01.02.2010
Was Unternehmen und Staat jetzt anpacken müssen
Dieser Text ist vom 01.02.2010 und könnte inhaltlich veraltet sein.
Aus der Finanz- und Konjunkturkrise die richtigen Schlüse ziehen
Im Bereich der Finanzmärkte bedeutet dies eine bessere aber nicht unbedingt stärkere Regulierung. Finanzinnovationen sollten nicht verboten, jedoch genau und ohne Ausnahme kontrolliert sowie mit einer Selbstbehaltpflicht für den Produzenten versehen werden. Es darf keine Bereiche des Finanzsystems mehr geben, die nur unzureichend von der Regulierung einbezogen werden und in die die Akteure bislang ausweichen konnten. Auch die Flucht in andere Weltregionen mit niedrigerer Regulierung muss soweit wie möglich unterbunden werden. Weltweit muss an allen relevanten Finanzplätzen eine Mindestkontrolle und -regulierung stattfinden. Zyklenneutrale Eigenkapitalregeln wären darüber hinaus wünschenswert.
Für die Realwirtschaft sind weniger drastische, jedoch ebenso wichtige Entscheidungen zu treffen. In der aktuellen Krise investieren Unternehmen kaum, auch nicht in die deutschen Standorte. Dies führt zu einem Investitionsstau, der sich in der Zukunft in einem Investitionsschub auflösen wird. Da Investitionen in der Regel produktivitätssteigernd sind, erhöhen – durch irreversible Investitionen verursachte – Sunk Costs die Bindung der Unternehmen an den Standort. Je länger der Investitionsstau dauert, desto geringer werden die Sunk Costs der deutschen Unternehmen und die Bindung an den Standort. Es kommt also beim Eintreten des Investitionsschubs daher darauf an, den Unternehmen überzeugende Gründe dafür zu bieten, weiterhin in Deutschland zu investieren. Dazu ist eine angebotsorientierte Wirtschaftspolitik nötig, die die Notwendigkeiten der Unternehmen ernst nimmt.
Welches sind die Erfordernisse der Unternehmen in Deutschland? Deutschland ist eine industriebasierte Exportnation. Nur wenige Industriestaaten können ein höheres Leistungsbilanzplus (in Relation zum BIP) verzeichnen als Deutschland (zum Beispiel 7,7 Prozent im Jahr 2007). Ein Grund für die deutsche Exportstärke ist die starke Position im internationalen Wettbewerb im Markt für Industrieprodukte. Deutschland hatte 2006 einen Industrieanteil von 26 Prozent der Wertschöpfung; die USA, das Vereinigte Königreich und Frankreich lagen mit Werten zwischen 14 und 17 Prozent deutlich dahinter. Doch die zunehmende Verflechtung der Weltwirtschaft verschärft auch den Wettbewerbsdruck auf die deutschen Unternehmen, die in globalen Branchen tätig sind. Sie müssen daher ihre Wertschöpfung unter den sich wandelnden Bedingungen einer globalisierten Ökonomie optimieren.
Professor Hüther ist
Direktor des Instituts
der deutschen Wirtschaft,
Köln
Der weltweite Strukturwandel beschleunigt sich, angeschoben von drei Megatrends. Die Globalisierung in Form von immer intensiver verflochtenen Handels- und Produktionssträngen führt zu einem wachsenden Wettbewerb zwischen den Unternehmensstandorten. Arbeitsintensive, standardisierte Industrieprodukte können in Schwellenländern oft effizienter produziert werden, daher werden diese Prozesse oft dorthin verlagert. Deutsche Produktionsstandorte müssen sich demgegenüber auf humankapital- und wertschöpfungsintensive Unternehmensfunktionen konzentrieren, die Produktdifferenzierungen und -innovationen und somit Wettbewerbsvorteile ermöglichen. Dies wird von einer Tertiarisierung begleitet, denn die maßgeschneiderten Industrieprodukte werden zunehmend von einem umfangreichen, komplementär wirkenden Dienstleistungsanteil ergänzt. Beides ist nur durch die steigende Wissensintensivierung möglich, die aufgrund der zunehmenden Komplexität der produzierten Güter notwendig ist.
