Idyllisch schlängelt sie sich ihren Weg durch Frankreich und Luxemburg bis hin zu ihrer Mündung in Koblenz, schmiegt sich an steile Weinberge, passiert romantische Ortschaften und lockt so manchen Wanderer und Radfahrer in ihr Tal: die Mosel. Doch sie ist viel mehr als nur ein schönes Urlaubsziel – sie ist eine der bedeutendsten Wasserstraßen Europas.
Schon die alten Römer wussten die Mosel als Transportweg zu schätzen. Seit dem 1. Jahrhundert vor Christus nutzten sie sie als Wasserstraße und ließen ihre Holzschiffe flussabwärts treiben. Flussaufwärts zogen sie die Schiffe mit einer Tragfähigkeit von fünf bis sechs Tonnen vom Ufer aus mit Seilen. Ein Relief des sogenannten „Treidelns“ ziert heute noch die berühmte Igeler Säule.
Seitdem ist viel geschehen – heute gilt die Mosel nach dem Rhein laut Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes als bedeutendste und wirtschaftlichste Wasserstraße im Binnenwasserstraßennetz der Bundesrepublik. Daneben ist sie eine wahre Weltenbummlerin: Neben 206 Flusskilometern in deutschen Gefilden legt sie zunächst 278 in Frankreich und 36 deutsch-luxemburgische zurück. So verbindet sie den Trierer Wirtschaftsraum sowohl mit Lothringen, Luxemburg und der Saar als auch mit den westdeutschen Industriezentren am Rhein und den großen Nordseehäfen in den Niederlanden und Belgien.
Genau 50 Jahre ist es her, dass die Mosel für die Großschifffahrt geöffnet wurde. Heute ist hier rund um die Uhr Schiffsverkehr möglich, neben Gütermotorschiffen und sogenannten Schubverbänden nimmt die Anzahl der Fahrgast- beziehungsweise Fahrgastkabinenschiffe stetig zu. Um die gefragte, stark belastete Wasserstraße für die Zukunft zu rüsten, ist für die kommenden Jahre der schrittweise Ausbau der deutschen Moselschleusen geplant. Konkret heißt das: Nach dem bereits abgeschlossenen Bau von zweiten Schleusenkammern in Zeltingen und Fankel befindet sich nun der Bau einer zweiten Schleusenkammer in Trier in vollem Gang. Am 27. März 2014 fiel der offizielle Spatenstich. Es folgen: Lehmen, Wintrich, Müden, Detzem, St. Aldegund und Enkirch. Zu guter Letzt soll die ältere der beiden Schleusenkammern in Koblenz modernisiert werden.
Alle noch ausstehenden zweiten Schleusenkammern sind in den „vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplanes“ aufgenommen; denn letztlich könne nur die Durchgängigkeit der Maßnahmen auf der gesamten Wasserstraße eine Entschärfung der Situation bringen, so das Wasser- und Schifffahrtsamt Trier.
WIE ALLES BEGANN
Der 27. Oktober 1956 ist der Meilenstein in der Geschichte der Moselschifffahrt. Luxemburgs Staatsminister Joseph Bech, der deutsche Außenminister Dr. Heinrich von Brentano und der französische Außenminister Christian Pineau unterzeichnen den „Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland, der Französischen Republik und dem Großherzogtum Luxemburg über die Schiffbarmachung der Mosel“, der sogenannte „Internationale Moselvertrag“. Ein Projekt, das die Nachbarn nach dem 2. Weltkrieg verbindet – gemeinsam sollen die wirtschaftlichen und ökologischen Vorteile ausgebaut und genutzt werden.
Der Inhalt des Vertrags: Die Mosel soll für Schiffe bis zu 1 500 Tonnen schiffbar gemacht werden. Dafür sollten zwischen Koblenz und Thionville auf einer Länge von 270 Kilometern insgesamt 13 Staustufen und eine zusätzliche Schleusenkammer in Koblenz errichtet werden. Der Kostenpunkt: 370 Millionen Deutsche Mark, die zu großen Teilen von Frankreich getragen werden. Im Dezember 1963, nur sieben Jahre später, ist es so weit: Alle 13 Staustufen sind fertiggestellt. Es folgt am 26. Mai 1964 die feierliche Eröffnung der Großschifffahrtsstraße Mosel.
