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IHK Trier


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  • 01.09.2007

    Viel Kritik und wenig Lob

    Brüssel strebt radikale Reform der Weinmarktordnung an – Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit wird vermisst

  • Foto: Albrecht Ehses
    Wein & Tourismus

    Albrecht Ehses

    Tel.: 0651 9777-201
    ehses@trier.ihk.de


Dieser Text ist vom 01.09.2007 und könnte inhaltlich veraltet sein.
Die Europäische Kommission hat ihre strittigen Vorschläge zur Reform der europäischen Weinmarktordnung vorgelegt und erntet damit vor allem seitens der Weinerzeugermitgliedstaaten wenig Lob und viel Kritik. Ein Jahr lang wurde der zuvor erstellte Kommissionsbericht zur Weinmarktreform auf allen Ebenen in Räten, im Parlament, bei den Mitgliedstaaten und in unzähligen Fachverbänden diskutiert. Auch der Weinausschuss der IHKs Rheinland-Pfalz hat sich mit eingebracht, und die IHK Trier hat im Forum der Deutschen Weinwirtschaft die Position der weingewerblichen Betriebe vertreten und im Besonderen auf den Erhalt und die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit abgestellt. Gemeinsam wurden Änderungsvorschläge erarbeitet und der Kommissarin Mariann Fischer-Boel anschaulich vor Ort – auch an der Mosel – die Weinbaubedingungen und Marktverhältnisse erläutert. All dies hat die Kommissarin offensichtlich wenig beeindruckt. Ihre Vorschläge orientieren sich sehr an ihren ersten Ideen einer durchaus radikalen Reform.

WEINÜBERSCHUSS BEDINGT REFORMVORHABEN
In der EU gibt es mehr als 1,5 Millionen Wein erzeugende Betriebe, die 3,4 Millionen Hektar Rebfläche bewirtschaften. Damit hält Europa immer noch einen Spitzenplatz, denn 47 Prozent der Rebflächen mit einem Anteil von 60 Prozent der Erzeugung weltweit sind in den 25 EU-Mitgliedstaaten zu finden. Während in den vergangenen Jahren ein langsamer Rückgang der Rebflächen in Europa zu verzeichnen ist, steigen in USA, Chile, Australien und Neuseeland die Produktionskapazitäten. In den letzten zehn Jahren sind die Einfuhren aus diesen Ländern um zehn Prozent pro Jahr (zwölf Millionen Hektoliter) gestiegen, während die Ausfuhren nur langsam zunehmen und sich auf 13 Millionen Hektoliter belaufen. Nach dem derzeitigen Trend wird die Überschussproduktion insbesondere bei Tafelweinen bis 2010/11 rund 15 Prozent der jährlichen EU-Erzeugung erreichen. Außerdem drücken Rückgänge im Konsum zusätzlich auf die wachsenden Lagerbestände. Gründe genug für die Kommission zu handeln und beispielsweise teure Marktstützungsmaßnahmen wie die Destillation, die eine ständige Absatzmöglichkeit für unverkäufliche Überschüsse bietet, in Frage zu stellen und nach Möglichkeit abzuschaffen. Aber die Vorschläge beschränken sich nicht auf Marktordnungsfragen. Sie gehen weit darüber hinaus und beziehen die traditionellen önologischen Verfahren, das Bezeichnungsrecht und das Produktionspotenzial mit ein. Was dem Weinsektor erhalten bleiben soll, sind die versprochenen jährlichen 1,3 Milliarden Euro, wobei auch hiervon – sich steigernd bis 2013 - 400 Millionen Euro von der ersten Säule (reiner Agrarsektor) in die zweite Säule (Entwicklung der ländlichen Räume) umgeschichtet werden sollen.

