischen Lamm etwa gibt es drei verschiedene Lammzubereitungen: einen Lammrücken in Kartoffelkruste, ein Kotelett mit Zucchini sowie einen Rosmarinspieß vom Filet. „Ich bin für geschmackliche Abwechslung“, so Becker. Eine andere Vorliebe hat er im Laufe der Zeit entwickelt. „Früher habe ich eher fein, möglichst leicht und mit wenig Würze gekocht“, berichtet er. „Seit ich in Trier bin, koche ich lieber geschmacksstark, mit intensiven Aromen.“ Außerdem mag er es, nicht nur Kurzgebratenes, sondern auch Geschmortes auf den Tisch zu bringen. „Bei manchen Gästen stößt das auf Skepsis, es erscheint ihnen zu rustikal.“
Unter seinen Gästen schätzt Becker vor allem die Neugierigen, die gern Neues ausprobieren. Becker selbst experimentiert viel, wie er sagt, lässt dazu die Ideen seiner Mitköche einfließen. Für ihn ist es wichtig, nicht stehenzubleiben. Er möchte sich nicht mit bestimmten „ Klassikergerichten“ in den Köpfen seiner Gäste festsetzen.
Vertrautes Gesicht für die Gäste
Einprägen möchte sich Wolfgang Becker hingegen durch ein konstantes Erscheinungsbild seines Hauses. Aus diesem Grund leitet Ehefrau Christine Becker, gelernte Konditorin und Köchin, den Service im Restaurant. Eine Auszubildende sowie nach Bedarf Aushilfen stehen ihr zur Seite. „Bei meiner Frau kann ich sicher sein, dass ein gleich bleibender Standard gewährleistet ist, und unsere Gäste treffen mit ihr stets auf ein vertrautes Gesicht“, erklärt Becker.
Das elterliche „Wein-Guthaben“ spielt im Restaurant eine begleitende Rolle. Alle Becker´schen Weine sind auf der Karte zu finden. Geschmacklich auf diese Weine abgestimmte Speisen gibt es jedoch nicht täglich. „Wir veranstalten kulinarische Weinproben, bei denen wir ein Mehrgang-Menü mit zwei Weinen pro Gang bieten“, erklärt Becker.
Neben den eigenen Positionen stehen größtenteils Weißweine aus der Pfalz und Baden auf der Karte. Daneben überwiegen bei den Rotweinen die Tropfen aus Burgund und Bordeaux. Mit einem eigenen Rotwein, der bei dem von der Weinfachzeitschrift „Vinum“ ausgelobten Rotwein-Preis in die Finalrunde gekommen ist, hat Wolfgang Becker erst kürzlich einen Weinkenner im Restaurant überrascht. „Dieser Gast war fest davon überzeugt, einen Bordeaux vor sich zu haben. Er hat mir erst geglaubt, als ich ihm die Flasche mit unserem Etikett gezeigt habe. Ist doch prima, wenn es gelingt, den Gästen etwas Neues zu bieten und sie positiv zu überraschen.“
Susanne Windfuhr
Bis vor zwei Jahren war unser Haus als Weinstube ausgerichtet, die nur freitags und samstags geöffnet war. Es gab den Wein unseres Gutes und kleine Gerichte dazu. Eine Küche für professionelles Kochen hatten meine Eltern nicht“, erzählt Wolfgang Becker.
Nach seiner Lehrzeit im Schwarzwald und anschließenden Stationen im Restaurant Scheid in Wasserliesch, im „Alten Badhaus“ in Eberbach, im Bühler „Imperial“ und in der Traube Tonbach“ bei Harald Wohlfahrt kehrte Wolfgang Becker zurück ins elterliche Anwesen. Dort baute er im Frühjahr 1997 zunächst die Küche für seine Zwecke aus.
In der ersten Etage des Hauses ließ er einem Bankettsaal mit rund 60 Plätzen neu bauen. Den urigen Gewölbekeller sowie die ehemalige Weinstube für maximal 36 Gäste modernisierte er auf moderate Weise.
Veränderungen behutsam angehen
„Als Sohn, der dieses Anwesen von den Eltern übernimmt, muß ich behutsam mit Veränderungen vorgehen. Radikal alles zu erneuern, bedeutete, meine Eltern vor den Kopf zu stoßen. Schließlich haben sie das alles aus eigener Kraft aufgebaut“, erklärt der Junior. „Insofern ist die aktuelle Einrichtung des Restaurants für mich ei Kompromiß“.
Mit Kompromiß umschreibt Becker die bürgerliche, aber durchweg gemütliche Linie des von hellem, massiven Holz dominierten Restaurantbereichs. Zehn Tische sind stets für den Vor- und Hauptspeisengang eingedeckt. Stoffservietten und dezente Tischdekoration sind ein untrügliches Anzeichen dafür, dass die Gäste gehobene Küche erwartet.
„Als ich im September 1997 hier begann, stand die genaue Richtung noch nicht fest“, erzählt der Koch, Zunächst sei geplant gewesen, im Keller ein gehobenes und im Restaurant ein einfacheres Angebot zu machen. Die Ausrichtung der Küche beziehungsweise der Karte sei noch vage gewesen. Wie so häufig hat schließlich die tägliche Erfahrung die Richtung bestimmt. „ Vor allem unsere Stammgäste von früher wollten auch weiterhin in der ehemaligen Weinstube, also dem heutigen Restaurant, Platz nehmen“, sagt Becker. So wird das historische Kellergewölbe heute hauptsächlich für private Familienfeiern vermietet.