Und die Geschichte der Wasserstraße Mosel wird zu einer Erfolgsgeschichte. Bereits 1970 wird die im Moselvertrag vorgesehene Kapazitätsgrenze von zehn Millionen Tonnen Güterverkehrsaufkommen erreicht. Damit nicht genug, die Zahlen steigen weiter: Das Jahr 2006 glänzt mit einem Rekordwert von 16,2 Tonnen, 2008 liegt das Güterverkehrsaufkommen auf der Mosel bei 15,7 Tonnen. Höchste Zeit also, für Entlastung zu sorgen und alle Schleusen mit modernen, zweiten Schleusenkammern zu versehen?
KRITISCHE STIMMEN ZUM AUSBAU DER SCHLEUSEN
Neben der Euphorie über die Entwicklung der Wasserstraße Mosel hört man auch kritische Stimmen in der Region Trier zum geplanten schrittweisen Ausbau der Moselschleusen – die Rheinpfalz berichtete Anfang des Jahres gar über „aufgestauten Ärger“ einzelner Anwohner. Diese führen vor allem ein Argument gegen den Ausbau der Moselschleusen an:
Von rege wachsendem Schiffsverkehr kann nicht mehr die Rede sein. Seit Jahren pendelt das Gütertransportaufkommen zwischen zwölf und 16 Millionen Tonnen pro Jahr. 2009, das Jahr der Wirtschaftskrise, wurden sogar nur 11,7 Tonnen verfrachtet. Die Prognosen des Bundesverkehrsministeriums für die Zukunft wurden in den vergangenen Jahren kontinuierlich nach unten korrigiert: auf mittlerweile 16,6 Millionen Tonnen Fracht im Jahr 2025. Die Anzahl der Schiffe ist in den letzten Jahren rückläufig.
Daneben sei das Argument, dass die Stahlindustrie in Lothringen und dem Saarland künftig mehr Importkohle bräuchte, die über die Mosel transportiert werden müsste, aufgrund der schrumpfenden Stahlindustrie an diesen Standorten nicht haltbar.
Auch die anvisierte Kostenhöhe für den Ausbau der Schleusen sei fragwürdig, die Bauzeit für Anwohner und Touristen eine Belastung. Mit den Schleusen in Zeltingen und Fankel seien bereits die beiden am stärksten belasteten Staustufen mit zweiten Kammern verstärkt worden, das sollte angesichts der stagnierenden Zahlen ausreichen.
Ist es vor diesem Hintergrund vertretbar, Millionen deutscher Steuergelder in den Ausbau der Schleusen zu investieren, wenn gleichzeitig wichtige Verkehrsträger wie die Straße mehr und mehr verkommen?
