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15.12.2001

Wenn die Kupplung kommt, ist Raybestos im Spiel


Dieser Text ist vom 15.12.2001 und könnte inhaltlich veraltet sein.

Der Entwickler von Reibmaterialien ist ein global agierendes Unternehmen – Morbach als Keimzelle der Forschung

Der Internet-Auftritt der Firma Raybestos ist auch ohne Worte vielsagend. Die sich unaufhörlich drehende Weltkugel – von einem Ring umschlossen – heißt Surfer willkommen und animiert, mit Raybestos auf die Reise zu gehen. Der Ring ist nichts anderes als das Produkt, um das sich in den Raybestos-Labors alles dreht. Und die Weltkugel symbolisiert, dass die Raybestos Industrie-Produkte GmbH mit Stammsitz in Morbach weltweit größter unabhängiger Hersteller von Kupplungsbelagmaterialien ist und auch in Asien durchstartet. Heute Morbach, morgen Suzhou in China, eine Stadt mit einer Million Einwohnern – für Raybestos kein Quantensprung. Die Raybestos-Macher gelten als Spezialisten für Reibmaterialien, die (zu 90 Prozent) in der Automobilindustrie Verwendung finden. Sie können auf langjährige Erfahrung in der Entwicklung, Fertigung und im Vertrieb bauen. Stammsitz der Raybestos Industrie-Produkte GmbH war bis 1993 Radevormwald im Bergischen Land. 1992 übernahm man jedoch das Werk des Mitkonkurrenten Ferodo-Beral und siedelte nach Morbach. Seit 1994 leuchtet dort im Industriegebiet der rote “Raybestos”- Schriftzug von den Hallenwänden. 275 Beschäftigte in Morbach Raybestos ist eine Tochtergesellschaft des US-Konzerns Raytech, der in Shelton (Connecticut) seine Zelte aufgeschlagen hat. Raytech USA liefert seit 1902 Reibmaterialien an Fahrzeug- und Spezialmaschinenhersteller. Die Raytech-Gruppe ist heute nicht nur in den USA, sondern auch in England, Deutschland und in China mit Produktionsstandorten vertreten und erwirtschaftet mit 1 700 Mitarbeitern einen Umsatz von über 250 Millionen US-Dollar. Die Morbacher Tochter spielt in dem Konzert gut mit: 275 Beschäftigte (450 waren es an den beiden alten Standorten) haben ihr Scherflein dazu beigetragen, Raybestos im Jahr 2001 einen Umsatz von etwa 58 Millionen Mark zu bescheren. “Damit sind wir der größte unabhängige Kupplungsbelaghersteller der Welt”, weiß Dr. Michael Bergheim, Direktor Produktentwicklung und Mitglied der Geschäftsleitung. Nicht immer Lieblingskind Eine Bilanz, die sich sehen lassen kann. Und dennoch seien die Morbacher nicht immer das Lieblingskind der US-Mutter. Bergheim grinst und erklärt: “Alles, was wir an Gewinn erwirtschaftet haben, wurde auch wieder reinvestiert. Unsere amerikanischen Eltern werfen uns das vor.” Geld ausgegeben hat Raybestos zum Beispiel auf dem Markt im Reich der Mitte. In der Millionenstadt Suzhou, etwa hundert Kilometer von Shanghai entfernt, eröffnete die Gesellschaft 1998 ein neues Werk, in dem 105 Mitarbeiter Kupplungsbeläge herstellen. Die “ Raybestos Friction Products Co. Ltd” ist zu hundert Prozent Eigentum der Raybestos-Gruppe. Bewusst habe man auf ein Joint-venture verzichtet und ein eigenes Unternehmen aufgebaut. Eine Entscheidung, die sich auszuzahlen scheint. Bergheim: “Wir produzieren dort seit drei Jahren, sind bereits dieses Jahr richtig profitabel und schreiben schwarze Zahlen.” Von Suzhou aus werden der weltweite Aftermarket und die chinesische Erstausrüstungsindustrie, vor allem Shanghai Volkswagen, beliefert. China biete einen “Wahnsinnsmarkt”, nicht zuletzt habe man Glück mit den chinesischen Mitarbeitern. Und die Produkte seien von deutscher Güte. Eine Kombination, die in Asien neue Absatzmärkte eröffne. So besuchte Michael Bergheim vor einigen Wochen einen neuen, “nicht gerade kleinen Kunden” in Japan. Und der hatte zuvor zahlreiche Hersteller von Kupplungsbelägen auf Herz und Nieren geprüft – bei Raybestos sei er fündig geworden, weil Preis und vor allem Qualität stimmten. Begeisterte Japaner Das freut den Chemiker und Forscher Bergheim natürlich besonders. “Die Japaner sind Perfektionisten. Da wird um jedes Komma gestritten. Sie überzeugen zu können, heißt schon etwas.” Zudem seien die Zeiten des japanischen Wirtschaftswunders vorbei, zu teure Produktionen im eigenen Land könnten die Japaner sich nicht mehr leisten. “Internationale