Der deutsche Staat kann sie dabei in vielerlei Hinsicht unterstützen. Für die Konzentration auf Hightech- und Highskill-Bereiche werden hoch qualifizierte Fachkräfte benötigt. Kräfte mit einfacher Qualifikation werden es zunehmend schwerer haben, eine Beschäftigung zu finden. Doch gerade an Fachkräften mangelt es. Die Ingenieurlücke zum Beispiel betrug im Jahr 2008 bereits zirka 65 000 Stellen, sie liegt derzeit bei immerhin 25 000 Stellen. Der Strukturwandel hin zu höherwertigen Tätigkeiten wird diesen Mangel noch verschärfen. Zudem gibt es zu wenige Studierende in mathematischen, ingenieur- und naturwissenschaftlichen sowie technischen Studiengängen. Gelingt es nicht, die Studentenzahlen in diesen Bereichen zu steigern, werden Hochtechnologieproduzenten langfristig aufgrund Personalmangels aus Deutschland abwandern. Hier muss durch gezielte Immigration, Geburtensteigerung, eine Stärkung der Erwerbsbeteiligung und eine verbesserte Bildung und Qualifizierung gegengesteuert werden. Eine Möglichkeit zur schnelleren Stärkung des Innovationsstandorts Deutschland ist die Einführung einer steuerlichen Förderung von Ausgaben für Forschung und Entwicklung. Kaum ein anderes Land fördert Aufwendungen für Forschung und Entwicklung so wenig über steuerliche Anreize wie Deutschland. Vieles spricht dafür, dass Deutschland hier eine Kurskorrektur einleiten sollte. Erstens muss sich der Staat für diese Förderung über Steuererleichterungen kein Wissen anmaßen, das er nicht hat. Zweitens greift er bei einer steuerlichen Förderung nicht in die technologische Ausrichtung der Unternehmen ein. Drittens erreicht eine allgemeine steuerliche FuE-Förderung kleinere Betriebe besser als eine direkte, bürokratische Unterstützung.
Für die Realwirtschaft sind weniger drastische, jedoch ebenso wichtige Entscheidungen zu treffen. In der aktuellen Krise investieren Unternehmen kaum, auch nicht in die deutschen Standorte. Dies führt zu einem Investitionsstau, der sich in der Zukunft in einem Investitionsschub auflösen wird. Da Investitionen in der Regel produktivitätssteigernd sind, erhöhen – durch irreversible Investitionen verursachte – Sunk Costs die Bindung der Unternehmen an den Standort. Je länger der Investitionsstau dauert, desto geringer werden die Sunk Costs der deutschen Unternehmen und die Bindung an den Standort. Es kommt also beim Eintreten des Investitionsschubs daher darauf an, den Unternehmen überzeugende Gründe dafür zu bieten, weiterhin in Deutschland zu investieren. Dazu ist eine angebotsorientierte Wirtschaftspolitik nötig, die die Notwendigkeiten der Unternehmen ernst nimmt.
Welches sind die Erfordernisse der Unternehmen in Deutschland? Deutschland ist eine industriebasierte Exportnation. Nur wenige Industriestaaten können ein höheres Leistungsbilanzplus (in Relation zum BIP) verzeichnen als Deutschland (zum Beispiel 7,7 Prozent im Jahr 2007). Ein Grund für die deutsche Exportstärke ist die starke Position im internationalen Wettbewerb im Markt für Industrieprodukte. Deutschland hatte 2006 einen Industrieanteil von 26 Prozent der Wertschöpfung; die USA, das Vereinigte Königreich und Frankreich lagen mit Werten zwischen 14 und 17 Prozent deutlich dahinter. Doch die zunehmende Verflechtung der Weltwirtschaft verschärft auch den Wettbewerbsdruck auf die deutschen Unternehmen, die in globalen Branchen tätig sind. Sie müssen daher ihre Wertschöpfung unter den sich wandelnden Bedingungen einer globalisierten Ökonomie optimieren.
