Sprungmarken zu den wichtigsten Seitenabschnitten


Hauptinhalt Servicelinks


IHK Trier


Seitenkopf

Seitenhauptinhalt

01.01.2009

Zukunftsmarkt Gesundheitswirtschaft


Dieser Text ist vom 01.01.2009 und könnte inhaltlich veraltet sein.

Stark diversifizierte Branche mit Wachstumschancen und –hemmnissen

Die Gesundheitswirtschaft präsentiert sich als extrem breit gefächert: vom touristischen Angebot über den klassischen Sektor mit Krankenhäusern oder Pflegediensten bis hin zu industrieller Produktion oder hoch spezialisierten IT-Entwicklungen. Das Ergebnis einer Studie des Instituts für Mittelstandsökonomie an der Uni Trier im Auftrag des Arbeits- und Wirtschaftsministeriums des Landes belegt die Relevanz des Bereichs: Jeder sechste bis siebte Arbeitsplatz in Rheinland-Pfalz hängt von der Gesundheitswirtschaft ab.

KLAGEN BRINGT NICHTS
Unter besonderen Rahmenbedingungen arbeiten die ins staatliche Gesundheitssystem eingebundenen Krankenhäuser – so auch das von der Ordensgemeinschaft der Katharinenschwestern getragene Mariahilf in Daun. Das 231-Betten-Haus ist das einzige Krankenhaus dieses Ordens in Rheinland-Pfalz, darüber hinaus betreibt er Altenheime in Kelberg und Daun sowie Krankenhäuser in Berlin, Xanten und Frankfurt/Main. „Die Größe allein sagt nichts über die Rentabilität eines Krankenhauses“, betont Geschäftsführer Franz-Josef Jax. „Entscheidend ist die Versorgungs- und die Disziplinenstruktur. Alle haben Probleme, aber nur Klagen bringt nichts.“ Das Krankenhaus Mariahilf gehört zur Grund- und Regelversorgung, hält also Innere und Chirurgie vor sowie als Spezialisierung eine orthopädische Hauptabteilung mit einer Endoprothetik, die für die Region das Alleinstellungsmerkmal bietet. „Mit 500 Prothesen – hauptsächlich im Hüft- und Kniebereich – haben wir da unseren besonderen Schwerpunkt. Auch die Urologie mit Belegärzten, die ihre Praxis im Krankenhaus haben, ist ein starkes Plus, hinzu kommt ein niedergelassener Augenarzt, der hier ambulante Operationen durchführt.“ Nach einer grundlegenden Erneuerung der Bausubstanz verfügt das Krankenhaus nun über „hervorragende Räumlichkeiten“ für Diagnostik und Operationen, so dass Kapazitätserweiterungen möglich sind. Eine onkologische Nachsorge mit enger Abstimmung zu Fachkliniken ermöglicht es neuerdings Patienten auch, wohnortnah betreut zu werden. Fachlich ist das Krankenhaus Mariahilf also gut aufgestellt.

Doch die problematischen Rahmenbedingungen des Gesundheitssystems, an denen kein einzelnes Haus etwas ändern kann, treffen es ebenso wie die anderen Einrichtungen im Kernbereich der untersuchten Gesundheitswirtschaft.

„Die Kosten und Aufgaben im Krankenhausbereich verursachen in 2008/2009 insgesamt sechs bis sieben Milliarden Euro Mehraufwand, doch die Regierung geht nur mit einem Zwei-Milliarden-Programm dagegen an. Faktisch haben wir es vor Ort mit einer Deckungslücke von 600 000 Euro zu tun, für deren Überbrückung die Wirtschaftlichkeitsreserven nicht ausreichen. Das heißt: Stellen werden später oder gar nicht neu besetzt, es führt zu einer ‚Leistungsverdichtung’, die persönliche Zuwendung für Patienten nimmt ab, deren Verweildauer ist bereits um vierzig Prozent abgebaut.“ Die Herausforderung, so Jax, lautet: „Wir halten unsere Marktposition, wenn wir trotz allem Qualität und Zuwendung bieten.“

