Am Anfang war das Mofa. Es wollte einfach nicht so wie er. Jeden Samstag schraubte Pascal Theis am Getriebe herum und suchte nach dem Fehler. Heute schmunzelt der 20-jährige Rittersdorfer über die Geschichte. Schließlich hat das Mofa sein Interesse für Technik geweckt – und ihm so den Weg zum Traumjob aufgezeigt.
Heute fährt Theis Auto und arbeitet bei der Feluwa Pumpen GmbH in Mürlenbach in der Eifel. Dort hat er vor einem Jahr eine Ausbildung zum Industriemechaniker begonnen. Ab dem Herbst wird ihn sein Chef nur noch periodisch zu Gesicht bekommen, denn Theis ist kein normaler Auszubildender, sondern ein dual Studierender.
Praktisch bedeutet das: Im ersten Jahr lernt und arbeitet er im Unternehmen und in der Berufsschule, ab dem zweiten Jahr kommt die Hochschule hinzu. Dann ist er während des Semesters Student und arbeitet in den Ferien im Betrieb. Nach dreieinhalb Jahren legt er vor der IHK seine Prüfung zum Industriemechaniker ab, nach viereinhalb Jahren macht er den Bachelorabschluss im Maschinenbau. Am Ende verfügt Theis also sowohl über eine abgeschlossene berufspraktische Ausbildung als auch über ein Hochschulstudium.
MITTEL GEGEN DEN FACHKRÄFTEMANGEL
Die Firma Feluwa war 2010 das erste Unternehmen in der Region, das einen dualen Studierenden mit dem Fachbereich Maschinenbau der Hochschule Trier ausgebildet hat. Sie initiierte diesen Studiengang am hiesigen Standort und sorgte so dafür, dass ihre künftigen Ingenieure sozusagen maßgeschneidert nach ihren Bedürfnissen ausgebildet werden.
Denn schon damals war der Fachkräftemangel spürbar. In den Jahren 2008/09 war das Unternehmen stark gewachsen, so dass wegen der fehlenden Mitarbeiter Aufträge abgelehnt werden mussten, berichtet Technikleiter Daniel M. Nägel. Also konzipierte er in Zusammenarbeit mit der Trierer Hochschule und der IHK den dualen Studiengang Maschinenbau. Die Ziele: gute Abiturienten zu gewinnen, ihnen den Weg zu einem Studium mit Gehalt zu eröffnen und sie an sich zu binden. Sind sie doch am Ende ihrer Ausbildung nicht nur mit der breiten Theorie vertraut, sondern auch mit den Abläufen im Betrieb und mit den Erfordernissen der Praxis. „Das beste Maschinenteil nutzt nichts, wenn ich es nicht zusammensetzen und wieder demontieren kann“, erklärt Nägel.
Also lernt Theis in der Montage und Fertigung zunächst einmal Fertigkeiten wie Bohren, Feilen, Schweißen und Messen, um einen Blick dafür zu bekommen, worauf es später bei der Konstruktion ankommt.
KÜRZERE EINARBEITUNGSZEIT IM UNTERNEHMEN
Die Verknüpfung von Theorie und Praxis ist das Kernargument für duale Studiengänge. Zwar sei die durchgängige Bezahlung der jungen Mitarbeiter – auch während der Zeit, in der sie studieren – für die Unternehmen nicht ganz günstig, sagt Hans-Harro Wodniock, Personalmanager bei Weiland-Bau in Irrhausen. „Aber die Kombination ist toll; mit 24 Jahren haben sie schon eine Ausbildung und einen Hochschulabschluss in der Tasche.“ Besonders gut für ein Unternehmen sei, dass der Nachwuchs im Anschluss direkt einsteigen kann und nicht mehr eingearbeitet werden muss.
Weiland Bau beschäftigt derzeit sechs duale Studierende, die gleichzeitig eine Ausbildung zum Zimmerer oder Maurer absolvieren. Einer von ihnen ist Andreas Heck (19) aus Eschfeld. Er sieht den größten Vorteil des dualen Studiums darin, am Ende über wesentlich mehr Praxiserfahrung zu verfügen als Uni-Studenten.
HOHE LERNBEREITSCHAFT
Die Hochschule Trier wiederum profitiert von diesem Modell, weil sie den jungen Menschen eine Alternative zum klassischen Studium anbieten kann „und unglaublich leistungsfähige Studierende für sich gewinnt“, wie Dirk Brechtken sagt. Der Professor für Elektrotechnik koordiniert dort die dualen Studiengänge und spricht mit Begeisterung von den jungen Leuten.