Professor Hüther ist
Direktor des Instituts
der deutschen Wirtschaft,
Köln
INNOVATION STÄRKEN
Es ist weniger die Größe eines Unternehmens, sondern vielmehr sein Drang nach Innovation und Differenzierung, der den Unternehmenserfolg mitbestimmt. Diejenigen Unternehmen, die überdurchschnittlich viele Mitarbeiter in hochwertigen Unternehmensfunktionen in Deutschland haben, sind erfolgreicher als andere Unternehmen mit identischen Branchen- und Größenstrukturen. Dies gelingt ihnen dadurch, dass sie überdurchschnittlich forschungsaktiv und innovativ sind. In diesen Funktionen setzen sie deutlich mehr Personal als der Durchschnitt ein. Sie sind aktive Innovatoren, das heißt die Produktentwicklung ist überwiegend unternehmens- und nicht kundengetrieben. Dadurch erzielen sie einen besonders hohen Umsatzanteil mit Marktneuheiten. Die Unternehmen in Deutschland müssen sich des Zusammenhangs zwischen Internationalisierung, Innovation und Ertragsstärke noch bewusster werden und sich entsprechend positionieren.Der deutsche Staat kann sie dabei in vielerlei Hinsicht unterstützen. Für die Konzentration auf Hightech- und Highskill-Bereiche werden hoch qualifizierte Fachkräfte benötigt. Kräfte mit einfacher Qualifikation werden es zunehmend schwerer haben, eine Beschäftigung zu finden. Doch gerade an Fachkräften mangelt es. Die Ingenieurlücke zum Beispiel betrug im Jahr 2008 bereits zirka 65 000 Stellen, sie liegt derzeit bei immerhin 25 000 Stellen. Der Strukturwandel hin zu höherwertigen Tätigkeiten wird diesen Mangel noch verschärfen. Zudem gibt es zu wenige Studierende in mathematischen, ingenieur- und naturwissenschaftlichen sowie technischen Studiengängen. Gelingt es nicht, die Studentenzahlen in diesen Bereichen zu steigern, werden Hochtechnologieproduzenten langfristig aufgrund Personalmangels aus Deutschland abwandern. Hier muss durch gezielte Immigration, Geburtensteigerung, eine Stärkung der Erwerbsbeteiligung und eine verbesserte Bildung und Qualifizierung gegengesteuert werden. Eine Möglichkeit zur schnelleren Stärkung des Innovationsstandorts Deutschland ist die Einführung einer steuerlichen Förderung von Ausgaben für Forschung und Entwicklung. Kaum ein anderes Land fördert Aufwendungen für Forschung und Entwicklung so wenig über steuerliche Anreize wie Deutschland. Vieles spricht dafür, dass Deutschland hier eine Kurskorrektur einleiten sollte. Erstens muss sich der Staat für diese Förderung über Steuererleichterungen kein Wissen anmaßen, das er nicht hat. Zweitens greift er bei einer steuerlichen Förderung nicht in die technologische Ausrichtung der Unternehmen ein. Drittens erreicht eine allgemeine steuerliche FuE-Förderung kleinere Betriebe besser als eine direkte, bürokratische Unterstützung.
WAS KANN DER STAAT NOCH TUN?
Er muss vor allem ein glaubwürdiges Szenario zur Konsolidierung des Staatshaushaltes innerhalb einer Dekade entwickeln, in das mittelfristig wachstumsstärkende Steuersenkungen, zum Beispiel durch ein Abschmelzen des Mittelstandsbauchs bei der Einkommensteuer und die Abschaffung der kalten Progression eingebettet werden. Und wir brauchen auch wieder eine klare Trennung von Markt und Staat. Regierungen, die selektiv private Unternehmen mit Milliardensummen vor der Insolvenz bewahren möchten, verwischen aber diese Trennlinie. Hier ist im Grundsatz neu für ordnungs-politische Klarheit zu werben.
Prof. Dr. Michael Hüther,
Direktor des Instituts
der deutschen Wirtschaft, Köln
Direktor des Instituts
der deutschen Wirtschaft, Köln