KOOPERATIONSDRUCK ERÖFFNET GESCHÄFTSNISCHE
Der Druck, dem die Krankenhäuser immer stärker ausgesetzt sind, führt notwendigerweise zu organisatorischen Neustrukturierungen bis hin zu Fusionen und Verbünden. Die Abläufe müssen schneller gehen – auch die Übermittlung von Daten zwischen den einzelnen Abteilungen und Krankenhäusern. Hier wiederum entsteht ein expandierendes Geschäftsfeld für IT-Anbieter wie die global agierende Agfa HealthCare GmbH. Die 1990 in Trier aus dem dortigen Uni-Kontext heraus gegründete GWI AG ist, nachdem sie 1996 aus Wettbewerbsgründen ihren Stammsitz nach Köln verlegte, mittlerweile Konzernbestandteil der Agfa HealthCare, wobei in Trier nach wie vor ein wichtiger Entwicklungsstandort mit rund 180 Mitarbeitern ansässig ist. Die damalige GWI brachte die für Krankenhäuser ab 200 Betten sinnvoll einsetzbare IT-Applikation ORBIS zur Verbesserung des Workflow als bedeutsames Standbein in den Konzern ein. Daher wird das Team in Trier „innerhalb der bewährten dezentralen Struktur ein sehr wichtiges Element bleiben“, wie Walter Schäfer, Geschäftsbereichsleiter Marketing/Kommunikation, betont.

MEDIAN Reha Zentrum Bernkastel-Kues
MEDIAN Reha Zentrum
Bernkastel-Kues
Von Krise kann trotz oder gerade wegen der Sparzwänge im staatlichen Gesundheitssystem, an das die meisten Abnehmer gebunden sind, keine Rede sein. „Die Rahmenbedingungen wie etwa die Abrechnung nach Fallpauschalen, die Dokumentationspflichten und die notwendige Kostenreduktion führen insgesamt zu einem deutlich erhöhten Bedarf an Transparenz und Vernetzung. Daher ist die Investition in entsprechende Software unumgänglich.“ In Deutschland ist Agfa HealthCare in dem Segment mit vierzig Prozent Marktdurchdringung führend. „Wir sehen weiteres Wachstumspotenzial trotz insgesamt rückläufiger Krankenhauszahlen und werden auf solider Basis expandieren“, beschreibt Schäfer die aktuellen Zukunftsperspektiven.

SYNERGIEN FÜR INDUSTRIE UND APOTHEKEN
Ein weiteres Beispiel, wie Unternehmen im Sektor Gesundheitswirtschaft erfolgreich Marktnischen besetzen können, ist die Rowa Automatisierungssysteme GmbH & Co. KG in Kelberg in der Eifel. Rowa produziert und vertreibt automatisierte Warenlager-Systeme für Apotheken, die Medikamentenverpackungen lagern und verwalten. Sie helfen, die Arbeitsabläufe und insbesondere den Wareneingang in den Apotheken zu vereinfachen und dadurch mehr Zeit und Platz für eine intensive Beratung zu gewinnen. Weltweit nutzen bereits mehr als 2 500 Apotheken das System, die Hälfte davon in Deutschland. Am Standort Kelberg sind derzeit mehr als 250 Mitarbeiter beschäftigt – ein kontinuierliches Wachstum an Arbeitsplätzen nach erheblichen Produktionserweiterungen in den Jahren 2002 und 2007. Besonders stark ist der Bereich Forschung und Entwicklung mit 30 Mitarbeitern ausgeprägt – hier werden Automatisierungslösungen optimiert und neue Technologien umgesetzt. „Alle Anlagen werden in der Eifel entwickelt und produziert, obwohl Rowa mit knapp 50 Millionen Euro Umsatz im Jahr 2007 über die Jahre zu einem international agierenden Unternehmen geworden ist“, betont Firmengründer und Geschäftsführer Rolf Wagner die Wirkung auf die Wertschöpfung der Region.

Angesichts der Rabattverträge mit den Krankenkassen, die für die Apotheken die Substitution von Medikamenten erfordern, und der bevorstehenden Einführung der elektronischen Gesundheitskarte biete das Kommissioniersystem seines Unternehmens noch mehr Vorteile für die Organisation von Apotheken als bislang. Mit einem eigens entwickelten Beratungs- und Abgabeterminal und Lösungen zur Herstellung patientenindividueller so genannter Blister werde Rowa zum breit aufgestellten Systempartner für zukunftsgerichtete Apotheken.

