15.12.2001
Zögerlicher Start in der Region Trier
Dieser Text ist vom 15.12.2001 und könnte inhaltlich veraltet sein.
Unternehmen haben keine Eile bei der Neuregelung – Banken und Versicherungen starten Vorbereitungen
Eine Umfrage bei Personalchefs von Unternehmen, bei
Versicherern, Banken und Sparkassen der Region ergab: Der zum
Jahreswechsel in Kraft tretende Anspruch der Arbeitnehmer auf
Entgeltumwandlung bringt vorerst keine großen Veränderungen.
Viele Betriebe haben längst betriebliche Altersversorgung (bAV),
neue Wege zu gehen erscheint auf Dauer notwendig, aber nicht
aktuell drängend. In Konz bei Volvo Compact & Service
Equipment GmbH ist Manfred Reichstein ganz gelassen:
Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen seien in punkto
Neuregelung in den Betrieben vorangeprescht, doch bei der
Zettelmeyer-Nachfolgefirma gebe es derzeit gar keine Planung in
die Richtung. Auch Heinz Kürten von Dunlop in Wittlich will “
zunächst abwarten, wie es anläuft”. Schließlich müssten die
Verträge nicht zum 1. Januar abgeschlossen sein, sondern könnten
im Laufe des Jahres unter Dach und Fach gebracht werden.
Außerdem: “Schon seit 20 Jahren bieten wir unseren Mitarbeitern
die Direktversicherung an, und das wird auch so bleiben.” Als
Vorteil im Vergleich zur “Riester-Rente”, die vom Nettobezug
abgeht und anschließend versteuert wird, sieht Kürten bei der
Direktversicherung, die vom Bruttobezug pauschal versteuert wird,
die Steuerfreiheit im Alter. Was sich letztlich als “
riester-tauglich” herausstelle, sei noch nicht klar. Eher negativ
sei aus Sicht seines Unternehmens auch, dass die neuen Modelle
anfangs sehr viel bürokratischen Aufwand verursachten.
Hoher Verwaltungs- und Beratungsaufwand für die
Unternehmen Einen “hohen Beratungsaufwand” sieht Siegfried
Miska von der Bitburger Brauerei durch die Neuregelung auf sich
zukommen. “Durch EDV wird das jedoch nur ein vorübergehenes
Problem sein.” Da die Brauerei tarifgebunden sei und die NGG bei
der Neuregelung der betrieblichen Altersversorgung
deutschlandweit eine Vorreiterrolle spiele, sei man an den jüngst
abgeschlossenen Vertrag gebunden. Der jedoch liege in Bitburg
derzeit noch nicht vor. Auch die Bitburger haben nach Miskas
Auskunft schon seit langem eine eigene Altersversorgung, die zur
Bindung guter Fachkräfte an das Unternehmen diene. Die
Pensionskasse, in die nun 1 200 statt früher 936 Mark
vermögenswirksame Leistungen pro Mitarbeiter und Jahr gezahlt
werden, habe einen entscheidenden Vorteil: “Zwar hat der
Arbeitgeber Mehrkosten. Aber der Arbeitnehmer kann nicht
vorzeitig an das Geld heran. Das kommt nun tatsächlich der
Versorgung im Alter zugute und wird nicht für neue Autos
ausgegeben.” Hans Widauer von den Hochwaldwerken in Thalfang
schätzt ebenfalls, dass ein großer administrativer Aufwand auf
die Personalabteilungen der Unternehmen zukommen wird. “Wir haben
keine besondere Eile entwickelt”, bestätigt Widauer den Trend und
verweist auf die noch lückenhafte Zertifizierung der einzelnen
bAV-Produkte. Bislang gebe es bei den mit der Eifelperle
fusionierten Nahrungsmittelwerken für leitende und
außertarifliche Angestellte Direktversicherungen, seit der
Zusammenlegung jedoch hätten auch viele gewerbliche Mitarbeiter
diese Sicherung beantragt. Anfang des Jahres stehe die
Verhandlung eines neuen Tarifvertrages an. “Wir erwarten, dass
die Entwicklung in Richtung Pensionskasse geht, für mehr
Sicherheit, allerdings auch mit vergleichsweise weniger Rendite.”
Das Argument, die neue bAV binde qualifiziertes Personal,
erscheint als zweitranging: “Das kann man auch mit anderen
Methoden erreichen.”
