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15.11.2003

Zeitarbeit: Vom Schmuddelkind zum Hoffnungsträger für den Arbeitsmarkt ?


Dieser Text ist vom 15.11.2003 und könnte inhaltlich veraltet sein.

Politische Reformen beeinträchtigen eine erfolgsverwöhnte Branche

In Zeiten verschärften Wettbewerbs setzen viele Unternehmen auf schlankere Strukturen. Die Kehrseite dieses Managements: Bei manchen Betrieben ist die Personaldecke so dünn, dass Arbeitsausfälle und unerwartete Auftragsspitzen rasch zu Engpässen führen. Die Zeitarbeit kann einen Beitrag dazu leisten, den Personalbedarf rasch und kostengünstig an sich verändernde Rahmenbedingungen anzupassen. Seriös operierende Personal-Dienstleister sind Profis für nahezu alle Personalangelegenheiten. Sie beraten. Sie stellen zeitweise eigene Mitarbeiter zur Verfügung (Zeitarbeit). Sie besorgen vom Arbeitsmarkt geeignete Mitarbeiter (Personalvermittlung). Sie übernehmen die gesamte Personalaufgabe in eigener Verantwortung (Outsourcing). Sie erbringen weitere Dienstleistungen wie Personalbetreuungsprojekte (Outplacement), Interimsmanagement unter anderem. Sie sorgen für eine schnelle und flexible Arbeitsorganisation. Dieses sowie die zweifellos vorhandenen ökonomischen Vorteile haben der Zeitarbeitsbranche in den letzten Jahren einen starken Aufwind gegeben. Doch seit 2002 erfährt die erfolgsverwöhnte Branche wirtschaftlich bedingte, aber auch politisch motivierte Dämpfer – die Zeitarbeit schwächelt.

UMSÄTZE IN 2002 GESUNKEN
Das Marktforschungsinstitut InterConnection errechnete für 2002 einen Umsatzrückgang der Branche von 7,55 Milliarden € in 2001 auf 6,81 Milliarden € (minus elf Prozent). Die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung war 2002 insgesamt deutlich weniger nachgefragt worden als im Vorjahr. Während der Bestand an Leiharbeitnehmern noch bis 2001 kontinuierlich größer wurde, hat die Zahl der neu gegründeten Leiharbeitsverhältnisse zuletzt abgenommen. Auch Zeitarbeitsunternehmen entlassen derzeit eher als sie einstellen. So sank die Zahl der in Deutschland beschäftigten Zeitarbeitnehmer in 2002 um 14 000 auf 238 832 Menschen. Ende Juni 2002 gab es in Deutschland 6 500 Unternehmen mit dem Betriebszweck einer überwiegenden oder ausschließlichen Arbeitnehmerüberlassung. Marktführer ist trotz eines 15-prozentigen Umsatzrückganges das Unternehmen Randstad. Die schlechte Entwicklung ist, so mutmaßt die Bundesanstalt für Arbeit in ihrem aktuellen Jahresbericht, primär auf die niedrigere Auslastung der Betriebe auf Grund der schwachen wirtschaftlichen Entwicklung zurückzuführen. Infolgedessen waren weniger Produktionsspitzen und Personalausfälle mit Hilfe von Leiharbeitnehmern zu bewältigen. Ähnliches dürfte für die Auslagerung von Nebentätigkeiten gelten, für die großenteils Leiharbeitskräfte benötigt wurden.
Hinzu kamen politische Störfeuer, vor allem in Gestalt der Personalserviceagenturen, kurz PSA genannt. Diese sollten das Herzstück der Hartz-Reform sein und „Leiharbeit mit Vermittlungsabsicht“ salonfähig machen. 500 000 Arbeitslose wollte der VW-Personalvorstand und Kanzlerberater Peter Hartz über die von der Bundesanstalt für Arbeit subventionierten PSA als Zeitarbeiter in Unternehmen schicken. Die Vision: Jeder dritte sollte im Entleihbetrieb „kleben“ bleiben. „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen“, wird Altbundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) gerne zitiert, wenn es um Utopien geht. In der Tat: Das visionäre Hartz-Konzept in Sachen PSA geht derzeit schwer auf, das Herzstück neigt zum Infarkt. Wenige Hundert Arbeitslose sind bisher dauerhaft vermittelt worden, gibt die Bundesanstalt für Arbeit auf Nachfrage kleinlaut zu; es ist die Reform selbst, die klebt.
Die Zeitarbeitsbranche wirft der Bundesregierung denn auch eine Verschwendung von Beitrags- und Steuermitteln vor. „Wir schaffen uns damit ein neues Subventionsgrab“, meint Jürgen Uhlemann, Vorstandsvorsitzender des Hamburger Zeitarbeitsunternehmens Jobs in time und Verhandlungsführer in den Tarifverhandlungen für die Zeitarbeitsbranche. Außerdem: Die PSA könnten den jetzigen Zeitarbeitskräften ihre Stellen kosten. Dem Vernehmen nach gebe es Agenturen, die die Subventionen nutzten und einen Buchhalter zum Dumpingpreis 3,20 €/Stunde überließen. Die Angebote der aus dem Steuersäckel unterstützten Personaldienstleister lägen zum Teil ein Drittel unter den ihren, klagen viele Zeitarbeitfirmen. Da würden Produktionshelfer für 8,80 € anstatt der üblichen zehn bis zwölf € pro Stunde angepriesen. Bürokräfte sind schon für fünf, Lagerhelfer für acht € pro Stunde zu haben, berichten prominente Verleihbetriebe.
Da ist es kaum verwunderlich, dass der Branchenverband BZA vehement dafür kämpft, das Projekt „PSA“ bereits jetzt für gescheitert zu erklären –gleiches fordert die Opposition in Berlin. Die Zeitarbeitbranche, seit Jahren heftig um Imagegewinn bemüht, klagt nicht nur über Preisdumping und Wettbewerbsverzerrung durch die regierungsseits subventionierte Leiharbeit. Sie versteht zudem nicht, dass mit den PSA und der damit einher gehenden Gesetzgebung und Vergabepraxis das Rad neu erfunden worden sei, während das alte doch seit Jahren eigentlich erfolgreich und zunehmend auch rund läuft. Erfahrung, persönliche Kontakte und Know-how spielen eine große Rolle bei der Personalvermittlung. Eigenschaften, die die etablierten Zeitarbeitsbetriebe zuhauf einbringen könnten, um der ehrgeizigen Hartz-Vision zumindest Konturen zu geben. Immerhin: 30 Prozent der Leiharbeiter in der Zeitarbeitsbranche werden bereits seit Jahren nachweislich von Kunden fest übernommen. Quoten, von denen die PSA derzeit meilenweit entfernt sind.