Die portugiesische Präsidentschaft hat angekündigt, die Weinmarktreform zum Schwerpunkt ihrer EU-Präsidentschaft bis Ende 2007 zu machen. Mit dem Ziel einer politischen Einigung noch in diesem Jahr sind die Beratungen zügig gestartet und sowohl der Ministerrat als auch die Ratsarbeitsgruppe Wein haben der Kommission bereits eine erste Rückmeldung gegeben: Die überwiegende Mehrheit der Agrarminister, bis auf Italien, Spanien und Griechenland, erteilte dem Verordnungsentwurf oder Teilen daraus eine klare Abfuhr.

GANZ WESENTLICH: ERHALT DER ÖNOLOGISCHEN VERFAHREN
Besonders die Idee der Kommission, in die Tradition der Weinbereitungsverfahren einzugreifen und ihre Entscheidungskompetenz hier weiter auszubauen, stößt bei allen Verantwortlichen der deutschen Weinbranche auf überdeutliche Kritik. Mit dramatischen Folgen für den rheinland-pfälzischen Weinbau bis hin zur Existenzgefährdung zahlreicher Weinbaubetriebe rechnet der Mainzer Weinbauminister Hendrik Hering, sollte sich die Kommission durchsetzen. Dies betrifft zum einen die Einschränkung der vorgesehenen Anreicherungsspannen mit der neu vorgesehenen Einführung von Alkoholhöchstgrenzen, als auch das Verbot der Saccharoseanreicherung. Problematisch ist ebenso, dass die Möglichkeit der Säuerung in Jahren mit außergewöhnlichen Witterungsverhältnissen nur für die Weinbauzone B eröffnet werden soll und nicht für den Bereich der Weinbauzone A, der unter anderem Rheinland-Pfalz umfasst.

Diese Einschränkungen, die die Kommission hier vorsieht, kontakarieren ihre eigenen Ziele, nämlich mit der Reform zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Weine gegenüber Drittländern beizutragen. Eine Reduzierung der Anreicherungsspanne von 3,5 auf zwei Volumenprozent wird in den nördlichen Anbaugebieten vor allem bei bestimmten Rotweinrebsorten und spätreifenden Weißweinen zu Problemen führen. Der verpflichtende Einsatz von rektifiziertem Traubenmostkonzentrat (RTK) aus Südeuropa an Stelle von Saccharose verteuert den Herstellungsprozess unnötigerweise um vier bis sechs Cent je Liter. Außerdem ist eine Deckelung im Alkoholgehalt auf 11,5 Volumenprozent für Weißweine inakzeptabel, da Weine aus Rheinland-Pfalz im internationalen Vergleich sofort an Wertstellung verlieren würden.

NEUES BEZEICHNUNGSSYSTEM MIT ZU VIEL BÜROKRATIE
Ein weiterer Ansatz der Kommission geht dahin, die Unterteilung der Weine in Qualitätsweine und Tafelweine abzuschaffen und künftig nur noch zu unterscheiden zwischen Weinen mit geografischer Angabe (Landweine), ohne geografische Angabe (Tafelweine) und Weine mit geschützter Ursprungsangabe (Qualitätsweine). Diese Änderung zielt darauf ab, nur noch geografische Angaben unter Schutz zu stellen, für die der Nachweis erbracht werden kann, dass der Ursprung eines Erzeugnisses maßgeblich für den Charakter des Produktes ist. Nach Aussage der Kommission sollen zwar die 13 deutschen Anbaugebiete automatisch als geografische Ursprungsbezeichnungen geschützt werden, doch wie dies in einem aufwendigen Antragsverfahren für die in Deutschland verwendeten Bereichs-, Großlagen- und über 2 000 Einzellagenbezeichnungen umgesetzt werden soll, kann noch niemand beantworten. Außerdem wird nach der neuen am romanischen Herkunftssystem orientierten Einteilung kaum noch Platz für die in Deutschland praktizierte Qualitätsweinpolitik bleiben, wonach die gesamte Rebfläche als Qualitätswein geeignet eingestuft ist. Die Kommission hat inzwischen zwar zugesichert, dass der Begriff „Qualitätswein“ auch weiterhin angegeben werden kann und auch Lagebezeichnungen ohne entsprechenden Schutz verwendbar bleiben. Dennoch sind noch allzu viele Fragen offen, so dass zurzeit die vorgesehenen Änderungen, abgesehen von Frankreich und den Verbrauchermitgliedstaaten, sehr kritisch gesehen werden.