KRITIK AM STAATLICHEN GESUNDHEITSSYSTEM
Andere industrielle Teilbereiche, die den im staatlichen Gesundheitssystem eingebundenen Akteuren zuliefern, sind wiederum deutlicher von dessen negativen Aspekten betroffen. Als Beispiel für diese Entwicklung kann die 1994 gegründete Full-Service-Unit für medizinische Bandagen, Orthesen und andere medizinische Hilfsmittel Anker Medical Technologies – Incentivemed International AG mit Sitz in Wittlich genannt werden. Geschäftsführer Thorsten Anker äußert sich kritisch in Bezug auf die deutschen Rahmenbedingungen. „Die sind im Hinblick auf die aktuelle Gesundheitspolitik denkbar schlecht. Seit 1996 gab es keine Erhöhung der Preise für medizinische Bandagen und Kompressionsware. In den vergangenen zwölf Jahren waren Unternehmen unserer Branche gezwungen, dieses durch Mehrabsatz und Druck auf die Zulieferer zu kompensieren. Zunehmend müssen Herstellerbetriebe die Produktion ins Ausland verlegen mit den entsprechenden Arbeitsplatzverlusten in Deutschland.“ Auch Innovationen in der Medizintechnik seien für den deutschen Markt faktisch „nicht vorhanden“, die Wachstumsmärkte befänden sich vielmehr in Saudi-Arabien, Asien und Afrika. Das Wittlicher Unternehmen bereitet sich infolge dessen auf den Markteintritt dort vor und sieht dort seine Zukunft. „Anfragen nach Neuentwicklungen kommen seit etwa zwei Jahren ausschließlich aus dem Ausland.“

Bereits jetzt ist Anker Medical Technologies weit über die Landesgrenzen hinaus aktiv, daher seien die Standortpotenziale nicht Ausschlag gebend. Grenzen setze der in der Region vorhandene Mangel an qualifizierten Mitarbeitern für den Verkauf, der durch die derzeit noch gute Arbeitsmarktsituation mit bedingt sein könnte. Bedeutsamer im Hinblick auf den Standort Deutschland sei für sein Segment der Gesundheitswirtschaft etwas anderes: „Es fehlt oftmals in Behörden ein liberales Denken. Die Wirtschaft kann ohne neue Denkprozesse und Innovationen langfristig nicht bestehen. Ich glaube, ich spreche nicht nur für meine Branche, sondern für die Wirtschaft im Allgemeinen.“

VORBEUGEN UND HEILEN MIT ALTERNATIVEN METHODEN
Foto: Agfa Health Care
Foto: Agfa Health
Care
Das Fünf-Sterne-Hotel Parkschlösschen Bad Wildstein in Traben-Trarbach gehört in Deutschland und sogar europaweit zu den besten Adressen für eine überwiegend gut betuchte Klientel, die sich jenseits staatlicher Gesundheitssysteme mit der ganzheitlichen indischen Heilweise Ayurveda um Krankheitsvorbeugung, Stressbewältigung und Heilung bemüht. Pressereferentin Martina Trautner schildert das Erfolgsrezept des Hauses, das konstante Steigerungen der Gästezahlen verzeichnen kann: „Die Nachfrage bewegte sich immer auf hohem Niveau. Die konsequente Ausrichtung auf Ayurveda macht uns attraktiv für Gäste aus ganz Europa, Russland und den USA.

Die meisten der rund 100 Mitarbeiter sind seit den Anfängen vor rund fünfzehn Jahren im Team und entsprechend erfahren. Dabei haben sich, so Trautner, die Gästestrukturen im Laufe der letzten Jahre gewandelt. „Für viele ist Ayurveda eine echte Hoffnung auf Heilung nach langer Odyssee in der herkömmlichen Medizin, für andere wiederum steht die Krankheitsprävention im Vordergrund. Insgesamt erweise
Foto: Thewalt
CC Pharma
Foto: Thewalt
sich die Marktnische als zuverlässige Zukunftsentwicklung auf Basis einer grundlegenden Umorientierung der Menschen in Richtung eines selbstverantwortlichen Umgangs mit dem eigenen Körper. „Es ist kein kurzfristiger Boom, sondern eine Entwicklung von Bestand.“