ZEITARBEITSBRANCHE KRITISIERT PSA-PROJEKTE
Nach Auffassung des Bundesverbandes Zeitarbeit (BZA) liegt die Ursache für die unerfüllten Erwartungen der Hartz-Kommission und der Politik auch in strukturellen Mängeln der Gesetzgebung. „ Das Ziel, die PSA-Beschäftigten über den Klebeeffekt in dauerhafte Beschäftigung beim Entleiher zu bringen, erfordert Korrekturen in der Gesetzgebung“, sagt BZA-Hauptgeschäftsführer Gert Denkhaus. Hierzu hat der BZA in Abstimmung mit der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) einen Gesetzesvorschlag vorgelegt, der vor allem darauf zielt, das derzeitige Vergabeverfahren abzuschaffen (Beispiel: Das Zeitarbeit-Unternehmen Manpower hat sich bundesweit für 40 PSA beworben, aber nur für sechs den Zuschlag erhalten. Heftig kritisierter Marktführer beim Hartz-Herzstück ist mit Abstand die niederländische Firma Maatwerk, die sich hier zu Lande seit Jahren mit nicht unumstrittenen Integrationsprojekten für Langzeitarbeitslose profiliert.). Träger der PSA könnten dann alle erlaubt tätigen Verleiher sein, die sich verpflichten, PSA-Beschäftigte vermittlungsorientiert zu beschäftigen. Die Arbeitsämter sollen ausschließlich Bewerber mit Vermittlungshemmnissen vorschlagen, heißt es weiter in der Verbandsinitiative, und ihre Bewerberdaten in einem Internet-Pool den regional ansässigen Zeitarbeitfirmen zur Verfügung stellen.
In einer weiteren Initiative schlägt der BZA vor, dass zwischen Verleiher und Entleiher Regelungen über die Abwerbung von Mitarbeitern getroffen werden können, soweit sie angemessen sind. Diese Initiative geht auf ein BGH-Urteil vom 3. Juli 2003 (III ZR 348/02) zurück, wonach eine vertragliche Bestimmung, dass der Entleiher dem Verleiher eine Vermittlungsprovision zu zahlen hat, wenn er einen Leiharbeitnehmer übernimmt, unwirksam ist. Ziel der BZA-Initiative ist, Zeitarbeitunternehmen davor zu schützen, dass aufwändig rekrutierte Mitarbeiter ohne weiteres abgeworben werden können und dass sie im Vergleich zu den vermittlungsorientiert tätigen Personal-Service-Agenturen nicht benachteiligt werden. Ein künftiger Arbeitgeber erhält nicht nur eine Leistung durch Bewerberauswahl und -suche, wie es in der privaten Arbeitsvermittlung Praxis ist, vielmehr hat der Arbeitgeber durch die Arbeitnehmerüberlassung auch die Möglichkeit, den Mitarbeiter zu testen, ohne eigene Arbeitgeberpflichten zu übernehmen.