Reisetätigkeit” prägt denn auch den Arbeitsalltag von Michael Bergheim und seinen Kollegen in der Führungsetage. “Ein Entwickler darf nicht nur in seinem Zimmer sitzen, er muss dahin, wo die Musik spielt.” Keine Geheimniskrämerei Im weißen Kittel im Labor ist er auf jeden Fall seltener als früher zu finden. Das habe aber auch etwas mit der Entwicklung im Beruf zu tun. “Früher trugen Forscher ihre Ideen mit sich herum, alles fein aufgeschrieben im Notizbüchlein”, so Bergheim. Heute halte man mit seinen Errungenschaften nicht mehr hinterm Berg, sie würden nicht mehr unter Verschluss gehalten. “Die Philosophie heißt: Vertrauen schaffen durch wahre Aussagen und nachprüfbare Testergebnisse.” Heute seien Prüfprozeduren, Materialien und Belagauswahl online zu jeder Zeit abrufbar. Raybestos brauche sich ohnehin nicht zu verstecken, sei kompetent, unabhängig und führend. Kompetent? Man habe die Fähigkeit, anforderungsgerechte Reibmaterialien in enger Zusammenarbeit mit den Kunden zu entwickeln. “Unsere ausgiebigen Untersuchungen an Reibmaterialien stehen in guter Korrelation zu den Kundenergebnissen. Das gilt sowohl für Prüfstands- als auch Feldversuche”, schreibt Bergheim in einem Firmenprofil. Die Nummer eins Unabhängig? Dazu stellt Geschäftsführer Alfred Klee die Vorteile heraus, zu keinem Kupplungshersteller zu gehören: “Mit Raybestos-Belägen entsteht zwischen den Kupplungsherstellern keine Wettbewerbsverzerrung. In der Produktentwicklung werden alle Infos sämtlicher Kupplungs- und Fahrzeughersteller berücksichtigt. Raybestos hat ausschließlich ein Interesse daran, Freigaben für Raybestos-Beläge zu erhalten und dem Fahrzeughersteller optimale Lösungen vorzutragen unabhängig vom Kupplungsbauer. Raybestos konzentriert sich ausschließlich auf Reibbeläge.” Und schließlich führend? Darauf hat sich Verkaufs- und Marketingdirektor Ulrich Müller einen Reim gemacht: “Das Belagmaterial B-9605 ist die Nummer eins für Bus- und Lkw-Anwendungen. Unsere bleifreien Produkte sind für Pkw-Anwendungen ebenfalls spitze.” Gift – nein danke Auch die Gesellschaft mit ihrem Wertewandel beeinflusse die Entwicklungsziele neuer Reibmaterialien. In den 80er-Jahren sei zum Beispiel die Umstellung auf asbestfreie Beläge die große Herausforderung gewesen. Nun fordere die politische Vorgabe frischen Forschergeist. 2003 tritt die Altautoverordnung in Kraft, die den Hersteller zur Rücknahme der Produkte zwingt. Und der möchte sich nicht mit teurer Entsorgung von Umwelt- oder gesundheitsschädlichen Substanzen beschäftigen. Für den Reibbelaghersteller geht es um Bleiverbindungen. “Raybestos hat es geschafft, das benötigte Produkt zum richtigen Zeitpunkt zu präsentieren”, sagt Michael Bergheim. Über eine Firma werde Volkswagen, Audi, Ford und Volvo schon beliefert. Er räumt indessen ein: “Der Status ist aber lediglich der Startpunkt weiterer Entwicklungen. Das ist eine historische Chance.” Raybestos arbeite gerade an der Entwicklung einer Technologie zur gänzlich lösemittelfreien Herstellung von Kupplungsbelägen. Der Einsatz der Pilotanlage in Morbach verlaufe viel versprechend. Überhaupt seien Qualität und Umweltschutz keine Fremdwörter. Auch zum Schutz der eigenen Mitarbeiter. “Es kann nicht unser Ziel sein, dass unsere Leute sich durch die Produktion gefährden”, sagt Bergheim. Prüfende Blicke Die Labors garantierten ständige Kontrolle. Im chemischen Labor in Morbach werden zunächst die Rohstoffe, später die fertigen Produkte geprüft, im physikalischen Labor die Materialkennwerte der Reibmaterialien. Dort werden neue Materialien und Verfahren eingesetzt. Zusätzlich gibt es ein Prüffeld und Prüfstände, wo alle Entwicklungsstufen extra bewertet werden. Der Fahrversuch schließlich dient zur Absicherung der Testergebnisse. Eine Kupplungsbelagrezeptur enthält bis zu 25 verschiedene Rohstoffe. Die große Anzahl der Inhaltsstoffe und somit möglicher Wechselwirkungen erforderten zur systematischen Arbeit eine Vielzahl von Versuchen, heißt es. Und: “Ein Kupplungsbelagmaterial ist technisch anspruchsvoll und fristet sein Dasein unbeachtet im Dunkeln.” Bei Raybestos ist das anders: Dort will man Licht in das Dunkel bringen. Ingrid Fusenig

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