EIN MASTERPLAN FÜR DIE GESUNDHEITSWIRTSCHAFT
Vielleicht stehen derartige Forderungen aus der konkreten Unternehmenspraxis einen Schritt näher an ihrer Verwirklichung, wenn das erklärte Ziel der eingangs erwähnten Bestandsaufnahme durch das Institut für Mittelstandsökonomie der Uni Trier e. V. (Inmit) erreicht ist: die Erstellung eines für Rheinland-Pfalz gültigen Masterplans mit daraus resultierenden Einzelinitiativen in den Teilregionen. Denn die Gesundheitswirtschaft ist zwar als Cluster definiert, der ausdrücklich Förderung und Weiterentwicklung erfahren soll. Sie ist dabei jedoch eine höchst diversifizierte und heterogene Branche, die aus diesem Grunde einerseits viel Spielraum für Synergien bietet, aber andererseits auch viele Freiräume verlangt. Das Inmit arbeitet in seiner Bestandsaufnahme mit dem so genannten Zwiebelmodell: Im Kernbereich befinden sich beispielsweise die Krankenhäuser, Arztpraxen, Pflegedienste und Reha-Einrichtungen. In zwei weiteren Schichten der Vorleister und Zulieferer sind Beratungsdienste, Krankenversicherungen oder Weiterbildungseinrichtungen zusammengefasst. In den beiden äußeren Schichten angesiedelt sind etwa die Unternehmen der Umwelt- oder Biotechnologie, Medizininformatik, Handwerk, Handel, Ernährungsindustrie, Wellness-Tourismus sowie pharmazeutische Industrie oder medizintechnische Betriebe. Zu diesem vielfältigen Spektrum gehören in der Region zum Beispiel die Elm-Plastik GmbH in Dudeldorf mit ihrer Produktion von Injektoren, Dosierpipetten oder Applikatoren, die Rose GmbH in Trier als Hersteller von medizinischen Bestecken, die MSR Röntgenraumtechnische Systeme GmbH in Jünkerath mit ihren Spezialeinrichtungen für Kliniken, die Solo-Med GmbH in Trier mit Produkten und Dienstleistungen rund um die Zahngesundheit oder die Tofutown.com GmbH in Wiesbaum bei Hillesheim.

ELM-Plastik, Foto: Thewalt
ELM-Plastik,
Foto:
Thewalt





„Eine Aussage über die generelle Entwicklung der Gesundheitswirtschaft ist schwer zu treffen“, fasst Projektleiter Marco van Elkan vom Inmit die Ergebnisse der Studie zusammen. „Es ist ganz sicher ein sehr relevanter Wirtschaftsbereich für Rheinland-Pfalz und sogar noch mehr für die Region Trier. Aber die Chancen differieren sehr stark zwischen den einzelnen Schichten des Zwiebelmodells und auch innerhalb. Offensichtlich ist, dass die Chancen umso größer sind, desto weniger die Rahmenbedingungen des staatlichen Gesundheitssystems greifen und Einfluss haben. Im Kernbereich lautet die wichtigste Aufgabe, die Arbeitsplätze zu halten, Wachstumsimpulse werden hingegen eher von den anderen Sektoren ausgehen.“ Die Bestandsaufnahme habe allerdings für die Region Trier im Vergleich zu den anderen Teilregionen des Landes ergeben, dass hier die Gesundheitswirtschaft gerade auf den Kernbereich des Zwiebelmodells, der direkt der staatlich geregelten Gesundheitspolitik unterliegt und daher den Akteuren besondere Herausforderungen stellt, konzentriert ist. Von ihm hängen hier proportional besonders viele Arbeitsplätze ab: Während im Landesdurchschnitt 68 Prozent der Bruttowertschöpfung der Gesundheitswirtschaft in diesem Teilsektor erreicht werden, sind es in der Region Trier 78 Prozent. Daraus könne gefolgert werden, dass Zukunftschancen vor allem auch im statistisch schlecht fassbaren Tourismussegment sowie in handwerklichen und industriellen Leistungen liegen, so van Elkan. Die Bestandsaufnahme war Basis für einen Masterplan des Wirtschaftsministeriums im Rahmen der „Initiative Gesundheitswirtschaft Rheinland-Pfalz“, der daraus qualitative Schlüsse zieht und Handlungsfelder aufzeigt, in den wiederum Ergebnisse von Regionalkonferenzen – etwa bei der IHK Trier – und Expertenkommissionen Eingang fanden.
Angelika Koch

Parkschlösschen Bad Wildstein, Traben-Trarbach
Ayurvedakuren im 5-Sterne-
Hotel Parkschlösschen Bad Wildstein
in Traben-Trarbach

Seitenfuß