GESETZGEBER BESCHLIEßT ERLEICHTERUNGEN FÜR LEIHARBEIT
Ob die Lobbyisten mit ihren Vorstößen, die Zeitarbeit letztlich als politischen Heilsbringer weiter aufzuwerten, Erfolg haben werden, dürfte vor allem von weiteren (Miss-)Erfolgsmeldungen der PSA abhängen. Die Branche ist diesbezüglich derzeit trotz schlechter Zahlen gedämpft optimistisch und sieht Licht am Ende des Tunnels. Vor allem auch deshalb, weil die von der Bundesregierung geplante Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) den Zeitarbeitunternehmen teilweise deutliche Erleichterungen verschafft. Ab spätestens 1. Januar 2004 nämlich soll die „Flexibilisierung“ des Arbeitsmarktes mit folgenden, die klassische Leiharbeit betreffenden Änderungen fortgeführt werden.
Aufhebung des so genannten Synchronisationsverbots. Danach darf die Beschäftigung in einer Leihfirma mit dem Arbeitseinsatz in einem Entleihbetrieb zeitlich übereinstimmen. Damit ist die Aufhebung der Beschränkung der Überlassungsdauer auf zuvor zwei Jahre verbunden
1. Streichung des besonderen Befristungsverbots. Eine wiederholte Befristung des Leiharbeitsverhältnisses entsprechend der befristeten Beschäftigung im Entleihbetrieb ist damit möglich. Bisher waren unbefristete Arbeitsverhältnisse in der Zeitarbeitsbranche üblich, eine zweite bzw. weitere Befristung des Arbeitsverhältnisses nicht möglich.
2. Die Aufhebung des Wiedereinstellungsverbots. Der Verleiher darf nunmehr dem Leiharbeiter jederzeit kündigen und ihn bei neuer Beschäftigungsmöglichkeit wieder einstellen.
Welche Konsequenzen diese Modifikationen in der Praxis tatsächlich haben werden, bleibt anzuwarten. Zum Teil Sorge machte der Branche allerdings ein weiterer Passus im Hartz’schen Reformwerk: Zeitarbeiter hätten künftig zu den im entleihenden Betrieb üblichen Bedingungen bezahlt und behandelt („equal pay“ und „equal treatment“) werden müssen. Dies hätte sich nicht nur auf die jeweilige Branchen-Tarifentlohnung bezogen, sondern auch die Teilhabe der Zeitarbeiter an Vereinbarungen über Kantinennutzung, betrieblicher Altersvorsorge etc. bedeutet. Inzwischen jedoch gibt es Entwarnung auf Grund einer weiteren Errungenschaft, die noch vor Jahren undenkbar schien: es gibt Tarifverträge in der Zeitarbeit. Firmen, die sich dem zwischen DGB und BZA ausgehandelten neuen Flächentarifvertrag für die gesamte Zeitarbeitbranche mit abweichenden Vereinbarungen anschließen, können in Sachen „equal“ außen vor bleiben. Denn hier werden Entgeltgruppen und tatsächliche Aufgaben der Leiharbeiter – und keine Ausbildungsgrade – definiert, Tariferhöhungen und sogar flexible Jahresarbeitszeitkonten festgeschrieben. Ein offenbar für beide Seiten akzeptables Vertragswerk, das die Zeitarbeit ein weiteres großes Stück in Richtung Akzeptanz und Normalität führt.

ZEITARBEIT BEI UNTERNEHMEN GEFRAGT
Dieses und einige weitere Vorteile haben sich offenbar zwischenzeitlich auch bei den Personalentscheidern in den Unternehmen durchgesetzt: Die große Mehrheit deutscher Unternehmen setzt auch ab 2004 auf Zeitarbeit in unverändertem Ausmaß. In einer Blitzumfrage unter mehr als 200 Personalexperten kleiner, mittlerer und großer Betriebe gaben rund 70 Prozent der Entscheider an, trotz der zu erwartenden Verteuerung der Dienstleistung den Einsatz von Zeitarbeitskräften nicht reduzieren zu wollen. Dies ermittelte Randstad Deutschland in Zusammenarbeit mit dem Düsseldorfer Marktforschungsunternehmen Innofact AG. Rund 30 Prozent der Befragten aus insgesamt 15 Branchen gaben an, bei einer Verteuerung der Zeitarbeit deren Einsatz vermindern zu wollen. Die Tendenz zur Verminderung des Einsatzes von Zeitarbeit ist im Übrigen bei kleinen Betrieben und Betrieben bis 200 Mitarbeitern größer als bei Unternehmen mit mehr als 200 Mitarbeitern. Heide Franken, Geschäftsführerin des größten deutschen Personaldienstleisters, blickt vor dem Hintergrund der Stimmungslage unter deutschen Personalexperten optimistisch in das Jahr 2004: „Zeitarbeit wird nicht aus Kostengründen eingesetzt, sondern als Flexibilisierungsvorteil genutzt. Die geschlossenen Tarifverträge und die damit verbundene Preisanhebung haben deshalb wenig Einfluss auf die Nutzung unserer Dienstleistung.“ Allerdings gibt Franken zu bedenken, dass Unternehmen Preiserhöhungen nur in einem bestimmten Rahmen mittragen würden. „Die geschlossenen Tarifvereinbarungen werden dazu beitragen, dass wir unsere Preise moderat anheben. Bei einer weiteren Verteuerung gehe ich aber davon aus, dass Zeitarbeit als arbeitsmarktpolitisches Instrument seine Wirkung einbüßen würde.“
Florian Ditges

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