Ihre Lernbereitschaft sei sehr ausgeprägt, ihre Aufmerksamkeit hoch, und obwohl sie weniger Zeit zum Lernen hätten, seien ihre Noten deutlich besser. „Sie arbeiten sehr effizient, können schnell umschalten und flexibel auf unterschiedliche Anforderungen reagieren.“
Vor etwa elf Jahren hatte RWE den Anstoß dazu gegeben, im Bereich Elektrotechnik eine berufspraktische Ausbildung mit einem Hochschulstudium zu kombinieren. 2003 ging die sogenannte kooperative Ingenieursausbildung – kurz KIA – an den Start. Wenig später begann der Fachbereich Versorgungstechnik, über die Handwerkskammer Trier eine Kooperation mit ortsansässigen Handwerksbetrieben voranzutreiben. Auch in diesem dualen Studiengang wurden 2003 die ersten Studierenden eingeschrieben.
„Unser Ziel war es, vor allem Ingenieurnachwuchs zu rekrutieren und an uns zu binden, der gleichzeitig Erfahrungen aus Praxis und Theorie mitbringt“, sagt Rainer Philipp, Personalleiter der heutigen Westnetz GmbH. Damit begann der Konzern frühzeitig, dem drohenden Fachkräftemangel in diesem Bereich entgegenzuwirken.
FRISCHES WISSEN FÜR DIE PRAXIS
Inzwischen hat RWE beziehungsweise die Westnetz GmbH (eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der RWE Deutschland AG) in Trier 60 Ingenieure und 35 Betriebswirte ausgebildet. „Sie kennen das Unternehmen und bringen gleichzeitig frisches Know-how von der Hochschule mit“, erklärt Philipp. Auf der anderen Seite wüssten sie auch in den Lehrveranstaltungen, wovon sie reden – eben weil sie die praktische Umsetzung kennen. Bewerbungen flattern ihm inzwischen aus dem ganzen Bundesgebiet ins Haus, „und im Regelfall wollen sie danach auch bei uns bleiben“.
Einig sind sich alle Seiten, dass nur die besten Schüler für ein duales Studium in Frage kommen. Die Sparkasse Trier stellt daher hohe Ansprüche an ihre Bewerber, sowohl mit Blick auf die Schulnoten als auch auf die Einstellungstests und Auswahlgespräche. „Das duale Studium eignet sich nur für einige wenige“, stellt Ausbildungsleiter Patrick Haas klar.
Denn die dualen Studierenden besuchen nach diesem Modell ausschließlich die Hochschule Trier, nicht aber die Berufsschule. Die Theorie der Bankausbildung müssen sie sich also selbst beibringen und sich parallel zu ihrer Arbeit im Unternehmen auf die IHK-Prüfungen vorbereiten.
EHRGEIZ UND SELBSTMANAGEMENT NÖTIG
„Das war schon sehr stressig“, erinnert sich Anne-Kathrin Melis, die im Februar ihr duales Studium abgeschlossen hat – nach dreieinhalb Jahren. Das Unternehmen hat sie damals mit Büchern und digitalen Lernunterlagen sowie einem zweiwöchigen Vorbereitungskurs unterstützt. Haas erklärt: „Die Grundvoraussetzungen sind: Man muss sehr gut lernen können und den Ehrgeiz haben, sich selbst zu managen.“ Probleme lösen, analytisches Denken, Stressresistenz, all das sei wichtig.
Die heute 23-jährige Triererin gehört zur ersten Generation der dualen Studierenden im Betrieb. 2008 hatte die Sparkasse Trier mit der Hochschule einen Kooperationsvertrag geschlossen und damit das duale Studium Betriebswirtschaft in der Region initiiert.
Inzwischen interessieren sich immer mehr junge Leute für diesen Weg, berichtet Haas. Doch es gebe einen weiteren Knackpunkt: Sie müssen in erster Linie die Ausbildung wollen – und das Studium als zusätzliche Chance sehen. Wer primär das Studium im Blick habe und die Ausbildung nebenbei absolvieren wolle, der sei hier falsch. „Die Berufsausbildung ist die Grundlage des Ganzen.“ Im Anschluss gehe es daher auch nicht darum, eine Turbo-Karriere hinzulegen, sondern sich im Unternehmen weiterzuentwickeln.
MOTIVATION AUS DEM JOB HERAUS
Die Studenten wiederum strengen sich mehr an, wenn ein Betrieb hinter ihnen steht und auf ihre Leistungen schaut, so die Erfahrung von Melis. „Und man weiß, was man davon hat.“ Genießen konnte sie die Studienzeit auch – trotz Zeitdruck – und darf sich heute Bankkauffrau und Bachelor of Arts nennen.
Auch Nägel ist vom Konzept absolut überzeugt. Zu den drei dualen Maschinenbau-Studierenden, die Feluwa ab dem Sommer beschäftigt, soll sich im kommenden Jahr ein Elektrotechnik-Student gesellen. Pascal Theis hat sich schon jetzt einen Bereich herausgesucht, in dem er nach seiner Ausbildung arbeiten möchte: der Konstruktion. Der Ort, wo er Fehler analysieren und beheben kann. Ein bisschen wie damals in der Garage … am Mofa.