WICHTIGE ÖKOLOGISCHE ALTERNATIVEN ZUR STRASSE
„Die Straße ist und bleibt in unserer Region der mit Abstand wichtigste Verkehrsträger für die Wirtschaft“, bestätigt IHK-Verkehrsreferent Wilfried Ebel. In der Zukunft werde das Güterverkehrsaufkommen jedoch laut Bundesverkehrsministerium bundesweit erheblich ansteigen – aktuelle Prognosen sprechen beim Güterverkehr von einer Steigerung um 38 Prozent bis zum Jahr 2030. „Es wird zwingend notwendig sein, alle Verkehrsträger in den Blick zu nehmen. Die Mosel als äußerst umweltfreundliche und leistungsfähige Wasserstraße ist dabei von großer Bedeutung – gerade auch für viele der im Trierer Hafen ansässigen Unternehmen.“ Auch wenn die veranschlagten Mittel für den Schleusenausbau im Bereich der Straße sinnvoll eingesetzt werden könnten, sei der zügige Ausbau der Schleusen zum jetzigen Zeitpunkt der richtige Schritt. „Wir müssen vorausschauend denken, die Schiene stößt bereits heute an vielen Stellen an Kapazitätsgrenzen. Nur über die Straße wird das steigende Güterverkehrsaufkommen nicht abgefedert werden können.“
Auch Charlotte Kurz, stellvertretende Leiterin des Wasser- und Schifffahrtsamts Trier, hält Kritikern des Schleusenausbaus drei schlagkräftige Argumente entgegen:
1. DIE GRÖSSE DER HEUTIGEN SCHIFFE
Die Schiffe der heutigen Zeit sind nicht mehr die Schiffe von vor fünfzig Jahren. Was heißt das konkret? „Wir sprechen heute von einer ganz anderen Größe der Schiffe“, so Kurz. „Heute sind beispielsweise Schubverbände 172m lang, das macht sie um einiges wirtschaftlicher.“ Gleichzeitig hieße das jedoch auch, dass sie in den alten Schleusenkammern mit einer Kammernutzlänge von 170m nicht mehr ohne weiteres geschleust werden können. „Damit die Schiffe die Schleusen überhaupt passieren können, muss zur Gewinnung zusätzlicher Meter während der Schleusung auf das sogenannte Stoßschutzseil verzichtet werden. Zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen sind erforderlich, der Schleusungsprozess verzögert sich und die Gefahr einer Toranfahrung kann nicht ausgeschlossen werden“, so Kurz. 210m messen hingegen die neuen Schleusenkammern an Länge, zudem sind sie 50 Zentimeter breiter als die alten. „Auch darf man nicht vergessen, dass vor fünfzig Jahren oft zwei kleinere Schiffe in einer Kammer geschleust wurden.“ Dies ist so nicht mehr möglich, heute muss jedes Schiff warten, bis es an der Reihe ist.
2. DAS VERKEHRSAUFKOMMEN
Und das kann unter Umständen lange dauern: Ein Schleusengang benötigt rund 45 Minuten. Selbst wenn an jeder der zehn Moselschleusen nur ein einziges Schiff vor einem an der Schleuse ankommt, können sich die Zeiten schnell summieren. „Hinzu kommen während der Sommersaison die bei Touristen sehr beliebten Fahrgast- und Fahrgastkabinenschiffe – die Vorschleusungsrecht besitzen.“ Bis zu 5 000 Fahrzeuge der weißen Flotte passieren in dieser Zeit zusätzlich die Moselschleusen. Sie haben Vorrang vor der Güterschifffahrt. Hier ist Geduld gefragt.
3. DIE SICHERHEIT
Den wichtigsten Punkt, gerade aus Sicht der Wirtschaft, nennt Kurz zum Schluss: „Ohne den Bau der zweiten Schleusenkammern wird auf Dauer der Betrieb nicht gesichert werden können!“ Bereits jetzt werden die Schleusen jährlich insgesamt acht Tage gesperrt, um nötige Instandsetzungsmaßnahmen durchzuführen. „Die Schleusenkammern haben eine technische Lebensdauer von 80 bis 100 Jahren. Da ist es nur eine Frage der Zeit, bis diese kurze Zeitspanne nicht mehr für die Durchführung der Arbeiten ausreichend sein wird. Spätestens, wenn die alten Kammern aufwändig saniert werden müssen, ist eine zweite Kammer unumgänglich.“ Denn fällt eine Schleuse aus oder muss sanierungsbedingt geschlossen werden, wird die ganze Mosel „dicht gemacht“. „Dann läuft nichts mehr – weder in Richtung Frankreich, noch zur Saar oder zum Rhein hin.“ Für die Planung und Rechnung der Unternehmen undenkbar.