NATIONALER FINANZRAHMEN VERBESSERUNGSBEDÜRFTIG
Als Ausgleich für die wegfallenden Marktstützungsmaßnahmen bietet die EU den weinbautreibenden Mitgliedstaaten einen finanziellen Rahmen für nationale Maßnahmen. Dazu zählen das Programm zur Umstrukturierung von Rebflächen, die Weinexportförderung in Drittländer, die Grünlese und die Einrichtung von Fonds auf Gegenseitigkeit und Versicherung gegen Naturkatastrophen. Die Finanzierung dieser Programme erfolgt zu 25 Prozent nach dem Rebflächenanteil der Mitgliedstaaten, zu 25 Prozent nach dem Anteil der Weinerzeugung und zu 50 Prozent anhand des historischen Bezugs. Bei der Grünlese denkt die Kommission im Schnitt der Jahre an einen Umfang von zwei Millionen Hektoliter. Diese Maßnahme soll ein Ersatz für die Destillationsmaßnahmen der Südeuropäer sein und mit dazu beitragen, den Weinmarkt zu entlasten.

Die Grundidee der Schaffung von nationalen Stützungsprogrammen wird insgesamt durchaus begrüßt. Deutliches Unverständnis äußern alle Weinerzeugermitgliedstaaten mit Blick auf den eingeschränkten Maßnahmenkatalog sowie die unzureichend eingeplanten Finanzmittel und deren fragwürdige Verteilung. Seitens der deutschen Verbände wurde zuletzt eingebracht, die Absatzförderungsmaßnahmen auch auf die Gemeinschaftsebene auszudehnen. Kritisiert wird auch, dass die Rebflächenrodung nicht mit integriert ist, sondern ihr ein eigenes Kapitel gewidmet wird. Dadurch erfährt die vorgeschlagene Rodung von 200 000 Hektar Rebfläche eine allzu große Aufwertung und steht auch in krassem Widerspruch zur Tatsache, dass ab 2013 das Pflanzverbot definitiv aufgehoben werden soll. Es macht keinen Sinn, jetzt die Rodung von Weinbergen zu subventionieren, um dadurch 7,5 Millionen Hektoliter Weinerzeugung aus dem Markt zu nehmen, um dann in einigen Jahren den Anbau von Reben vollständig zu liberalisieren. Stattdessen sollte das Geld sinnvoller zu Marketingzwecken genutzt werden.

Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass der Kommissionsvorschlag von der gesamten deutschen Weinwirtschaft in sehr vielen Punkten kritisch bis ablehnend aufgenommen worden ist. Die Kommission wäre jetzt gut beraten, sich auf die wirklich reformbedürftigen Elemente zu beschränken. Weinbereitungsmethoden, die Qualitätspolitik und das geltende Bezeichnungsrecht sind nicht für bestehende Probleme verantwortlich und sollten daher ausgeklammert werden. Tatsächlich reformbedürftig sind die Marktmaßnahmen. Der Ansatz, hier frei werdende Gelder in Stützungsmaßnahmen zu investieren, zielt in die richtige Richtung. Das Thema Absatzförderung ist in Verbindung mit einer Verbraucheraufklärung zum moderaten Weingenuss nicht einengend auf Drittländer zu beschränken, sondern sollte im Reformvorschlag eine andere Wertstellung erfahren. Um die Zukunft des europäischen Weinbaus zu sichern, müssen neue Konsumentengruppen und neue Märkte erschlossen werden. Diesem Ziel und einer damit verbundenen Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Weine haben sich alle Reformvorschläge unterzuordnen. Der jetzt vorliegende Vorschlag setzt leichtfertig gewachsene Strukturen und damit die Erhaltung wertvoller Kulturlandschaften aufs Spiel.
Albrecht Ehses,
ehses@trier.ihk.de

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