Becker hängt nicht an Klassikern
Die Karte im Restaurant bedeutete anfangs für die Stammgäste nicht allein eine geschmackliche, sondern auch eine preisliche Umstellung. „Es kostet Zeit, die Gäste an etwas Neues heranzuführen, was qualitativ hochwertiger und daher zwangsläufig auch etwas teurer ist“, weiß Becker. Dennoch ist der Küchenchef von seinem eingeschlagenen Weg überzeugt. Der 31jährige bietet eine kleine aber feine Karte, die er alle sechs bis acht Wochen komplett erneuert. Im Unterschied zu anderen Küchenchefs gibt es bei Wolfgang Becker keine Klassiker. „Mich reizt es, permanent etwas Neues auszuprobieren und unseren Gästen anzubieten“, erklärt er. Ohnehin diktiere das Saisonangebot seine Speisenkarte. Seine Produkte bezieht der Gastronom von einem Lieferanten aus Rastatt, den er aus Zeiten in der „Traube Tonbach“ kennt. „Der große Vorteil daran ist, dass dieser Lieferant genau weiß, worauf ich Wert lege und ich so eine böse Überraschung erlebe“.
Eine Schwäche hat der Trierer für Variationen mit Fisch. „ Das hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass mir Ludwig Bechter vom „Imperial“ so viel in puncto Fisch-Zubereitung beigebracht und mich stark geprägt hat“, meint Becker.
Überhaupt hat der junge Küchenmeister nichts gegen Einflüsse der Kollegen. „Auch wenn man sich als Koch selbständig macht und eigene Ideen hat, erfindet man das Kochen nicht neu. Ich habe von jeder meiner Stationen das Wichtigste mitgenommen. Einiges davon fließt in meine heutige Arbeit mit ein.“ Einzelne Ideen aufzugreifen beziehungsweise Gerichte anderer Restaurants in abgeänderter Form anzubieten, ist für ihn kein Tabu. „In gewisser Weise ist schließlich alles irgendwo schon einmal dagewesen. Manchmal kommt man nicht darum herum, etwas zu wiederholen“, ist er überzeugt.
Geschmacksstark und mit vielen Aromen
Die Basis seiner Küche beschreibt Wolfgang Becker als klassisch französisch. Darüber hinaus passe er in keine Schublade. „Wir haben keine Dogmen. Es gibt nichts, was ich von vorneherein ablehnen würde.“ Die Seezungenröllchen mit Jakobsmuscheln gefüllt in Kaviarsoße sind ebenso auf der Karte zu finden wie die Variation vom schottischen Lamm mit Graupenrisotto und Basilikum.
Überhaupt liebt Becker Variationen. Bei der Variation vom schottischen Lamm etwa gibt es drei verschiedene Lammzubereitungen: einen Lammrücken in Kartoffelkruste, ein Kotelett mit Zucchini sowie einen Rosmarinspieß vom Filet. „Ich bin für geschmackliche Abwechslung“, so Becker. Eine andere Vorliebe hat er im Laufe der Zeit entwickelt. „Früher habe ich eher fein, möglichst leicht und mit wenig Würze gekocht“, berichtet er. „Seit ich in Trier bin, koche ich lieber geschmacksstark, mit intensiven Aromen.“ Außerdem mag er es, nicht nur Kurzgebratenes, sondern auch Geschmortes auf den Tisch zu bringen. „Bei manchen Gästen stößt das auf Skepsis, es erscheint ihnen zu rustikal.“
Unter seinen Gästen schätzt Becker vor allem die Neugierigen, die gern Neues ausprobieren. Becker selbst experimentiert viel, wie er sagt, lässt dazu die Ideen seiner Mitköche einfließen. Für ihn ist es wichtig, nicht stehenzubleiben. Er möchte sich nicht mit bestimmten „ Klassikergerichten“ in den Köpfen seiner Gäste festsetzen.
Vertrautes Gesicht für die Gäste
Einprägen möchte sich Wolfgang Becker hingegen durch ein konstantes Erscheinungsbild seines Hauses. Aus diesem Grund leitet Ehefrau Christine Becker, gelernte Konditorin und Köchin, den Service im Restaurant. Eine Auszubildende sowie nach Bedarf Aushilfen stehen ihr zur Seite. „Bei meiner Frau kann ich sicher sein, dass ein gleich bleibender Standard gewährleistet ist, und unsere Gäste treffen mit ihr stets auf ein vertrautes Gesicht“, erklärt Becker.
Das elterliche „Wein-Guthaben“ spielt im Restaurant eine begleitende Rolle. Alle Becker´schen Weine sind auf der Karte zu finden. Geschmacklich auf diese Weine abgestimmte Speisen gibt es jedoch nicht täglich. „Wir veranstalten kulinarische Weinproben, bei denen wir ein Mehrgang-Menü mit zwei Weinen pro Gang bieten“, erklärt Becker.
Neben den eigenen Positionen stehen größtenteils Weißweine aus der Pfalz und Baden auf der Karte. Daneben überwiegen bei den Rotweinen die Tropfen aus Burgund und Bordeaux. Mit einem eigenen Rotwein, der bei dem von der Weinfachzeitschrift „Vinum“ ausgelobten Rotwein-Preis in die Finalrunde gekommen ist, hat Wolfgang Becker erst kürzlich einen Weinkenner im Restaurant überrascht. „Dieser Gast war fest davon überzeugt, einen Bordeaux vor sich zu haben. Er hat mir erst geglaubt, als ich ihm die Flasche mit unserem Etikett gezeigt habe. Ist doch prima, wenn es gelingt, den Gästen etwas Neues zu bieten und sie positiv zu überraschen.“
Susanne Windfuhr