Versicherer erwarten deutliche Zuwachsraten In der
Versicherungswirtschaft werden die “riesterfähigen”
Versorgungswege für das Alter eher skeptisch gesehen. Der Leiter
Personenversicherungsgeschäft der Allianz in Trier, Jan Becker,
beschreibt als Möglichkeit für nicht-tarifgebundene Unternehmen
die Unterstützungskasse, die bevorzugt werde: “Grundsätzlich ist
der sich aus den riesterfähigen Durchführungswegen der bAV
ergebende Verwaltungsaufwand in den Unternehmen unerwünscht.” Für
die Unterstützungskasse als Alternative spreche neben der
Steuerfreiheit der Aufwendungen die Sozialversicherungsfreiheit
der umgewandelten Gehaltsteile, welche Arbeitnehmer und
Arbeitgeber gleichermaßen träfen. Arbeitnehmer könnten im Alter
zwischen Kapitalauszahlung und Rente wählen, für Unternehmen sei
kein Ausweis in der Bilanz nötig. Alle “riesterfähigen”
Durchführungswege seien im Angebot, mit Ausnahme des
Pensionsfond, dessen rechtlicher Rahmen mit Risiken und
Freiheiten noch nicht festgelegt sei: “Da ist im Gesetz von einem
Produkt die Rede, das es noch nirgendwo gibt.” Es sei generell
noch nicht greifbar, welcher Weg von den Arbeitnehmern angenommen
werde: “Das hängt stark von deren Informationsstand und deren
Vorbildung ab.” Auf jeden Fall habe sich die
Versicherungswirtschaft auf die Neuerung auch personell
eingestellt, Spezialistenteams seien aufgestockt und
Zuständigkeiten neu sortiert worden. Denn: “Wir erwarten ein
deutliches Wachstum im Sektor betriebliche Altersversorgung. Sie
ist nötiger denn je.”
Soziale Verantwortung und Leistungsförderung als Motive
Dass die bAV in Deutschland einen größeren Anteil an der
Gesamtversorgung der Arbeitnehmer bekommen wird, ist auch aus der
Sicht von Robert Holzportz von der Württembergischen sicher.
Welche Methode für welchen Betrieb optimal ist, hänge von so
vielen Faktoren ab, dass “eine auf das Unternehmen abgestimmte
Beratung unumgänglich” sei. “Es kristallisiert sich heraus, dass
die Direktversicherung nach wie vor bevorzugt wird. Bei größeren
Unternehmen wird die Unterstützungskasse als zweiter
Durchführungsweg installiert.” Werner Traut von der
Provinzial-Versicherung bestätigt, dass zwei Drittel aller
Arbeitnehmer in den Genuss einer betrieblichen Altersversorgung
kommen. Sie sei eine Grundvoraussetzung für die
Leistungsentfaltung, wecke das Zugehörigkeitsgefühl
qualifizierter Mitarbeiter und sorge für eine Reduktion der
Fluktuation. In den letzten Jahren sei dennoch eine starke
Zurückhaltung der Arbeitgeber erkennbar gewesen, entsprechende
Modelle umzusetzen. Doch die aufwandsneutrale Entgeltumwandlung
in Direktversicherungen sei kaum verweigert worden, insofern
werde der neue Rechtsanspruch wenig verändern. Die
Direktversicherung sei eine gut kalkulierbare und auch für “
Lieschen Müller” als “Nummer sicher” geltende Methode. Neue
Produkte seien entwickelt worden, jedoch herrsche bei
Pensionsfond und Pensionskasse derzeit keine gesetzliche
Klarheit, so dass entsprechende Maßnahmen noch folgen. Auf jeden
Fall gebe es entsprechende Schulungen der Mitarbeiter.
Der Wettbewerb der Anbieter hat schon begonnen Dirk
Willwersch, bei der Sparkasse Trier zuständig für das gewerbliche
Sachversicherungsgeschäft, stellt klar, dass die Frequenz der
bAV-Vertragsabschlüsse letztlich von der Arbeitnehmerschaft
ausgeht. Viele Tarifpartner übten derzeit einen restriktiven
Umgang mit der Materie und rieten den Arbeitnehmern, noch nichts
zu unternehmen. Dennoch seien alle einschlägigen Institute der
Versicherungs- und Kreditwirtschaft aktiv in den Vorbereitungen.
Die Sparkasse Trier etwa biete Unternehmerfrühstücke und
Infoabende an, Mitarbeiter seien entsprechend geschult, und ab
April 2002 seien alle bAV-Produkte – auch die Rentenfonds – im
Programm. Es sei wichtig, Marktanteile zu halten, daher werde
auch der Aufwand etwa bei der Verprovisionierung der “
Riesterrente” in Kauf genommen. Willwersch bestätigt, dass jeder
Anbieter einen möglichst erheblichen Teil des “Kuchens” erreichen
will. “Noch allerdings ist die Nachfrage eher rar. Auf Dauer wird
sich etwas bewegen, aber in welcher Größenordnung, ist noch nicht
absehbar.” Angelika Koch