PRODUKTE AUS DEM HOCHWALD GEHEN PER SCHIFF AUF DIE REISE
Die größere Länge der Schiffe zieht eine weitere Konsequenz nach sich: Der Güterfrachtverkehr entwickelt sich weg von Schuttgütern wie Kohle hin zur Verschiffung von Containern – eine große Chance für den Wasserweg Mosel. So können viele Güter von der Straße weg aufs Wasser verlagert werden, die wirtschaftlichere Variante.
Zur Verdeutlichung: Mit jedem PS Motorleistung bewegt ein modernes Binnenschiff rund 4 000 kg Ladung, ein Zug rund 500 kg und ein LKW nur noch 150kg. Auch in punkto Umwelt schafft es der Wasserweg auf den vordersten Platz: Geringe Lärmemissionen und die niedrigsten Werte, was den Verbrauch von Primärenergie und den damit verbundenen CO2-Ausstoß angeht, sprechen eine deutliche Sprache.
Die Hochwald Foods GmbH aus Thalfang nutzt den Allrounder Wasserweg bereits. Rund 2 700 Container mit Dosenmilch verlassen das Werk pro Jahr in Richtung Trierer Hafen. Dort werden sie mittels eines Containerkrans von den LKW auf Binnenschiffe verladen – bis zu 140 Container kann ein Binnenschiff fassen. Ab hier steht der Reise der Milchprodukte in die weite Welt nichts mehr im Weg. Über die Mosel und den Rhein geht es beispielsweise nach Antwerpen – von wo die Produkte in großen Containerschiffen weltweit verschifft werden.
Warum das Unternehmen den Weg über die Wasserstraße wählt, erklärt Dr. Karl-Heinz Engel, Vorsitzender der Geschäftsführung, wie folgt: „Hochwald stellt am Standort Thalfang vor allem Kondensmilch in der Dose her. Nahezu 100 Prozent werden exportiert, zum Beispiel nach Nord-Afrika oder den arabischen Raum. Bereits seit 1998 nutzen wir hierfür den Wasserweg Mosel über den Trierer Hafen und waren Teil der Strukturentscheidung für den Trimodalen Containerterminal. Damals haben wir uns bewusst für den längeren Moselwasserweg entschieden und auch unsere internen Strukturen auf die längere Lieferkette umgestellt.“ Warum: Der Transportweg sei wettbewerbsfähig und man habe die ersten Weichen für eine CO2-ärmere Logistik gestellt.
„Anfang des Jahres haben wir die größte Investition in der Geschichte des Standortes Thalfang abgeschlossen und die Kapazität des Werkes erhöht. Künftig werden wir also mehr Waren über den Wasserweg transportieren als bisher. Eine hohe Zuverlässigkeit und die Wettbewerbsfähigkeit des Moselwasserwegs sind aus diesem Grund künftig noch wichtiger“, lenkt auch Dr. Engel das Augenmerk auf die nötige Planungssicherheit.
ZUSAGEN VON SEITEN DER POLITIK
Klare Signale zum Ausbau der Schleusenkammern kommen aus der Politik: Als „wichtigen Beitrag für die Zukunftssicherung des Wirtschaftsstandortes“ sieht die rheinland-pfälzische Innenstaatssekretärin Heike Raab den Ausbau. Ihr eindeutiges Statement beim Spatenstich für die zweite Schleusenkammer in Trier: „Zusätzliche Schleusenkammern sind unverzichtbar.“ Daher habe das Land den Ausbau aller deutschen Moselschleusen für den Bundesverkehrswegeplan 2015 angemeldet. Und Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt nährt die Hoffnung der Befürworter: Auf dem Festakt zur Eröffnung der Großschifffahrtsstraße vor 50 Jahren auf Schloss Schengen kündigt er an, sich für einen schnelleren Ausbau der Moselschleusen einzusetzen. „Es ist mir wichtig, in eine innovative, nachhaltige Binnenschifffahrt zu investieren, damit die Binnenschifffahrt langfristig ein sicherer und wettbewerbsfähiger Verkehrsträger bleibt.“ Das Fazit aus rheinland-pfälzischer Sicht zieht Infrastrukturminister Roger Lewentz: „Eine überaus positive Botschaft!“